das Schicksal

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Dieses Kapitel widme ich Pferdeparadies

Die schwarze Unendlichkeit.
Wie ein großes Meer hüllte sie mich ein. Wieder schaute ich mich um. Wieder gab es keinen Ausweg. Ich lief los. Einfach gerade aus zu laufen bringt immer etwas. Entweder man läuft irgendwo gegen oder man findet die Lösung seiner Probleme.
'Halt!' mein Instinkt ließ mich stoppen. Keine Sekunde zu früh. Vor mir flackerte ein Fünklein auf. Ich streckte mein Hand danach aus. Das Fünklein wurde mit einem Mal zu einer Stichflamme, ehe ich es auch nur berühren konnte. Es brannte sich durch die Schwärze, als ob diese bloßes Papier wär.
Als das Licht des Funkens erlosch, befand ich mich mitten in einer Landschaft. Genauer gesagt an einer Klippe. Unten erstreckte sich ein weites Tal, welches von einem kristallblauen Fluss durchwandert wurde. Überall standen Bäume und Vögel zwitscherten gegen eine leichte Brise, welche mir eine Gänsehaut verpasste, wärend sie meinen Körper umhüllte.
Langsam ging ich auf eine große Trauerweide zu, unter der eine kleine Bank stand.
Vorsichtig strich ich mit den Fingerkuppen über das raue Holz. Ich war schon mal hier gewesen. Erlebte ich etwa gerade alte Erinnerungen? Nein sonst wäre Clara hier. Traurig blickte ich zum Tal.
Entsetzt dennoch erfreut weiteten sich meine Augen. Sie war hier. Dort stand sie. Eingebettet in einem weißen Kleid und einem Lächeln im Gesicht. Meine Beine brachten mich wie von selbst zu ihr. Mit Tränen verschleierten Blick blieb ich vor ihr stehen.
Meine zittrigen Hände umfassten ihr Gesicht, als wollten sie sicher gehen, dass sie wirklich vor mir stand.
"Warum? Warum du?" hauchte ich.
Sie schüttelte den Kopf
"Es war Schicksal. Fast alles passiert aus einem Grund.
Maxi wurde krank, damit meine Eltern sich auf den Weg nach einem Gegenmittel machten und somit eins der schlimmsten Katastrophen unserer Geschichte verhindern konnten. Sie waren Detective, genauso wie ich. Bei Recherchen fanden sie Dinge heraus, die zu einer Verschwörung führten. Sie haben sich jedoch mit den Falschen angelegt und ihnen wurde dafür, mit einem Kopfschuss und Messerstichen, das Leben genommen. Sie schrieben kurz vor ihren Tod einen Brief an uns. Ich erhielt ihn. Maxi las ihn. Wir waren beide Gefahren, für die nächste Generation der Appentäter. Sie wollten uns los werden. Das Schicksal plante weiter. Unsere Familie wurde getrennt. Maxi blieb bei Lilly. Du kamst hinzu. Durch den Tod unseres Bruders solltet ihr näher zusammen kommen. Durch mich sollten ihr dieses Band stärken. Was euch nicht aus einander gebracht hätte, würde die Bindung verdoppeln. Doch du verliebtest dich. Der Plan verlief in die falsche Richtung.
Die Gang fand dich, dann uns. Ich starb zu früh. Lilly und du waren noch nicht vereint. Ihr konntet nicht den Platz unserer Eltern ersetzen um unschuldige Menschen zu schützen. Genau wie sie es einst taten. Das Schicksal lag falsch. Doch du brachtest ein bisschen Ordnung in herein brechende Chaos. Du hast dich schlussendlich doch  entschieden. Für Lilly"
Ich hatte bei ihrer 'Rede' stur auf den Boden geschaut. Jetzt schaute ich verwirrt auf. Das Lächeln, welches Claras Lippen umspielt hatte, war gänzlich erloschen und durch eine schmerzverzerrte Mimik ersetzt worden.
Ich sprang mit einem Aufschrei von ihr weg, als Blut an meinen Händen klebte. Es floss meinen Fingern entlang und tropfte auf das Gras. Mit Entsetzen musst ich fest stellen, dass es ,trotz der Menge, nicht meines war.
Ich schaute wieder zu Clara. Es trat aus Wunden hervor, die genau an der selben Stelle lagen, wie bei ihrem Tod.
Das Blut floss. Sie verblasste. "Lebe Wohl Daimen. Wir werden uns wiedersehen."
Dann war sie verschwunden. Einzig und allein kennzeichnete eine Blutlache den Ort des Geschehens. War das gerade wirklich passiert? Auch wenn es nur ein Traum war, konnte ich es immer noch nicht fassen. Alles war geplant! Alles gehörte zusammen! Ein einziges Geflecht aus Zweigen und Möglickeiten, die zu einem Ziel gelangen. Dem Ziel Leben zu retten.

Weißer Nebel wallte auf und überdeckte alles. Der große Strudel tat sich auf und fraß gierig die Umgebung in dich hinein. Er zog alles erdenkliche in seinen Schlund. Die Szenerie verschwand.
Eine Neue bildete sich.

Ich stand auf einer Brücke.
Metall knartzte unter mein Füßen.
Der Wind umhüllte mich und zerzauste mein Haar.
Ich schob einen Fuß nach vorne, schon rollten die Kieselsteinchen von dem Träger und verschwanden in den Wellen des tosenden Meeres, welches sich unter mir erstreckte.
Meine Knie schlotterten. Irgendwas würde passieren. Das spürrte ich.
Ich wusste nicht zwar nicht was aber es würde nicht gut aus gehen. Ich schaute nach unten. Die Wellen peitschten gegen den Pfeiler und ließen die gesamte Brücke erzittern.
Ich dachte über Claras Worte nach. 'Doch du verliebtest dich. Der Plan verlief in die falsche Richtung.'
Der allbekannte Selbsthass überkam mich. Der Grund warum ich damals hier stand, erschien mir auf ein mal sinnvoll. Die Option die sich mir bot, bereitete mir beinahe Freude. Ich rutschte näher an den Abgrund.
"Daaiimmeeeen" der Schrei hallte immer und immer wieder in meinen Ohren. Er setzte ein unangenehmes Dejavue frei. Lilly hatte mich letztes Mal aufgehalten. Wollte sie es dieses Mal wieder tun?
Ich drehte mich um. Sie rannte auf mich zu und blieb wieder unter mir stehen. Ihre Hand war mir entgegen gestreckt. Ich nahm sie und zog sie instinktiv zu mir hoch.
Lilly lächelte, schaute jedoch sofort wieder ernst.
"Sie sind tot. Alle die drinnen waren. Das Gebäude sollte gesprengt werden. Die Sprengladungen sind explodiert."
Ich schaute zum Meer. Sie sind tot. Jeder von ihnen.
"Ihr habt die Verbrecher in das Gebäude gelockt. Das Schicksal ist erfüllt." flüsterte mir eine Stimme ins Ohr. Ich drehte mich. Doch keiner war zu sehen. Der Träger war genauso verlassen, wie vorher.
Warte. Hatte sie nicht gesagt, dass alle tot waren? Also auch wir?
Als ob Lilly meine Gedanken las, kam ein Nicken von ihr.
"Fast."
Sie sah mich auffordernd an.
Ab diesen Moment wusste ich, dass sie mich nicht aufhalten würde.
Ich nahm ihre Hand. Ein letztes Mal spürte ich ihre weiche Haut. Ein letzes Mal spürte ich ihre vollkommene Anwesenheit. Ich drehte meinen Kopf. Ein letztes Mal sah ich ihre Schönheit. Ich habe immer ihr warmes Lächeln gemocht, versank immer in ihren braunen Augen, die wenn man genauer hinsah mit golden Tupfern glänzten und ihr Haar wie es in braunen Wellen über ihre Schultern fiel, dass im Sonnenlicht zu honigblond wurde.
Ein letzter Atemzug.
Dann sprangen wir ab.

Sein Name war Daimen. Und so lautete seine Geschichte.

Ende

the little brotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt