Kapitel 3

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"A heart as cold as ice."
"Ein Herz kalt wie Eis."

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Und wie es das Schicksal wollte, lief ich in ihn hinein, als ich einen Topf voll Suppe trug. Es schwappte ein wenig hinaus, direkt auf mein Oberteil. "Sag mal, kannst du nicht aufpassen?", schrie ich. "Du siehst doch, dass ich diesen Topf hier trage!" Dann realisierte ich, dass es Jorge ist. Aber das war mir eigentlich auch egal. "Tut mir leid, Tini... Ich hab dich nicht gesehen", entschuldigte er sich. "Ist auch egal. Das Shirt ist jedenfalls hinüber. Vielen Dank!" Keine Ahnung, was er hier macht. Vielleicht hilft er ja sogar freiwillig hier. Ich stellte den Topf ab und fragte, ob ich nicht irgendwas schneiden konnte. Also gaben sie mir die Aufgabe, das Gemüse zu schnippeln. Nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, aber jedenfalls besser, als das Risiko einzugehen, noch mehr heiße Suppe übergegossen zu bekommen. "Tat es sehr weh?", fragte Jorge mich. "Was?", motzte ich. "Na ja, die Suppe. Die war ja nicht gerade kalt." "Geht schon", log ich. Eigentlich brannte es sehr. Aber starke Mädchen wie ich zeigten in der Öffentlichkeit keine Tränen. Auch nicht, wenn ich Jorge schon lange kenne. Plötzlich fing er an zu lachen. "Was ist so lustig?", meckerte ich. "Du schneidest das total falsch. Hast du denn noch nie ein Messer in der Hand gehabt?" "Da wo ich jetzt lebe, muss ich kein Essen zubereiten." "Na komm, ich zeig's dir", meinte er. Wollte ich überhaupt, dass er es mir zeigt? Doch um ihm zu widersprechen, war es schon zu spät. Er hatte sich ein Messer, Brettchen und Paprika geholt und stellte sich neben mich. Anscheinend hatte er schon vergessen, dass ich ihn gerade noch angemotzt habe. "Guck, so geht das", er zeigte mir, wie ich das Messer zu halten habe. Dabei legte er natürlich total klischeehaft seine Hand auf meine. Aber ehrlich gesagt gefiel es mir. Warte nein! Es ist Jorge! Wie kann mir das gefallen?! "Siehst du? Geht doch viel besser", flüsterte er. Ich sah zu ihm hoch und unsere Blicke trafen sich. Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich seine Augen liebe? Nein? Tja, sie haben die perfekte Mischung zwischen grün und braun. Und dann fing er plötzlich an zu lächeln. Oh mein Gott, diese Grübchen, die bei seinem Lächeln zu sehen sind, bringen mich noch um. Die Grübchen, seine Augen und seine Lippen als Kombi sind wie eine Droge.
Aber was tue ich hier? Mein Freund sitzt doch in den USA. "Äh, danke fürs Zeigen", meinte ich und widmete ich wieder dem Gemüse. Ich musste den Blickkontakt einfach unterbrechen. Vielleicht hätte er mich küssen wollen? Ach nein, was denke ich da? Mit seinem Aussehen hat er sicherlich eine Freundin. Wenn es in diesem Kaff überhaupt ein Mädchen gibt, was ihm gerecht wird. Oh man, ich sollte weniger Zeit mit ihm verbringen. Der Typ macht mich ja ganz kirre im Kopf.

"Jorge, wo soll das Gemüse überhaupt hin?", fragte ich, als ich fertig war. Ich musste für diese Frage ich meinen ganzen Mut zusammennehmen. Es war mir ziemlich peinlich, was da vorhin passiert ist. "Bring das einfach zu dem großen Topf rüber und lass es dort stehen", antwortete er, ohne mich anzusehen. Soll mir recht sein. So bestätigt er nur, dass zwischen uns rein gar nichts passiert ist.
Doch so tollpatschig wie ich natürlich manchmal bin, rutschte ich auf dem Boden aus und landete samt Gemüse auf dem kalten Fußboden. "Alles ok?", fragte Jorge und kam angerannt. Ich konnte nicht anders und musste anfangen zu lachen. Der ganze Tag war einfach so scheiße, dass ich nicht anders konnte. Scheiße war auch, dass ich in diesem Kaff gefangen war beziehungsweise in dieser Suppenküche. Jorge stimmte jedoch direkt in mein Lachen ein. Er weiß zwar nicht, dass ich in gewisser Weise auch etwas über ihn lache, aber YOLO, wie man so sagt.

Eigentlich wurde das Kochen noch ganz schön. Jorge erzählte mir von seiner Zeit im Ausland. Ich redete mich immer schön raus. Irgendwie wollte ich nicht, dass er weiß, dass ich ein Weltstar bin. Es war eigentlich ein ganz angenehmes Gefühl, mal nicht überall bekannt zu sein. Und dieses Gefühl wollte ich noch nicht hergeben. Bald wird das ganze Kuhdorf es schon noch herausfinden. Und dann werden sie sich Internet anschaffen, um meine Karriere weiter verfolgen zu können. Dann können sie damit angeben, dass Martina Stoessel in ihrem Dorf aufwuchs. Eine Ehre, nicht wahr?

"Martina? Du bist hiermit erlassen", rief die Bürgermeisterin mir zu. "Ich hoffe dir hat es Spaß gemacht, obwohl ich dich regelrecht gezwungen habe. Aber keine Sorge, das war alles mit deiner Mutter abgesprochen." Mein Blick wanderte zu Jorge, der mich enttäuscht ansah. Klar, ich hatte ihm ja auch weißgemacht, ich wäre hier aus eigenem Interesse. Sorry Jorge, aber Essen zubereiten gehört nicht zu meinen Spezialgebieten. Und dann noch für so widerliche Obdachlose. Einfach nur bäh.
"Danke. Aber glauben Sie mir: So schnell werden Sie mich hier nicht wiedersehen. Was soll ich noch für diese Penner tun, hä? Dass sie meine hervorragende Stimme hören dürfen ist schon ein riesiges Opfer für mich." Jetzt sah Jorge mich noch entsetzter an. Er dachte wirklich, ich sei das brave, liebe Mädchen, welches ich ihm gerade vorgespielt hatte.

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Frohe Weihnacht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt