Es vergingen mehrere Tage und Harry und Louis begegneten sich nicht. Der Lockenschopf hatte keine Antwort auf den Brief bekommen, doch er hatte auch keine erwartet. Louis hatte ihm schließlich zu seinen Worten nicht wirklich etwas zu sagen. Als die beiden sich dann schließlich das nächste Mal sahen, war es unter Umständen, die keiner der beiden sich gewünscht hatte.
Es war nachts, bereits nach Mitternacht. Harry lag in seinem Bett, das Fenster weit geöffnet, weil er es ihm beim Schlafen immer irgendwann zu warm wurde. Aufgrund seines tiefen Schlafes hörte er weder das leise Fluchen, noch das Knarzen des Zaunes, das von Draußen kam. Außerhalb seiner Wohnung, genau vor Harrys Schlafzimmerfenster, hatte ein dunkel bekleideter Mann das Grundstück betreten und kletterte sich gerade den Weg zum ersten Stockwerk hoch. Harrys Wohnung war ein Teil eines riesigen Mehrfamilienhauses, das in einer sehr reichen Gegend der Stadt seinen Platz hatte. Aus diesem Grund war es naheliegend anzunehmen, dass es hier etwas zu holen gab. Als die vermummte Figur schließlich das Fensterbrett erreicht hatte, sprang sie kurzerhand in den Raum, warf einen Blick auf den schlafenden Mann und atmete erleichtert aus. Dann begann sie schleichend das Zimmer zu verlassen. Die Tür quietschte kurz, als sie sich auf den Weg in das Nebenzimmer machte, doch Harry rührte sich nicht.
Als der Lockenschopf irgendwann aufwachte, hatte es einen anderen Grund. Er hatte sich wie schon so oft im Schlaf gedreht und verzweifelt nach Louis gegriffen. Doch wie auch in den letzten Monaten war sein Bett zu seiner Rechten leer gewesen. Seine Augen öffneten sich schlagartig und er blickte sich um, von seinem Exfreund fehlte natürlich jede Spur. Es traf Harry, wie beinahe jede Nacht, und er wollte sich gerade sein Kissen schnappen, um es anstelle von Louis zu umarmen, als er ein lautes Rumpeln aus dem Wohnzimmer vernahm.
Erschrocken setzte er sich auf und horchte. Es blieb für einen Moment still, bis er leise Schritte hörte. Da Harry ein Angsthase war, zog er zunächst seine Bettdecke über den Kopf und kniff seine Augen zusammen. Als die Schritte sich weder näherten, noch entfernten, griff Harry mit einer schnellen Handbewegung nach seinem Handy. Seine zitterigen Finger tippten einige Male auf den Bildschirm, bevor er sich das Gerät an sein Ohr hielt. Für einige Sekunden hörte er nur ein regelmäßiges Piepen und die leisen Hintergeräusche aus dem Nebenzimmer. Dann ertönte am anderen Ende der Leitung ein Rauschen, das denn jungen Mann dazu brachte das Mobiltelefon hastig von seinem Ohr wegzureißen.
Schließlich erklang die müde Stimme von Louis. „Harry? Was' los?", murmelte er, bevor er sich selbst mit einem lauten Gähnen unterbrach. „Louis! Da ist jemand in meiner Wohnung!", flüsterte Harry mit gebrochener Stimme, „Ich habe Angst, Lou." Es blieb für einige Sekunden still, bis Louis erneut anfing zu reden. „Bist du dir sicher, Harry?" Als Antwort bekam er nur ein leises Schluchzen. Ohne weiter nachzudenken, sprang Louis von seinem Bett auf. „Okay, Harry, pass auf. Du wirst jetzt die Polizei rufen. Ich bringe währenddessen Josephine zu Frau Hoyker und komme so schnell ich kann zu dir, ja? Bleib wo du bist, hast du mich verstanden?!" - „Aber dann kann er zur Haustüre herausgehen", widersprach Harry leise mit zitterigen Stimme. „Das ist egal, du bewegst dich nicht, Hazza, ich möchte nicht, dass dir etwas passiert." Wäre der Lockenschopf nicht in der jetzigen Situation wäre sein Herz bei der Nutzung seines Spitznamens und der Sorge hinter Louis' Stimme sicherlich geschmolzen. „Okay, beeile dich."
Als Louis eine knappe Viertelstunde später vor Harrys Wohnung parkte, standen dort bereits zwei Polizeiwagen. Mit schnellen Schritten lief er zu der halb geöffneten Haustüre und betrat das Haus ohne weiter darüber nachzudenken. Eine Stufe jeweils überspringend sprintete er ein Stockwerk hinauf, bis er bei Harrys Wohnungstür ankam. Von dort aus hörte er leise Stimmen, einige davon beruhigend und eine andere schluchzend. Die schluchzende gehörte eindeutig zu Harry.
Mit klopfendem Herzen betrat Louis den nächsten Raum. Er ging den Flur entlang, bis er in das kleine Wohnzimmer kam. Für einen Moment blieb er stehen und starrte auf die Szene, die sich vor ihm abspielte. Harry lag weinend auf den Boden, während er sich den Bauch hielt, und zwei Polizisten redeten auf ihn ein. Drei weitere Beamte durchsuchten die Wohnung.
„Harry?", brachte Louis schließlich im Flüsterton heraus. Alle Blicke landeten auf einmal auf ihm, als er einige Schritte auf seinen Exfreund zuging und sich zu ihm hinunterbeugte. „L-Lou, ich wollte nur, ich hab' doch...", er unterbrach sich selber mit einem leisen Schluchzen und streckte seine Hand in Louis' Richtung aus. Der Ältere verstand sofort und nahm Harrys viel größere Hand in seine. Dann wandte er sich den Polizisten zu. „Was ist passiert, wieso hat Harry Schmerzen?", fragte er viel patziger als eigentlich wollte.
„Ihr Freund wollte wohl einen auf Helden machen und bekam letztendlich einige Faustschläge in den Magen verpasst. Der Eindringling ist dabei entkommen, aber wir haben eine grobe Idee davon, wie er aussieht." Louis blickte wieder zu dem Lockenschopf. „Warum hast du nicht auf mich gehört, Hazza?" Vielleicht hätte Louis Harry in diesem Moment nicht auch noch Vorwürfe machen sollen, doch er konnte mit dieser Situation einfach nicht besonders gut umgehen. Er fühlte so viele Emotionen gleichzeitig, Angst, Sorge, Wut, Erleichterung. „Tut mir leid...", murmelte Harry leise, die Augen groß und ehrlich auf Louis gerichtet, „Ich wollte doch nur auch einmal etwas Richtiges machen." Sofort wandelten sich all die Gefühle und Gedanken in Louis um und das einzige, was er fühlte, war Liebe. Doch er blieb weiterhin still und verschränkte seinen Griff um Harrys eiskalte Hand. „Ein Krankenwagen ist auf dem Weg hierher", mischte sich einer der Polizisten in das Gespräch ein. Louis' Augen verließen Harrys Gesicht nicht, als er nickte.
Eine knappe Stunde später verließen Harry und Louis gemeinsam das Krankenhaus der Stadt. Louis war mit seinem Auto dem Krankenwagen hinterhergefahren und hatte dann dabei zugesehen, wie Harry untersucht wurde und ihm anschließend eine Salbe und Schmerzmittel verschrieben wurde. „Es tut mir leid, wirklich", murmelte Harry zum ungefähr zehnten Mal und wie die Male davor nickte Louis nur. Harry war froh, dass er nicht gefragt hatte, was Harry genau gemacht hatte. Denn seiner großen Liebe davon zu erzählen, wie er versucht hatte, einen riesigen, kräftigen Mann mit einem Besen und Haarspray zu überfallen, wäre ihm dann doch etwas peinlich gewesen. „Ich nehme dich für heute mit zu mir nach Hause, okay? Dann können wir beide noch etwas schlafen und du brauchst keine Angst haben", sagte Louis mit fürsorglicher Stimme und Harry lächelte dankbar.
Zuhause angekommen gingen die beiden in ihr ehemaliges Schlafzimmer. Der Vorschlag, dass einer der beiden im Gästezimmer schlafen könnte, wurde nicht ausgesprochen. Harry kämpfte die ganze Zeit über mit dem Gedanken, Louis auf den Brief anzusprechen, doch als er sah, dass der Zettel auf einen der beiden Nachttische lag, lächelte er nur breit und sagte nichts. Louis hatte ihn nicht weggeschmissen und vielleicht las er ihn sich ja abends manchmal durch.
In Stille machten sich beide bettfertig, ließen sich in das Himmelbett fallen und schalteten das Licht aus. Ein Räuspern unterbrach die Spannung und Louis grinste leise in sich hinein. Es war so typisch Harry, dass er nicht mit unangenehmen Situationen umgehen konnte. Manchmal fing er dann sogar an über das Wetter zu reden.
„Ähm... Hi, Louis", flüsterte der Jüngere schließlich. Louis biss sich auf die Unterlippe und versuchte das Kribbeln im Bauch zu unterdrücken. „Hallo, Harry", antwortete er genauso leise. Es blieb für einen weiteren Moment still, während beide jungen Männer lautlos grinsten. „Danke, dass du gekommen bist. Ich wäre wirklich durchgedreht vorhin und ich weiß, du denkst wahrscheinlich, dass ich ein Angsthase und kompletter Idiot bin, aber"-„Du bist ein Angsthase und kompletter Idiot, Harry." Ein leises Seufzen kam von Harrys Seite im Bett. „Ich weiß", murmelte er leise.
„Aber er ist okay. Es war schon beinahe, ähm,.. süß, dass du versucht hast den Einbrecher umzulegen und dir dabei fast in die Hose gemacht hast." Es war im Dunkeln so viel einfacher über Dinge zu reden, die zu viele Gefühle mit sich brachten, als bei Tageslicht. „D-Du findest mich süß?" - „Du weißt das, Harry. Ich habe es dir früher jeden Tag gesagt." Einige Minuten sagte keiner der beiden etwas, bis Harry erneut seine Stimme erhob. „Ich dachte, das hätte sich vielleicht geändert." Louis, der seinen Exfreund inzwischen schlafend vermutet hatte, drehte seinen Kopf zum ihm hin, auch wenn er nur seine groben Umrisse sehen konnte. „Hat es nicht. Gefühle können nicht einfach verschwinden, weißt du?"
Es dauerte zu lange bis Harry all seine Gedanken zu diesem Satz geordnet hatte, denn gerade als er ansetzte endlich zu antworten, hörte er ein leises Schnarchen von rechts. Also blieb er still und legte seine Arme um Louis zierlichen Körper. Er drückte einen Kuss auf die Stirn des Kleineren, flüsterte ein „Ich liebe dich" und schlief endlich wieder ohne Probleme ein.
DU LIEST GERADE
Never stopped loving you
RomanceLouis hatte Harry geliebt und ihm vertraut; so sehr, dass er mit ihm ein Kind hatte großziehen wollen und er um seine Hand gebeten hatte. Und dann war da diese eine einzige Nacht, die ihrer Beziehung zum Verhängnis werden sollte. Sie beide hätten ni...