5. »Murder City

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E L E A N O R || Trotz der Verzweiflung geben wir unsere Hoffnung nicht auf.

Die Fahrt schien endlos zu sein. Die Sonnenstrahlen fielen auf die Erde und der wolkenfreie Himmel strahlte mir fröhlich entgegen. Jedoch konnte auch das Sommergefühl die Zeit nicht beschleunigen.

Ich wusste, dass eine Autofahrt von Doncaster nach Manchester knapp zwei Stunden dauerte, doch es kam mir vor, als wären wir schon einen halben Tag unterwegs.

Ein dezentes Lächeln schlich sich unbemerkt auf meine Lippen, als mir die alten Erinnerungen wieder in den Sinn kamen, wie Louis und ich früher während der Autofahrten Faxen gemacht hatten. Es hatte immer harmlos angefangen; zuerst hatten wir uns über lustige Ereignisse ausgetauscht, dann waren wir vom Thema abgeschweift und hatten begonnen herumzualbern.

Aber das lag einige Jahre zurück. Ich konnte nicht leugnen, dass ich die unterhaltsamen Autofahrten mit Louis ein wenig vermisste. Es war nicht mehr so wie damals und vielleicht würde es auch nie wieder so werden. Die Stimmung, die gerade im Auto herrschte, war anders. Wir schwiegen uns immer noch an. Am meisten enttäuschte mich, dass Louis nicht mal ein paar Lieder summte. Somit lenkte mich nichts ab und in mir sammelte sich Angst.

Was in Manchester wohl auf uns warten würde?

Das Gleiche wie in Doncaster?

Leere?

So unauffällig wie möglich schielte ich zu Louis. Er wirkte immer noch wütend, denn seine Gesichtszüge waren steif. Die Sache mit seinem Zuhause musste ihn tief getroffen haben. Ich konnte mich gut in Louis' Situation hineinversetzen. Dieses leere Grundstück, auf dem sich normalerweise sein Elternhaus befand, überschüttete uns mit Fragen, die uns niemand beantworten konnte.

Ich musste vorhin schnell handeln und hatte auf ihn eingeredet. Im ersten Augenblick hatte es geholfen, doch einen Moment später war er wutentbrannt auf Max' Oldtimer zugelaufen. Seitdem er mir das nächste Ziel verkündet hatte, schwiegen wir.

,,Wir sind bald da", räusperte Louis sich unbehaglich. Die Gegend, in der wir uns aufhielten, wirkte anders als in meiner Erinnerung. Ich konnte nicht feststellen, was genau auf mich anders schien, doch mein Bauchgefühl verriet mir, dass hier etwas nicht stimmte.

Und ich hatte recht. Die Straße, in der meine Eltern wohnten, sah völlig anders aus. Die Gebäude sahen nicht so pompös aus, wie sie es zu meiner Zeit taten, stattdessen sah man blasse Fassaden abblätterten und Mauern, die ein paar Risse zierten. Wir waren uns sicher, dass Louis sich nicht verfahren hatte.

Aus meiner Kindheit wusste ich, dass mein Viertel sich im Laufe der Jahre nicht viel verändert hatte. Das Viertel, in dem ich aufgewachsen war, spiegelte die finanzkräftige Gesellschaft in Manchester wieder.

,,Sind das nicht die dunklen Haare von Sophia?" Sichtlich verwirrt von Louis' Frage schaute ich in die Richtung, die Louis mir zeigte, und verengte meine Augen zu Schlitzen. Eine Frau, die ungefähr dieselbe Körpergröße wie Sophia besaß, blickte sich nervös um. Ihre Hände vergruben sich in den Taschen ihrer mitgenommenen Lederjacke.

,,Wir müssen ihr unbedingt folgen! Vielleicht steckt sie ebenfalls im falschen Jahr fest", plapperte ich voller Hoffnung los. Ohne Widerrede fuhr Louis ihr unauffällig hinterher. Das Adrenalin floss noch schneller durch meine Adern, als ich feststellte, dass wir bald mein Zuhause erreichen würden.

Ganz anders, als das was in Doncaster zu sehen gewesen war, ragte hier ein großes Gebäude aus dem Grundstück, anscheinend eine Lagerhalle. Die vier Nachbarhäuser, die ich aus meiner Zeit kannte, waren wie ausgelöscht und die Lagerhalle nahm auch ihren Platz gänzlich ein.

21 GunsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt