Kapitel 1 ~ Keine Spur

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Mein Wecker klingelte. Ich stöhnte und drückte mein Kopf fester in mein Kopfkissen. Es half nichts. Das Klingeln meines Weckers schellte genauso laut in meinen Ohren. Verschlafen richtete ich mich auf und schaltete mein Wecker aus. Mein Blick schweifte durch mein Zimmer. Es war aussergewöhnlich still. Fast zu still. Meine Eltern stritten sich eigentlich jeden Morgen. Aber heute nicht. Einmal ging es um das Geld, obwohl wir eigentlich genug hatten, denn mein Vater war ein Anwalt und verdiente ausgesprochen gut. Dann ging es um die Ferien und sie stritten sogar darüber wer die Küche aufräumen sollte. Als ich kleiner war, hörte ich noch zu und zog mich immer zurück in mein Zimmer um zu weinen. Ich vergoss Träne um Träne und konnte es einfach nicht verhindern. Früher weinte ich viel. Sehr viel. Jetzt wurde das Gestreite allmählich zum Alltag und ich konnte mir kein Leben ohne Zankerei vorstellen. Und jetzt, in diesem Moment vermisste ich es irgendwie. Ja, ich vermisste es. Ich stand auf wie ein normaler Teenager. Aber ich bin nicht normal, dachte ich mir. Ja, das stimmte. Ich war nicht normal. Normal kann jeder.

Mit diesem Gedanke schweifte ich rüber zu dem Fenster. An den genau gleichen Platz wie in der Nacht. Aber es war nicht genauso. Der Regen war verschwunden, an seiner Stelle war jetzt ein dünner Schleier. Nebel. Er umhüllte die Bäume wie ein Spinnennetzt, welches einer riesigen Spinne gehörte. Kalten Schauer lief mir den Rücken hinunter und die Atmosphäre was schauerlich.

Ich wandte mich von der Glasscheibe ab und lief zum Spiegel.

Ich betrachtete mein Spiegelbild. Meine Mutter hatte immer gesagt. Täusche dich nicht am Spiegelbild des Anderen. Es sagt nur über das Aussehen der Person aus, und nicht über den Charakter. Es ist das erste Mal, als ich darüber nachdachte. Und irgendwie stimmte es. Meine Mutter war eine kluge Person. Aber auch ein wenig verrückt. Sie glaubte an Geister und magische Kräfte. Sie glaubte immer an Hexen und Zaubrer, an Feen und Elfen, an Zentauren und Drachen. Meine Mutter war eine Person, die die Freiheit liebte und sie tat das was sie wollte. Genau wie ich. Ich war stur und dickköpfig. Dazu war ich sehr verschlossen und machte nicht viele Bekanntschaften. Aber ich wusste genau was ich wollte und verlor nie mein Ziel aus meinen Augen. Alle Leute im Dorf bezeichneten meine Mutter als verrückt, was sie im Grunde genommen auch war, und gingen ihr aus dem Weg. Mache fragten sich sogar, wieso sie immer noch das Sorgerecht für mich hat. Eine Frechheit. Aber meiner Mom war das egal und sie nahm es mit Humor. Mein Dad hingegen war beliebt, fast schon berühmt. Die meisten hatten in gerne und er war der beste Anwalt, für mich jedenfalls.

Meine dunkelbraunen, nahezu schwarzen Haare vielen kraftlos bis zum Bauchnabel. Dafür strahlten meine Kristallblauen Augen umso mehr. Mein makelloses Gesicht, war frei von Schminke. Ich stand nicht eine halbe Stunde vor dem Spiegel und schmierte mit nicht tonnenweise Make-up ins Gesicht. Auch nicht Lidschatten, Mascara, Kajal und was es zum Teufel noch gab. Nein, ich war anders gestrickt. Ich hatte keine Freunde. Ich hatte nur eine Familie. Naja, Familie kann man das nicht nennen. Besser gesagt hatte ich nur meine Eltern. Und es ist für mich wie ein Wunder, dass nur zwei Personen in meinem Leben, meine Lebenszeit glücklich machen.

Als ich mein Spiegelbild genug betrachtet hatte, wunderte ich mich, wo meine Eltern steckten. So ging ich auf meinem Zimmer und lief mit leichten Schritten in den Raum, wo meine Mom und mein Dad schliefen. Eigentlich. Ich machte die Türe auf und schaute mich im Zimmer um. Die Bettdecken waren schön auf eine Seite gerichtet. So wie ich mein Dad kenne, legte er viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit. Das Zimmer war schön eingerichtet. Das Bettgestell war aus Buchenholz, welches einen blassgelben rötlichen Schimmer hatte. Der Boden war mit grauem, schwarz - weiss gesprenkeltem Stein besetzt. Dazu einen Schrank, der mit einer Lindgrünen Farbe ummantelt war. Mit gleicher Farbe ausgestattet war auch ein Teppich, der zwischen drin im Zimmer ruhte.

Schnell suchte ich weiter, nach einem Zettel auf dem mit schön verbundener Schrift darauf stand: Guten Morgen Schatz! Ich und Dad mussten schon früher los. Tut uns leid. Alles Liebe, Mom und Dad. Aber ich suchte vergebens. Keine Spur. Alles war leer und Still, und ich spürte wie eine heisste Träne an meiner Wange hinunter kullerte. Dann noch eine. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Komisch. Dieses Kribbeln hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Das letzte Mal als es passiert ist, war an dem Tag, als meine Grandma an einem Herzinfarkt fast ums Leben gekommen ist. Aber ich hatte das Gefühl nicht als sie den Unfall schon hatte. Nein, ich hatte das vor ihrem Infarkt, als sie noch fit und munter war. Als dies geschah, war ich sechs. Ich kannte sie nie gut und machte auch nicht viel mit ihr. Und dann, ein Jahr später starb sie. Einfach so. Von dem einen Tag auf den anderen. Obwohl sie Kerngesund zu dieser Zeit war, starb sie einfach. Jahrelang versuchte ich einen logischen Ausweg zu finden. Jahrelang habe ich keine Erklärung gefunden. Aber jetzt habe ich eine. Ich denke nicht, dass Grandma starb weil es Gott so wollte. Nein, ich glaube dass jeder Mensch Lebensaufgaben hat. Und meine Grossmutter erfüllte alle. Also starb sie. Sie hatte das getan was sie musste. Aber das ist nur eine Vermutung von mit. Ich glaube das. Aber wie es wirklich ist, weiss niemand. Das wird für immer und ewig ein Geheimnis bleiben. Es wird auch nie eine Wissenschaftliche Erklärung dafür geben. Wieso schlägt unser Herz. Wieso sind wir auf dieser Welt? Was hat das für ein Sinn? Die Welt zu verschmutzen, dass wir eines Tages daran sterben. Ist das unsere Lebensaufgabe? Oder sind wir einfach hier um Spass zu haben? Das sind alles Geheimnisse. Alles Fragen die nie aufgeklärt werden können. Und damit bin ich auch einverstanden. Die Menschheit muss nicht alles Wissen.

Als Grandma im Sterbebett lag, war mein Dad schrecklich traurig. Ich hingegen nicht. Ich realisierte es nicht mal richtig. Und ich wusste genau noch, dass diese Beerdigung war, auf der ich je war. Die Personen trugen nicht schwarze Kleider. Nein, sie trugen genau das Entgegengesetzte. Weiss. Und manchmal auch Bunt. Gelb, rot, grün, blau. Ich sah alle Farben. Mein weisses Kleid das ich trug, war mit orangen - gelben Blümchen verziert. Dazu hatte ich einen grasgrünen Hut auf meinem Kopf. Der Tag, an dem die Beerdigung stattgefunden hatte, war sonnig. Die Sonne strahlte so wie damals das Lachen meiner Grandma. Ja, sie lachte immer und ist die fröhlichste Person der ich je begegnet war.

Plötzlich kitzelte es in meiner Nase. Ich verzog mein Gesicht und musste Niesen. Und das brachte mich auf den Gedanken, wieso ich eigentlich hier stand.

„Mom!?", rief ich. „Dad!?". Verzweifelt stand ich da und wusste nicht was tun. Obwohl ich schon 16 Jahre alt war, fühlte ich mich wie ein kleines hilfloses Mädchen, dass ich in einer grossen Stadt verirrt hatte. Ich presste die Lippen aufeinander und bewegte mich Richtung Treppe. Schritt für Schritt näherte ich mich dem unterem Stock. Stufe für Stufe. Und je näher ich kam, umso mehr stiess mir den Kupferartigen Geruch in die Nase. Blut. Ich schaute auf meine Hände aber ich entdeckte keinen einzigen Tropfen von dem Lebenssaft. Was war los? Ich näherte mich immer mehr an der Wahrheit. Und dann, schoss mir in Sekundenschnelle der Gedanken wie ein Pfeil in den Kopf. Ich nahm zwei Treppenstufen auf einmal, und als ich unten ankam, brauchte es nicht lange bis mir den Atem stillstand. Ich konnte es nicht fassen. Ich konnte es nicht fassen. Ich sah genau das, was ich nie in meinem Leben sehen wollte!

Königblaues Blut *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt