Dritter Akt

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Die Treppen vor mir schienen endlos zu sein. Ich rannte und rannte, jedoch fand ich kein Ende. Beinahe stolpernd blickte ich hinter mir in der Suche nach Shu, der mich wenige Sekunden zuvor noch verfolgt hatte. Mit einem raschen Blick stellte ich fest, dass weit und breit keine Person zu sehen war- und das erleichtert. Ich zitterte merkwürdigerweise am ganzen Körper. Meine Hand ruhte auf dem Geländer der Treppe und glitt zur gleichen Zeit hinunter, wie ich den nächsten Schritt begann. Tapp, Tapp weitere Schritte hallten im selben Rhythmus wie mein Herzschlag in diesem riesigen Raum wieder. Ich musste nicht zwei Mal überlegen, um wie verrückt loszustürmen. Mir war nämlich nicht danach, von einem besonders heißen Vampir ausgesaugt zu werden. Rein theoretisch wäre das der Traum jedes normalen Mädchens gewesen- meiner auch irgendwie, aber in Wirklichkeit war dies nicht gerade romantisch oder sonstiges. Eher in die Richtung beängstigend ging der Gedanke daran. Mittlerweile hatte ich es aus dem Gebäude geschafft, welches die Hauptvilla war und lief nun in Richtung Ausgang. Zwar hatte ich mein Gepäck, mein Haustier und einige andere Dinge zurückgelassen, jedoch war es mir vorerst wichtiger, hier lebend raus zu kommen. Was mich jedoch wunderte war, dass sich meine Eltern dessen bewusst waren, dass bei den Sakamakis etwas nicht stimmte und mich trotzdem hierhin geschickt hatten. Wut loderte in mir auf, binnen ich mir alle möglichen Szenarien ausmalte. Sie müssten wohl einen triftigen Grund gehabt haben, so zu handeln. Nichtdestotrotz hatte ich nicht wirklich viel Verstädnis ihnen gegenüber. Schließlich hätte mir was Schlimmes zustoßen können, da reicht nicht irgendeine Argumentation, um dieser möglichen Folge ihrer Handlungen begründen zu können. Ich seuzfte. In diesem Moment konnte ich sowieso nicht viel tun. Was nützt es einen dann noch, sich darüber aufzuregen?

Das eiserne Tor, welches mich von der Außenwelt trennte, war vollkommen verriegelt. Einen denkbaren Ausweg gab es somit nicht- oder vielleicht doch... Mein Blick schweifte durch die weite grüne Masse, die aus unzähligen Pflanzen bestand, wie Japanische Zelkoven und andere Bäume, abertausende Rosen, dessen Farbpallete sich von den reinsten Weißtönen bis zu den tiefsten, elegantesten Rottönen erstreckte und schließlich noch jede Menge Gebüsche, alle in perfekt symetrischen Formen geschnitten. Der Wind wehte mein helles Haar auf, weshalb mir mehrere Haarsträhnen ins Gesicht gepustest wurden, die ich im Nachhinein versuchte wieder in Ordnung zu kriegen mithilfe meiner Finger. Ich tastete mich an die Gitterstäbe des Tores heran, und versuchte es zu öffnen, jedoch gab das Tor keinesfalls nach. Erneut stieß ich meine Atemluft genervt aus- als plötzlich zwei starke Arme mich zwischen ihnen und dem Tor gefangen hielten. So schnell wie ich konnte, drehte ich mich um, um anschließend in zwei eisblaue Augen zu gucken. Schockiert versuchte ich, ihm zu entfliehen, indem ich einen seiner Arme wegschob und versuchte mich rauszuquetschen. Leider wurde ich daran gehindert, denn er packte mich, wie aus Instinkt heraus und drückte meine Handgelenke über meinen Kopf gegen das Tor. Ich spürte, wie ich langsam zu schwitzen begann, wie mein Atem immer hektischer- und wie mein Herz immer schneller wurde. Mein Körper realisierte ironischerweise vor meinem Geiste, dass ich in Lebensgefahr war und versuchte es mir zwanghaft zu demonstrieren. Alles geschah wie in Zeitlupe, das Rascheln seiner strohblonden Haare, welche auf seinen Kopf ruhten, das vorsichtige Öffnen seines Mundes, wobei seine rassiermesserscharfen Eckzähne zum Vorschein kamen und das Quietschen des Tores, welches daraus resultierte, dass die Eisenstäbe gegeneinander krachten.

Ich versuchte erneut meine Hände loszureißen, dennoch war er tausend mal stärker als ich, weshalb ich diese Strategie verwarf. Stattdessen setzte ich mein rechtes Bein ein und verpasste ihm eine ins Schienbein. ,,Lass mich endlich los!" Begann ich genervt zu knurren, ehe er sein Blick zu meinen Augen richtete. Sein Ausdruck war beängstigend; er schien belustigt und in Ekstase zu sein. Anscheinend mochte er es, mich zu quälen. Ein lautloses Lächeln zauberte sich über seine Visage, gefolgt davon, wie er sich sinnlich die Lippen leckte. Ich musste hörbar schlucken. Mein Tritt schien ihm nichts ausgemacht zu haben, was mich noch mehr beunruhigte, als ich es momentan schon war. Mit seiner freien Hand, welche mich gerade nicht wie die andere inmobilisierte, fasste er delikat mein Kinn und drehte es mit mörderischer Lust zur Seite, um mein Hals zu entblößen. ,,Hör auf!" Zischte ich erneut, in der Hoffnung etwas zu bewirken. Wie wild trat ich auf ihn ein, damit er mich losließe- jedoch vergebens. Nach einer Weile gab ich auf. Zumindestens hatte ich etwas Zeit schinden können, da er mich nicht zu beißen vermochte, als ich trat. Doch nun atmete ich schwer, erschöpft von meinen klaglosen Versuchen auch nur den geringsten Schimmer Resistenz aufzubringen. ,,Ich habe mich schon gefragt, wann du wohl kapitulieren würdest." Bemerkte er zynisch, binnen seine skelettartigen Finger geschmeidig über meine bläulich schimmernde Haut glitten. Langsam platzierte er seinen Mund auf meine Pulsschlagader, die sich unter der Haut meines Halses befand und biss zu...

Meine Augen weiteten sich vor Schreck, zur selben Zeit wie ich ein merkwürdiges Geräusch vernahm. Es ähnelte einer Art knacken, oder dem Geräusch des Abbeißen eines Apfels. Seine Eckzähne bohrten sich erbarmungslos in mein Fleisch hinein und stießen Blut aus der Wunde, die sie verursachten. Jene Flüssigkeit schimmerte Karmesirot- wie ich an seinen blutgetränkten Fingerspitzen erkennen konnte. Ein lautes aufstöhnen entkam meinerseits, denn es bereitete mir Schmerzen, aber zugleich auch weckte es ein Gefühl von Lust, von Ekstase in mir. Mein Blut schien zu lodern, sobald er mir erneut wehtat, indem er einen weiteren Schluck nahm. Geschlagen ließ ich meinen Kopf fallen und wartete, bis es aufhörte. Doch es fand keinen Ende. Immer und immer mehr meiner Energie raubte er mir- er war Hungrig nach Blut, hungrig nach meiner Lebensenergie. Ich spürte wie ich immer schläfriger wurde- und ich verabscheute es, denn es zeigte mir, wie machtlos und wie schwach ich war. Die kalte Wahrheit lief mir wie ein Schauder den Rücken runter...

Ich war ihm unterlegen, in jeder möglichen Hinsicht.

Meine Augenlider flackerten, ebenso sich langsam ein roter Nebel über mein Blickfeld erstreckte. Mein Bewusstsein drohte zu schwinden, jedoch hielt mich etwas bestimmtes davon ab, in Ohnmacht zu fallen.
Ich begann am ganzen Körper zu zittern, doch dies war nicht durch Shu verursacht worden. Mein Kopf fing an zu dröhnen, und die Wunde, die ich bis vor kurzem nicht sonderlich gespürt hatte, fing bizarrerweise an, zu kribbeln. Shu, welcher den Anschein erweckte, jene komische Reaktion meines Körpers wahrzunehmen, ließ instinktiv von mir ab. So als wäre ich eine tickende Bombe kurz vor der Explosion, schreckte er von mir weg. Und dies war auch nicht gerade schlecht, denn was mir eben geschah, sah nicht gerade gesund aus. Die Wunde, die er mir zugefügt hatte, heilte sich von selbst- so als wäre es das Natürlichste, das mein Körper so reagierte. Ich spürte wie sich etwas an meiner verletzten Haut tat- ein Gefühl, so als würden tausende Ameisen über diese Stelle krabbeln. Und dann- ohne jegliche Vorwarnung, verlor ich mein Bewusstsein.

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Zwei feurrote Augenpaare starrten mich an. Sie waren leer und schienen der Person, die vor mit stand nicht zu gehören. Es war beinahe so, als wäre Ella garnicht sie selbst...

Die Wunden, die ich ihr vorhin mit soviel Wonne zugefügt hatte, waren von selbst geheilt- es schien ihr sogar recht gut zu gehen, abgesehen davon, dass sie leichenblass war. Sie funkelte mich wütend an, zur gleichen Zeit wie, eine lange Strähne meines Haares Feuer fing. So rasch wie ich konnte, schloss ich meine Hände um mein Haar, sodass das Feuer erlosch. Eine Urangst, die ich besser als gut kannte, stieg in mir auf.

Abertausende Bilder erschienen vor meinem inneren Auge. Die Flammen, die das Holz, aus das die Häuser aus Edgars Dorf bestanden, verzehrten, drohten nun auch mich zu erhaschen...
Ein süßlich bitterer Geschmack machte sich in meinem Munde breit, zugleich ich meine Augen mit Schmerzen schloss.

Und so schnell und plötzlich wie dies geschehen war, kippte sie zu Boden um, wie eine leblose Puppe, die weggeworfen wurde, nachdem man sich an ihr vergnügt hatte.

Diary of a Witch  ~ Diabolik Lovers (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt