5. Kapitel

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"Sie können nächste Woche sofort anfangen, wenn sie möchten." Louis nickte aufgeregt und umschloss den Kinderwagen vor sich fester. "Okay, also dann Dienstag um halb zehn?", fragte er grinsend, woraufhin sein zukünftiger Chef nickte. Er war unglaublich nett und hatte eines dieser Lächeln, die so furchtbar ansteckend waren. "Danke, bis dann!", rief Louis glücklich und der Besitzer des Cafés verabschiedete sich lächelnd.

Seine Nachbarin hatte angeboten, Josephine Dienstagvormittag zu sich zu nehmen und später würde Harry dann auf sie aufpassen. Die zukünftige Babysitterin war eine 72jährige Rentnerin, die seit dem Tod ihres Ehemannes vollkommen vereinsamt war. Sie hatte ein großes Herz und verlangte kein Geld, stattdessen würde Louis ab und zu für sie einkaufen gehen.

Leise pfeifend schub Louis den Kinderwagen in Richtung Einkaufszentrum. Er war heute seit Langem mal wieder gut gelaunt. Vielleicht lag es daran, dass er gestern mit Harry geredet hatte und es so aussah, als könnten die beiden tatsächlich noch gut miteinander planen, auch wenn sie ihre Zukunft ab jetzt einzeln gestalten mussten. Er betrat den Laden, streichelte seiner Tochter lächelnd über die Wange und sah sich um. Dann trat er auf das erste Regal zu. Wie gewohnt wollte er nach den Schokoflakes greifen, als ihm einfiel, dass niemand sie mehr essen würde. Er aß morgens nur Obst und trank seinen Tee, während Harry jeden Tag zahlreiche Schüsseln Müsli in sich hineinlöffelte. Seufzend stellte er die Packung also zurück, doch seine gute Laune war verschwunden. Er lief weiter, legte hier und da Produkte in seinen Korb und versuchte, sein Geld nur für Sachen auszugeben, die Harry nicht mochte. Es ließ ihn besser fühlen, als ob er Harry nicht bräuchte und als könnte er ihm so eines auswischen. Dass das natürlich nicht der Fall wusste Louis eigentlich, aber er war zu dickköpfig, um sich das einzugestehen.

Nachdem er bezahlt hatte, verließ er das Geschäft und lief die wenigen Meter nach Hause.

"Komm her, Prinzessin. Jetzt wickelt Daddy dich erst einmal und dann ruhen wir uns aus, was hälst du davon?", fragte Louis seine Tochter liebevoll und trug sie mit sich in das Badezimmer. Vorsichtig legte er das Mädchen auf den Wickeltisch ab und drückte ihr einen Kuss auf die Nase. Josephine gluckste leise, während sie mit ihren kleinen Füßen strampelte. Louis lächelte und begann sie ihren Kleidern zu entledigen. Mit gerümpfter Nase entfernte er schließlich die Windel, schmiss sie in den Mülleimer und wusch anschließend seine Tochter. Josephine gab während des gesamten Prozesses zufriedene Laute von sich und betrachtete das Bild, das an der Decke angebracht war. Sobald es jedoch zum Anziehen kam, begann sie zu weinen und schrie, als Louis sie beruhigen wollte. Sie hatte genau wie ihr Papa ständig das Bedürfnis nackt zu sein und hasste es, Kleidung an ihrem Körper zu haben. Bei dem Gedanken an diese Angewohnheit seines Exfreundes entstand ein Bild von Harrys breiten, trainierten Schultern, seiner weichen Haut und allen anderen entblößten Körperregionen des Lockenschopfes, in Louis Kopf. Schnell schüttelte er diesen Gedanken ab und konzentrierte sich wieder darauf Josephine unter lautstarken Protesten anzukleiden.

Harry war in der Zwischenzeit in der Zahnarztpraxis und ging einige Unterlagen durch. Seufzend stellte er fest, dass er nächsten Dienstag einen Sondertermin hatte, obwohl er an diesem Tag normalerweise frei hatte. "Scheiße", murmelte er genervt und fuhr sich durch die Haare. Er hatte Louis versprochen, Josephine zu sich zu nehmen und er freute sich darauf, doch jetzt war da dieser dummer Termin. Er wollte Louis auf gar keinen Fall schon wieder enttäuschen, es musste noch irgendeine andere Lösung geben.

"Was los, Harry?", kam eine besorgte Stimme von der anderen Seite des Raumes. Der Lockenschopf hob seinen müden Blick und erkannte Leni, die gerade ihre Mittagspause hatte und sich eine Tasse Kaffee machte. "Ich habe dir doch erzählt, dass Louis und ich uns getrennt haben", begann Harry leise und schluckte bei den Erinnerungen, "Naja, wir haben ja immer noch eine gemeinsame Tochter. Ich darf sie am Dienstag mit zu mir nehmen und ich habe mich schon total darauf gefreut, aber jetzt habe ich gerade gesehen, dass ich da einen Termin habe."

Leni ließ sich gegenüber von ihrem Chefarzt auf einem Stuhl nieder und überlegte. "Gibt es den niemanden, der dich vertreten könnte?" Harry schüttelte seinen Kopf und fuhr sich erneut verzweifelt durch seine Locken. "Ach, Shit", stöhnte er leise und er bemerkte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Er war am Ende seiner Kräfte, er wollte einfach nach Hause kommen, von Louis in die Arme genommen werden und seiner Tochter noch ein Gute-Nacht-Lied vorsingen, um dann selber in sein Himmelbett zu fallen. Stattdessen würde er heute, wie in den Wochen zuvor, sein einsames Hotelzimmer betreten und sich auf die Suche nach einer Wohnung machen.

"Oh, Harry", flüsterte Leni besorgt und fuhr ihm in einer liebevollen Geste über den Arm. Sie selbst kannte Louis und Josephine nur vom sehen, aber sie wusste dafür umso mehr über Harry; dass er seine Familie über alles liebte, dass er unglaublich gut mit Kindern umgehen konnte, dass er eine liebevolle Art hatte mit Menschen zu reden und dass seine Augen jedes Mal glitzerten, wenn man Louis' Namen erwähnte. Seit der Trennung von seinem Exverlobten war Harry eine komplett andere Person. Er war still und seine Augen spiegelten so viel Trauer wieder, dass Leni ihn am liebsten ständig in den Arm nehmen wollte.

"Herr Styles, ihr nächster Patient ist da. Behandlungszimmer 4", kam die Stimme von einer weiteren Zahnarzthelferin und Harry stand seufzend aus. Leni wartete ab, bis er den Raum verlassen hatte und ließ sich dann auf Harrys Stuhl fallen. Mit flinken Finger durchsuchte sie die Unterlagen ihres Chefes nach den bevorstehenden Terminen ab, bis sie fündig wurde. Die junge Frau nahm das Telefon von der Station, wählte die angegebene Nummer und drückte anschließend die grüne Taste. "Guten Tag, Zahnarztpraxis Styles hier. Sie hatten einen Termin für nächsten Dienstag vereinbart, richtig?", sie wartete auf die Antwort am anderen Ende der Leitung, bevor sie fortfuhr. "Wir haben da leider einen Fehler gemacht und haben versehntlich zwei Termine auf diese Uhrzeit gelegt. Wäre es vielleicht möglich, dass wir ihren Termin verschieben?"

Zufrieden legte sie einige Minuten später auf und nahm eine Schluck von ihrem Kaffee. Ein paar Notlügen durfte man sich schon einmal gönnen, fand sie. Als sie sich eine halbe Stunde später wieder auf den Weg in eines der Behandlungszimmer machte, kam ihr Harry entgegen. "Tag, Harold. Du musst leider am Montag ein paar Überstunden leisten. Die junge Frau von dem Dienstagstermin konnte nicht wann anders", zwinkerte sie fröhlich und sah Harry dabei zu, wie er begann zu strahlen. Grinsend nahm er sie in den Arm.

"Danke, danke, danke, Leni!", rief er glücklich und dir Frau lächelte breit. "Immer wieder gerne, Herr Chefarzt", sagte sie mit vornehmer Stimme und deutete ein Verbeugung an.

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