Siebter Akt

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Meine Augen schweiften hin und her.

Nervös schluckte ich den überschüssigen Speichel in meinem Munde hinunter, zugleich ein kalter Tropfen Schweiß auf meiner Stirn geboren wurde, um anschließend durch das Gebirge meines Gesichtes zu laufen- bis er den Boden traf und zerberstete. Der äußerst gutaussehende Vampir vor mir spielte mit pechschwarzen Figuren- Farbe, die so auch sein Haar besaß. Mir blieb somit nichts anderes übrig, als die Weißen zu nehmen und das Spiel zu beginnen. Anfangs lief es gut, leider nur zu gut für mich. Die Bauern in die Schlacht schickend, schaffte ich es, ein paar Seiner zu schlagen. Nach wenigen Zügen hatte ich auch schon einen Turm und einen Springer vom Brett geschlagen. Verwirrt schaute ich seinen Zügen zu. D4 war frei für mich. Er musste die Stelle decken, wenn er nicht noch eine Figur verlieren wollte. Ein Zug mit einem meiner Pferde, den der schlechteste Spieler hätte tätigen können, konnte ich jetzt vollführen, um anschließend das Erste ,,Schach" voller Euphorie schreien zu können. Doch anstelle D4 zu sichern, bewegte er seine Dame fort, was in der Situation äußerst kontraproduktiv war...

Es vergingen etliche Bewegungen, Züge, Gedanken und Strategien, die größtenteils erfolgreich verliefen. Er hatte nur noch vier Figuren auf dem Brett und wirkte dennoch keineswegs verunsichert, oder erweckte den Anschein, seine Selbstsicherheit verloren zu haben. Perplex suchten meine Augen die Seinigen, welche über das schönste Weinrot verfügten. Als hätte ein Maler vom Himmel einen Eimer mit all erdenklichen Rottönen auf seine Augen hinabfließen lassen, funkelten diese, sobald das Licht auf sie traf und die Farben tanzen ließ. Ich stützte mein Kinn auf meinem Handrücken ab, meinen Kopf leicht schräg hinlegend. Reiji Sakamaki, der zweitälteste Sohn im Hause, saß mir mehr als entspannt gegenüber- bemerkte ich, während ich ihn inspizierte. Im Normalfall schien er arrogant, stolz und perfektionistisch, jedoch konnte ich im selben Augenblick nichts davon spüren. Er schien wie eine andere Person zu sein, wenn eine seiner Leidenschaften im Spiel war. Mein Blick schweifte auf seine beiden, nun nackten Händen, als er letzendlich doch einen weiteren Zug durchfuhr. Er war Rechtshänder, wenn ich mich nicht irrte. Ohne groß auf das Spiel zu achten, und dabei mich in Gedanken zu verlieren, versuchte ich so viele Details, die Reiji involvierten, in mich aufzunehmen. Sein Zimmer und die Farben, in die dieses gestrichen war. Die Namen der Bücher, die auf sein Schreibtisch gestapelt lagen. Ich bewegte meine Figuren, so als wäre das Spiel bereits für mich gewonnen, denn das war es auch, wie ich zufrieden feststellte.

Urplötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht, zur selben Zeit wie er die Augenbrauen fassungslos hochzog und ich meine Dame abstellte. Aus irgendeinem Grunde wurde mir eiskalt. Die kleinsten und feinsten Haare auf meinem Arm sträubten sich ohne jegliche Vorwarnung, wie Minarett gen Himmel. ,,Ist was?" Fragte ich nervös, meinen Nacken kratzend.

Anstelle mir eine verbale Antwort zu geben, schüttelte er einfach den Kopf. Kaum Zeit war vergangen, da bemerkte ich bereits die Ursache seiner Belustigung. Er hatte es irgendwie geschafft, mich auf ,,Schach-matt" zu stellen. Wie ein Raubtier, das mit seiner Beute, die keine Chance auf Überleben hatte, spielte und sich austoben ließ, hatte er mich umzingelt. Ich inspizierte das ganze Feld, ging meine und seine Spielzüge im Kopf nach, um zu verstehen, was gerade geschehen war. War mein dritter oder vielleicht achter Zug ein Fehler gewesen? Hätte ich nicht so aggressiv spielen sollen und meinen Gegner unterschätzen? Ich wusste es nicht und bezweifelte, dass ich es jemals verstehen würde. ,,Du hättest ja fast verloren!" Mit einer Gelassenheit, die einem Angst einjagte, zog er eine seiner Figuren zurück und ließ mir Freiraum, meinen König zu retten. Fassungslos erwischte ich mich dabei, wie ich mich aus diesem Schach holte, denn letzendlich stand meine Existenz, so wie ich sie kannte, auf dem Spiel. ,,Was hast du mit der Person, die du in deinem Bericht beschrieben hast, getan?" Die Frage, die mir seit eh und je auf der Zunge lag, hatte sich eigenständig zu Worten, zu Lauten geformt. Ich studierte die Sehnen, die an seinem Hals gespannt wurden, als er zu seinem Schreibtisch rüberdeutete. ,,Sie war einst eine Opferbraut, die uns zur Verfügung gestellt worden war-" Mit schiefen Blicke unterbrach ich ihn und fragte, was nun eine Opferbraut sei. ,,Ein weiblicher Mensch, gedacht als Opfergabe, damit wir nicht wie Wilde von jedem Blut trinken." Er atmete lautstark aus und zog Luft wieder ein, um sprechen zu können. ,,Wie dem auch sei. Sie versuchte, zu fliehen, und brachte uns beinahe in Gefahr, weshalb sie bestraft werden musste."

Diary of a Witch  ~ Diabolik Lovers (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt