Lichter der Stadt

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Kapitel 5 - Lichter der Stadt

"Was machen wir hier?", fragte ich überrascht, als Zayn und ich vor dem Zaun des Fabrikgeländes standen.
"Du wolltest mal bei Nacht hoch, also-" Er hielt mir lächelnd das lose Stück zur Seite und bedeutete mir mit dem Kopf, dass ich hindurchklettern sollte.
"Ist das denn sicher?", fragte ich etwas zaghaft und blieb unschlüssig stehen.
Er lachte. "Hast du Angst davor runterzufallen?"
Ja, dachte ich, doch zugeben würde ich das natürlich nie, allerdings brauchte ich das auch gar nicht mehr, denn Zayn durchschaute mich.
"Ich pass auf dich auf, ok?"
Ich biss mir auf die Lippe.
"In Ordnung...", entschied ich mich und schlüpfte, genauso umständlich, wie heute Mittag durch den Zaun, da mir wiedermal mein Fuß im Weg war.
Wir schwiegen, während wir zu der alten Lagerhalle liefen, die im aufkommenden Mondlicht bedrohlich vor uns lag.
Irgendwie unheimlich, dachte ich mir und schlang fröstelnd die Arme um meinen Körper.
„Ist dir kalt?", fragte Zayn, wie immer dieses Lächeln auf den Lippen, das mein Herz ein wenig schneller schlagen ließ.
„Etwas", gab ich zu und sah, mir auf die Lippe beißend, auf, um in seine dunklen Augen zu blicken, die mir schon am ersten Tag aufgefallen waren.
Damals, in der U-Bahn, was mir wie eine Ewigkeit her schien, jedoch nur einige Tage zurück lag.
Zayn legte mir vorsichtig einen Arm um und augenblicklich wurde mir wärmer, doch mehr von innen heraus.
Ohne ein Wort betraten wir die Halle; Zayn lief hinter mir die steile Treppe nach oben, eine Hand an meiner Seite. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Es war so lieb von ihm, dass er mich ablenkte und Acht auf mich gab, wofür ich ihm unheimlich dankbar war. Ich wusste nur noch nicht, wie ich ihm dafür danken sollte...
„Wow", entfuhr es mir, als wir das Dach betraten und ich mich an die Brüstung lehnte. Zayn stellte sich lächelnd neben mich und versenkte die Hände in den Hosentaschen.
„Du hattest Recht, bei Nacht ist es wirklich schön", meinte er lächelnd und für einen Moment schwiegen wir nur und sahen uns beeindruckt die weite Stadt mit all den kleinen und großen Lichtern an. Und etwas rechts von uns der Eiffelturm, so wunderschön beleuchtet bei Nacht.
"Darf ich dich mal was fragen?", unterbrach Zayn die Stille, die um uns herum herrschte. Lediglich ein paar Geräusche der Stadt waren zu hören.
"Kommt darauf an..." Ich lächelte leicht ohne den Blick von den tausenden von Lichtern zu wenden.
Er schmunzelte, wahrscheinlich war ihm klar gewesen, dass ich seine Fragen nicht mit offenen Armen empfangen würde.
Bevor er jedoch irgendwas Weiteres sagte, kramte er in der Tasche seiner Lederjacke herum und zog etwas heraus, das sich als Zigaretten und ein Feuerzeug herausstellte.
Irgendwie machte das sein Gesamtbild etwas zunichte.
Ich mochte rauchen nicht, der Gestank erinnerte mich immer an meinen Vater.
"Stört's dich?!", fragte Zayn und wartete meine Antwort ab, bevor er die Zigarette entzündete, die er sich zwischen die Lippen geklemmt hatte.
Wortlos schüttelte ich den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
Solange er mit das Zeug nicht ins Gesicht blies, störte es mich nicht sonderlich, doch trotzdem lehnte ich mich etwas von ihm weg.
Er hatte mein Verhalten wohl bemerkte und zog schmunzelnd den Rauch ein.
"Wenn es dich stört, dann-"
"Nein, nein!", unterbrach ich ihn. "Ist schon in Ordnung."
Er grinste und stützte sich an die Brüstung, blies den Rauch in die mir abgewandte Richtung.
"Was wolltest du jetzt fragen?", meinte ich, da mir die Situation irgendwie unangenehm war. Ich mochte rauchen nicht, er tat es.
Zayn zog noch ein weiteres Mal an seiner Zigarette, bevor er antwortete.
"Du hast mir immer noch nicht erzählt, wie das zwischen dir und deinem Dad läuft."
Ich holte tief Luft, um sie dann wieder auszupusten.
"Du wirst dich kein weiteres Mal mit einem 'Das ist eine lange Geschichte' zufrieden geben, oder?", fragte ich leicht hoffnungslos.
Er schmunzelte. "War nicht meine Absicht, aber wenn du dich so strikt dagegen weigerst, dann musst du nicht."
Ich zögerte. "Weißt du, es hat nichts mit dir zu tun, ich erzähle es nur einfach nicht gern, obwohl man gerade dieses Thema nicht verschweigen sollte."
"Jetzt hast du mich neugierig gemacht.", grinste er und nahm einen weiteren Zug.
Ich seufzte leise. "Es ist, na, ja... Es hat alles begonnen, als sich meine Mutter umbrachte. Das war vor 8 Jahren, als ich 9 war."
Er verharrte für einen winzigen Augenblick in der Bewegung. "Das tut mir leid."
Ich sah auf meine Hände. Ich wollte kein Mitleid.
„Mein Vater hat mir damals die Schuld daran gegeben. „
Ich wandte den Blick nicht von der Aussicht, während er mich von der Seite anblickte.
„Und dann?", fragte er, als ich schwieg, doch ich fand die vielen Lichter unter uns plötzlich um einiges interessanter.
Sollte ich ihm wirklich alles anvertrauen?
Klar, er schien vertrauenswürdig und würde sicherlich damit Recht behalten, dass es half über Probleme zu reden, doch trotzdem wusste ich fast nichts von ihm außer seinem Namen.
„Dann hat er den Wunsch meiner Mutter erfüllt, ich würde mal eine Balletttänzerin werden und hat mich täglich zum Training geschickt.", erzählte ich weiter.
Die Erinnerungen an kalte, graue Herbsttage, düstere Abende und drückende Sommer aus dieser Zeit machten mich fertig. Ein alter Schauer lief mir über den Rücken.
„Er hat mich damit kaputt gemacht und... und wärst du nicht gekommen, würde ich noch mehr daran zerbersten." Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter.
Neben mir drückte Zayn gedankenverloren den übrig gebliebenen Glimmstängel auf der Mauer, an der wir lehnten, aus und schnippte ihn dann in hohem Bogen in das Gestrüpp unter uns.
„Und ich hab gedacht, ich hätte hier die Probleme.", sagte er und legte leicht grinsend den Kopf schief.
Ich lächelte und sah wieder zu ihm. „Wieso?"
„Na, ja, es ist nicht gerade einfach, wenn man wenig Geld und keine Ausbildung hat, weißt du?", meinte er lächelnd.
„Oh", machte ich und sah auf meine Hände.
Zayn schmunzelte und stützte sich mit den Unterarmen auf der Mauer ab. „Es lässt sich damit leben."
Entweder, dachte ich mir, er nahm das Leben mit all seinen Problemen nicht so schwer, oder aber er besaß die Fähigkeit Geschehnisse in sich zu verstecken und nur dann raus zu lassen, wenn er alleine war.
„Wie alt bist du dann denn eigentlich?", fragte ich und er grinste. „19"
„Echt?" Ich war etwas überrascht, da er trotz allem eher aussah, als wäre er jünger. Vor allem lebte er noch bei seiner Mutter, was in seinem Alter nicht sehr selten gewesen wäre, doch angesichts ihrer Wohnsituation überraschte mich das doch ein wenig.
Er nickte und setzte eine gespielt besorgte Miene auf, worüber ich grinsen musste. „Seh ich so jung aus?"
„Nein, aber du siehst auch nicht gerade aus wie neunzehn.", erklärte ich und er atmete erleichtert auf.
„Dann bin ich ja beruhigt."
Zayn stieß sich wieder von der Mauer ab, an die er sich zuvor gelehnt hatte und blickte mich mit einem Lächeln auf den Lippen an.
„Hast du heute eigentlich schon was gegessen außer dem Frühstück?"
„Ehm...", machte ich. „Nein, aber-"
„HA!", unterbrach er mich und ich musste darüber lachen, wie er breitbeinig vor mir stand und mich mit erhobener Hand zum Schweigen brachte, dabei sah er mich böse an.
"Ich lass dir nicht durchgehen, dass du keinen Hunger hast, du bist sowieso schon dünn!", erklärte er mir.
"Also, von mir aus, du schleppst mich ja heute schon den ganzen Tag durch die Gegend."
Zayn schmunzelte. "Ich möchte dich nur ablenken."
Und wie er das geschafft hatte. Ich dachte wirklich nicht mehr an all das, was mir sonst schlaflose Nächte bescherte, wenn ich mit ihm zusammen war.
"Dann lass uns gehen!" Ich lächelte und schon zog er mich das Gerüst nach unten und als wir vom Fabrikgelände unten waren durch die dunklen Straßen, bis er vor einem kleinen unscheinbaren Laden stand. 'Döner&Kebab' las ich auf einem Schild über der Ausgabe. In so einem Laden war ich noch nie gewesen, mein Vater war -wenn überhaupt- nur in noble Restaurants gegangen, falls wir mal essen waren.
"Ich dachte, wir wollten zu dir?", fragte ich etwas verwundert, als mir einfiel, dass er zu seiner Mutter gesagt hatte, wir wären zum Abendessen wieder da.
"Ups" Zayn sah entschuldigend drein und sah dann auf die Uhr, die an der Rückseite des Imbisses hing.
"Jetzt werden sie eh schon gegessen haben.", meinte er schulterzuckend.
"Und da macht sie sich keine Sorgen?" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es Naira egal war, was ihr Sohn so trieb, doch vor allen plagte mich ein schlechtes Gewissen, da sie ja am Kochen gewesen war und so sicher jetzt zwei Teller auf dem Tisch standen, die mit der Zeit kälter und kälter wurden.
Zayn schüttelte den Kopf. "Sie weiß, dass ich zurechtkomme, sie wird sich nur wahrscheinlich um dich Sorgen machen."
"Um mich?", fragte ich verwundert. "Aber ich bin doch bei dir."
"Wahrscheinlich gerade deswegen...", nuschelte und drehte mich dann bevor ich etwas sagen konnte zu dem Imbiss. "Was willst du?"
Ich besah mir die Karte mit den Angeboten, während ich über Zayns Worte nachdachte. Wieso sollte sich Naira Sorgen machen, wenn ich bei ihm?
Zayn stupste mich leicht an und riss mich damit aus meinen Gedanken.
"Also, um ehrlich zu sein, war ich noch nie in so einem Laden.", gab ich zu und er sah mich ungläubig an. "Noch nie? Also, dass du keine Entzugserscheinungen bekommst ist mir ein Rätsel."
Ich musste lachen. "Entzugserscheinungen kann man aber nur bekommen, wenn man zuvor was davon hatte."
Zayn sah mich mit gespielt vernichtendem Blick an und brummelte, dass ich schon wisse, was er meinte, dann wechselte er schnell das Thema, was mich schmunzeln ließ.
"Was willst du nun essen?"
Ich sah wieder auf die Karte. "Was würdest du denn empfehlen?"
"Nummer 6!", rief er sofort und ich grinste. "Das nehm ich auch immer."
"Also gut, Nummer 6.", meinte ich lächelnd und wollte gerade fragen, wie wir denn bestellen sollten, wenn niemand hinter dem Tresen stand, da beantwortete mir Zayn die Frage.
"Ez, schwing mal deinen Hintern hier raus!"
Ich musste mir ein Lachen verkneifen. In dieser Gegend kannte Zayn wohl jeden.
Oh, ich würde das Gesicht meines Vaters nur allzu gerne sehen, wüsste er, was ich hier gerade machte.
Es war ja kein Verbrechen mit einem neuen Freund rumzuhängen und in einer Imbissbude essen zu gehen, doch für meinen Vater schon.
Aus einer Tür an der Seite des Imbisses, trat ein junger Mann mit dunklem Teint und s schwarzen Haaren hervor. Noch dunkler, als die von Zayn.
Wieder einer der Sorte, die mir mein Vater strikt verbieten würde, aber das ging mir jetzt am Allerwertesten vorbei.
"Jo, Zayn! Lässt du dich auch mal wieder bei mir blicken?", rief der Mann und streckte seine Hand über den Tresen, damit Zayn bei ihm einschlagen konnte.
Wieder stand ich etwas verloren da, doch dieser Ez bemerkte mich sehr schnell.
"Wer ist denn die Kleine?" Sein Blick glitt einmal an mir herunter, was mir nicht sonderlich gefiel, dann grinste er.
Mit Genugtuung stellte ich fest, dass Zayn seinen Kiefer anspannte und etwas näher zu mir trat.
"Chloé, eine Freundin von mir. Chloé, das ist Ez."
Ich lächelte etwas schüchtern.
"Also, wie kann ich euch zwei helfen?", fragte Ez.
"Wir sind zum Essen hier, deinen Stoff kannst du behalten." Zayn hatte leise gesprochen, was mich etwas verunsichert. War das ein Scherz gewesen mit dem 'Stoff'?
Ez lachte, etwas zu laut und dreckig für meinen Geschmack, und Zayn nannte ihm die Bestellung.

Feel like dancing (Zayn Malik)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt