Kapitel 6

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"Tini, sing uns doch mal was vor", meinte Jorges Mutter, nachdem wir das Frühstück beendet hatten. "Äh... Wenn Mechi mitsingt", sagte ich und kassierte böse Blicke meiner besten Freundin. Ich holte meine Gitarre und setzte mich wieder zu den anderen. "Lass uns Si es por amor singen", schlug Mercedes vor. Also spielte ich die ersten Akkorde unseres Duetts.

Später an diesem Tag schleppte meine Mutter mich erneut zum Rathaus. Sie meinte, wir sollten abklären, wie das Fest ablaufen soll, welche Lieder ich singe und so weiter. "Wieso hast du mich überhaupt dafür angemeldet?", fragte ich sie patzig, als wir auf dem Weg dorthin waren. "Du hast schon zu viel Zeit in dieser abgehobenen Gesellschaft verbracht. Ok, du bist ein Star, aber kannst du dich nicht trotzdem wie ein normaler Menschen benehmen? Du bist aufgrund deiner Berühmtheit nicht besser als wir. Deswegen tut es dir ganz gut, hier Zeit zu verbringen", meinte sie. Ich verstand sie nicht. Ich habe mir meine Karriere selber aufgebaut. Darf ich dann nicht auch ein bisschen damit angeben? Das macht doch jeder.

"Mariana, Martina! Schön, dass ihr gekommen seid. Kommt doch mit in mein Büro", begrüßte uns die pummelige Bürgermeisterin.
"Also, was hast du dir so vorgestellt?", fragte sie mich, nachdem wir an ihrem Schreibtisch Platz genommen haben. "Weiß nicht... Vielleicht begleite ich mich selber mit der Gitarre oder so...", murmelte ich. "Das ist doch fantastisch! Ich kenne jemanden, der dich bestimmt noch mit dem Klavier begleiten könnte. Er spielt grandios!", schwärmte sie. Wetten, ich spiele dann mit ihrem Mann oder so? Na ja, umso mehr freue ich mich wieder auf meine Villa in LA.

"Wollt ihr nicht noch beim Dekorieren helfen?", fragte sie uns, als wir ihr Büro verließen. "Ja klar, die Gelegenheit lassen wir uns doch nicht entgehen", meinte Mama sofort. Ich hasste sie in dem Moment dafür. "Mamaaa", meckerte ich, als die Bürgermeisterin verschwand, um uns einen Karton für die Außendekoration zu holen. "Motz' nicht rum. Zeig wenigstens ein bisschen soziales Engagement. Das wird ja nicht zu viel sein. Ich bitte dich." meinte sie.
"Hier sind die Lichterketten. Einfach irgendwie an Tannen oder die Fassade des Hauses anbringen. Ich denke, ihr habt wohl einen guten Geschmack", lachte Magdalena und schickte uns nach draußen.
"Tini, würdest du diese Lichterkette da oben anbringen?", fragte Mama und deutete auf eine Leiter. "Dein Ernst? Kannst du das nicht machen?" "Du bist jünger als ich, also los." Ich hasse diese Ausrede. Du bist jünger, du kannst dich noch besser bücken als ich, bla bla bla... Die tut ja fast so, als sei sie Rentnerin.
Also stieg ich auf diese blöde Leiter und fing an, die Lichterkette zu befestigen. "Brauchst du Hilfe, Püppchen?", kam es plötzlich von unten. Ich war so erschreckt, dass ich mich ruckartig umdrehte und dummerweise von der Leiter fiel. Aber kein harter Aufprall, nein. Jorge hatte mich rechtzeitig aufgefangen. "Nenn' mich ja nie wieder Püppchen!", meinte ich und sprang aus seinen Armen. Seinen starken, muskulösen Armen... Stopp! Nicht wieder anfangen zu schwärmen, Martina! "Sorry ich wollte dir nur helfen", sagte er. "Na dann kannst du ja diese Lichterkette zu Ende anbringen", meinte ich und wies ihm den Weg zur Leiter. "Gut, aber den Rest machen wir zusammen." Er war echt nicht dumm. Aber klar, wer will nicht gerne Zeit mit mir verbringen?

"Wieso bist du so?", fragte er mich, als wir im ganzen Dorf die Lichterketten an den Bäumen anbrachten. "Wie bin ich denn?", fragte ich. "Na ja, mal bist du so... zickig. Als würdest du jeden und alles um dich herum verabscheuen." Ich zuckte mit den Schultern. "So bin ich halt. Du weißt nicht, was in meinem Leben abgeht. Jedenfalls mehr als ein Dorf zu schmücken. Ich weiß ja nicht, was du sonst so den ganzen Tag machst", antwortete ich. Aber Jorge ging nicht darauf ein und sprach weiter: "Und manchmal bist du so, wie jetzt. Nett, herzlich, hilfsbereit und..." "Hilfsbereit würde ich nicht unbedingt sagen. Meine Mama wollte, dass ich das hier mache", redete ich mich raus. So wie er mich beschrieb, hat mich noch nie jemand beschrieben. Das war ich nicht. Die wahre Martina Stoessel ist reich,  berühmt, ein wenig arrogant vielleicht. "Und aus irgendeinem Grund hast du nicht gegen die Anweisung deiner Mutter gewährt. Du hättest auch einfach nach Hause gehen können", meinte er. Da hatte er recht. Wieso habe ich nicht einfach nein gesagt? "Du bringst mich echt aus dem Konzept, Jorge", murmelte ich. "Das war der Plan", grinste er. "Außerdem hast du eine unglaublich schöne Stimme. Das konnte ich dir heute morgen nicht mehr sagen", ergänzte er. "Danke", lächelte ich. Und wenn mich nicht alles täuscht, wurde ich sogar ein klein wenig rot. Aber das lag garantiert nur an der Kälte. Nicht an Jorge. "Weißt du noch?", fragte er und schon hatte ich einen Schneeball im Gesicht. "Ohh Blanco, du hast gerade einen Krieg begonnen", lachte ich und feuerte direkt einen Schneeball in sein Gesicht.
So viel Spaß hatte ich schon ewig nicht mehr. Aber auch das war mir nicht lange gegönnt.

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