Die Tage vergehen und ich sehe mir nun jeden Auftritt von Katniss und Peeta an. Katniss wirkt eingeschüchterter denn je, liest ihre Karten ab, sagt nichts mehr. Doch viele der Distrikte scheinen von ihrem Verhalten enttäuscht. Sie rufen ihr zu, schimpfen, es ist unglaublich, was sie sich trauen.
Ein Ereignis in einem der Distrikte ist mir vor allem im Gedächtnis geblieben. Dort gibt es aufständisches Verhalten, welches sofort unterbunden wird, indem die beiden, wahrscheinlich noch Jugendliche, abgeführt werden.
Nach den Zuständen in den anderen Distrikten und dem Aufgebot an Friedenswächtern kann ich mir vorstellen, dass es nicht gut für sie geendet hat.
Ich bin immer noch geschockt von den Ereignissen in Distrikt 11. Wie kann der Präsident solch hartes Vorgehen dulden? Oder hat er es sogar befohlen? Ist er derjenige, der solche Morde in Auftrag gibt? Er ist schließlich auch derjenige, der die Hungerspiele weiter bestehen lässt.
Ich wische die Gedanken weg und glätte das Kleid, das ich für den heutigen Anlass angezogen habe.
Eigentlich hasse ich es, mich herzurichten und Kleider meines bereits dritten Stylisten zu tragen. Doch dieses Kleid gefällt mir sogar. Ich fühle mich wohl darin.
Die Sieger der letzten Spiele kommen heute in unseren Distrikt und natürlich gehöre ich zu denjenigen, die ihnen die Hände schütteln wollen.
Auch wenn ich mir sicher bin, dass ich sie wahrscheinlich nur von Weitem betrachten kann. Sie werden gut bewacht, geschützt.
Die wertvollen Sieger.
Das Liebespaar aus Distrikt 12.
Der ganze Distrikt ist wegen den beiden ankommenden Siegern in Aufruhr, sie wollen alles perfekt haben.
Sie dürfen Distrikt 2 niemals vergessen, schließlich sind wir einer der Distrikte, der immer hoch angesehen wird, der viele Sieger zu verzeichnen hat und natürlich für die Sicherheit von ganz Panem sorgt. Immerhin werden hier nicht nur Waffen hergestellt, sondern auch Friedenswächter ausgebildet.
Kael ist seit den frühen Morgenstunden unterwegs und ich warte eigentlich nur noch darauf, dass er mich abholen kommt, wie er es mir gesagt hat.
Ich warte schon seit einer Stunde, als endlich die Tür aufgeht.
"Da bist du ja, du hast dich verspätet.", er nimmt seinen Helm ab und küsst mich, trotz dass ich ihn gerade noch angefahren habe.
"Das war nicht meine Absicht.", lächelt er und ich schüttele den Kopf.
"Weniger Arbeit würde dir gut tun."
"Ich weiß.", er öffnet die Tür und wartet darauf, dass ich nach draußen gehe.
Seufzend gehe ich nach draußen. Es hat keinen Sinn mit ihm heute über seine Arbeit zu diskutieren. Es hat wahrscheinlich nie einen Sinn mit ihm über seine Arbeit zu diskutieren.
"Sind sie schon da?"
"Nein, ich werde sie vom Bahnhof zum großen Platz geleiten. Als einer der wichtigsten Friedenswächter ist mir diese Aufgabe zugeteilt worden."
Ich nicke.
Einer der wichtigsten Friedenswächter.
Ich muss ein Kopfschütteln unterdrücken. Wann ist er zu dem geworden, der er ist? Wann hat er aufgehört sich Gedanken darüber zu machen, was er eigentlich tut?
"Wir sehen uns später.", lächelt er, als wir den großen Platz erreichen.
Ich nicke ihm zu und er setzt seinen Helm wieder auf. Mittlerweile verabscheue ich diese Uniform fast genauso sehr wie das gesamte Kapitol.
Seit Kael ein angesehener Friedenswächter geworden ist, ist er nicht mehr der, in den ich mich verliebt habe.
Und seit ich aus dem Kapitol zurückgekehrt bin, ist es schlimmer geworden. Als würde ihm diese Arbeit Spaß machen.
Tut es das oder versucht er nur uns zu schützen? Ist er deshalb so in seine Arbeit vertieft, weil er denkt uns somit aus der Schusslinie von was auch immer halten kann?
Doch wer oder was bedroht uns oder besser gesagt mich denn wirklich?
Der Bürgermeister begrüßt mich mit einem Lächeln und wickelt mich in ein Gespräch, doch ich höre nur mit einem halben Ohr hin.
Was ist es, das ich übersehe? Was geschieht hier? Warum verändert sich plötzlich alles?
Neben Enobaria und Brutus warte ich geduldig darauf, dass die Türen des Justizgebäudes geöffnet werden. Und endlich ist es soweit und Katniss Everdeen und Peeta Mellark betreten die Bühne.
Sie lesen von ihren Karten ab. Reden nicht mehr aber auch nicht weniger.
Mit einem viel zu großen und eindeutig falschem Lächeln nehmen sie die Geschenke entgegen, küssen sich vor aller Leute und reichen uns dann ihre Hände.
Katniss sieht noch unglücklicher aus, als in den letzten Fernsehübertragungen und ich bin sicher, dass es damit zusammenhängt, dass sie schon bald im Kapitol ankommen.
Dort wartet das Grauen auf sie, das kann ich deutlich spüren.
Nachdem die Sieger abgereist sind gibt es für uns Sieger aus Distrikt 2, den Bürgermeister und einige wenige Auserwählte ein prunkvolles Abendessen.
"Du bist heute so schweigsam meine Liebe.", spricht Tian mich nach dem Essen an.
"Heute ist nicht mein Tag.", antworte ich schnippisch.
"Die bissige kleine Reva, ich habe dich vermisst."
Ich verdrehe die Augen.
"Die Zeiten ändern sich Tian. Aber tief im Inneren, bin ich immer noch die, die du damals, vor fünf Jahren beim Training beobachtet hast."
Tian zieht eine Augenbraue nach oben, lächelt jedoch und geht davon.
Meine eigenen Worte hallen in meinem Kopf wider.
Die, die ich vor fünf Jahren war.
Was, wenn Kael dasselbe denkt wie ich? Dass ich nicht mehr die bin, die ich war, damals, als wir uns verliebt haben.
Ich habe in diesem Jahr so viel geweint, wie noch nie in meinem Leben. Ich hinterfrage alles und jeden, das habe ich vor fünf Jahren nicht getan.
Ich bin mutig gewesen, stark und unnachgiebig. Nichts hat mich aufhalten können und niemand hat sich mir in den Weg gestellt.
Es ist Zeit, dass ich wieder zu Reva Scott der Siegerin werde. Niemand soll denken ich hätte es nicht verdient, eine Siegerin zu sein.
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Reva Scott 3 - Die 75. Hungerspiele
FanfictionNach den 74. Hungerspielen scheint sich alles zu verändern. Plötzlich wehren die Menschen in den Distrikten sich, lassen sich nicht mehr alles gefallen. Während es in vielen Distrikten Aufstände gibt, verhält sich Distrikt 2 eher ruhig. Bis Kael...