Kapitel 19 ~ Die Gefahr

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Mein Mund klappte auf und ich saugte scharf Luft ein. Mein Magen zog sich zusammen. Das war zu viel. Ich konnte nicht mehr. Mike hatte es mir verheimlicht, dass er auch noch ein anderes Mädchen liebte. Es fühlte sich an als würde mein Herz verbrennen und nach und nach bröckelte die Asche hinunter auf den Boden. Ich konnte meine Gefühle nicht richtig interpretieren. Ich wusste nicht ob ich wütend war oder traurig. Wahrscheinlich beides zugleich. Er hätte es mir sagen müssen, damit ich mich nicht in ich verlieben würde. „Das hätte dich sicherlich nicht davon abgehalten.", sagte Duncan bestimmt. Er las wieder meine Gedanken. „Kleine, denkst du wirklich Mike mag dich nicht? Er hat mir jeden Tag erzählt wie du dich entwickelt hast. Er hat sich um dich gesorgt.", belehrte er mich.
„Ihr habt miteinander kommuniziert?".
„Natürlich! Oder denkst du ich mache mitten in der Nacht einen kleinen Waldspaziergang?".
„Naja...", beschämt starrte ich zu Boden, „Wie habt ihr denn korrespondiert? Mit Briefen?". Duncan lachte herzhaft. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was ist da dran so lustig?
„Wieso bist du hierhergekommen?", befragte mich Duncan.
„Ich hatte urplötzlich Mikes Stimme in meinem Kopf gehört und dann hat er mir Anweisungen gegeben.", beantwortete ich gehorsam seine Frage. Er zeigte mit dem Finger auf die Halskette die mir Mila geschenkt hatte. „Wenn jemand das Gegenstück besitzt kann man ohne Komplikationen sich über die Gedanken unterhalten. Mit diesem Mittel sind Mike und ich öfters... in Verbindung getreten.". Mike wusste es. Er wusste es, dass ein Mächtiger kommt und ihn entführte. Er wollte mich beschützen, indem er es mir nicht sagte. Aber das würde mich nicht aufhalten, ihn zu suchen und zu retten. Aber wie? Ich weiss nicht wo er ist, ich weiss nicht wo er in einer Minute sein wird und ich weiss nicht ob er überhaupt noch lebt. Alles ging mir zu schnell. Von dem einen Tag auf den anderen hatte ich erfahren wer ich bin. Mein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Hoffnungsvoll schaute ich Duncan an. Vielleicht wusste er was zu tun war. Doch seine Augen waren leblos auf einen Punkt fixiert. Ausdruckslos starrte er ins Leere, als würde er über etwas nachdenken. „Duncan?", fragte ich unsicher, leise. Er schloss die Augen als wolle er in eine andere, friedliche Welt tauchen, ohne jegliche Gefahren oder Krieg. Verzweifelt schaute ich auf den Boden. Ich schloss auch die Augen und versuchte in eine andere Dimension zu gelangen. Zumindest in meinen Fantasien.

Blau, der Himmel. Ein unglaublich zartes Blau, aber doch kräftig und unglaublich machtvoll. Keine einzige Wolke war zu sehen, alles war klar. Grün, die Wiese. Die Gräser waren von einem saftigen Grasgrün die bis zu der Hüfte gelangen. Ich fuhr mit den Händen durch die hohe Wiese und spürte die kühlen, leicht kitzelnden Blätter auf den Fingerspitzen. Vor mir tauchten Blumen auf. Gelbe Blumen. Ich atmete den zarten Duft ein, einen sehr frühlinghaften Duft. Mild aber präsent. Die Sonne erweckte die Blumen und sie tanzen im Wind. Ich spürte den leichten Luftzug auf meiner Haut, wie er mich leicht frösteln lies. Der Wind spielte ein Spiel mit meinen Haaren und sie bewegten sich geschmeidig im Wind, als wären sie ein Teil von ihm. Mein Blick wanderte nach links, wo ein gewaltiger Wald entstand. Gigantische Baumstämme schossen aus dem Boden und errungen sich in den unendlich weiten Himmel. Ich hörte sie flüstern. Zuerst ganz leise, undeutlich und verängstigt. Dann wurde das Gemurmel immer drastischer und lauter. Es hörte sich an wie eine uralte Sprache die schon lange ins vergessene geraten ist. Sie hörte sich unglaublich mächtig und verbunden an.
Die Landschaft um mich herum wuchs immer und immer weiter, als wäre dies alles geplant gewesen und es habe genau auf diesen einen Moment gewartet. Im Fernen hörte ich das beruhigende, gleichmässige Bachrauschen und genoss die reine Natur. So schön könnte es sein.
Doch ein aufgeregtes Knistern durchbrach die friedliche Stille. Feuer.
Es breitete sich aus wie eine wild wuchernde Krankheit. Der Rauch brannte in meinen Augen und der markante Geruch des Feuers stieg mir in die Nase.
Panik. Angst.
Gefühle bestürzten mich augenblicklich. Ich wollte weg aber konnte mich keinen Millimeter bewegen. Hastig schaute ich zu meinen Füssen herunter. Mächtige Wurzeln schossen aus dem Erdboden empor und wickelten sich um meine Füsse. Immer fester und zäher. Wie eine Schlange streifte sie meinen Körper hoch und schlängelte sich um meinen Hals. Ich konnte nicht mehr Atmen. Ich versuchte Luft einzuatmen, vergeblich. Der Druck in meiner Lunge wurde immer grösser. Langsam verlor ich mein Bewusstsein. Meine Augen flackerten und ich zwang mich wasch zu bleiben. Das Letzte was ich spürte war die Hitze auf meiner Haut.

Schlagartig schreckte ich aus meinen Gedanken. Keuchend blickte ich Duncan an. Er schaute mich an. Belehrend.
Er wusste es. Er wollte, dass ich mich in meiner Fantasie vertiefe. Und in diesem einen Moment wurde es mir klar. Alles was um mich herum geschehen ist, war ich. Ich habe diese Wiese erschaffen, diesen Wald und diesen Bach. Ich habe das Feuer ausgelöst und die Wurzel über meine Füsse geschlungen. Das waren meine Kräfte.
„Du bist mächtig. Du bist stark. Du bist herrschend. Deine Gabe ist wunderschön, aber wenn sie ausser Kontrolle gerät ist sie gefährlich. Sie kann alles zerstören. DU kannst alles zerstören.
Sie ist ein grosser Freund von dir, aber einen unglaublich zerstörenden Feind. Du könntest dich mit deinen eigenen Fähigkeiten umbringen!
Ich weiss, Mike hat dir viel beigebracht und du hast viel gelernt. Aber das war alles nur Training. Das da draussen ist tausend Mal bedrohlicher. Das da draussen ist die Realität. Die Wirklichkeit.
Da draussen gibt es keine Wiederholung. Keine zweite Chance. Es gibt nur eine Chance. Eine. Und wenn du nicht aufpasst, ist sie schnell verloren. Du hast verloren. Wenn du in Panik gerätst, vergisst du alles. Dein Hirn ist blockiert. Als hättest du keine Erinnerungen mehr an die Vergangenheit. Als wäre alles gelöscht, was du je gelernt hattest. Verstehst du das?". Duncan schaute mich eindringlich an.
Ja, ich verstand es. Und es machte mir unglaublich Angst. Es war eine Bedrohung für mich. Ich persönlich war die Bedrohung. Ich wusste, dass Duncan mir keine Furcht einflössen mochte, aber so war die Tatsache nun mal. Kurz und schmerzlos.
Ich hörte wie Duncan sich aufrichtete und in sein Zimmer ging. In dem Moment merkte ich, dass ich sehr müde war. Ich wollte schon aufstehen, als ich ein Krachen in dem Zimmer von Duncan hörte. Plötzlich war ich wieder hellwach. Mein Körper kribbelte nur noch von Nervosität. Ich spürte jede einzelne Hautzelle, die bereit war für einen Kampf. Ich sammelte meine restliche Konzentration und ging so leise wie möglich in die Richtung des Zimmers.
Ich atmete ein.
Ich atmete aus.
Mein Puls raste und ich versuchte mich zu beruhigen. Ein Adrenalinschub fuhr durch meine Adern. Langsam bewegte ich mich fort und blieb am Türrahmen stehen. Ich drückte mich noch näher an die Wand, dass mein Schatten mit dem der Wand verschmolz.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 11, 2015 ⏰

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