Kapitel 5

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Er kam mir näher und näher, blickte mir mit seinen schönen Augen in die meine. Er faszinierte mich damit und ich war wie in Trance. Ich zitterte am ganzen Leib, da ich ein wenig Angst bekam. Was hatte dieser Fremde vor? Er bemerkte, dass ich zitterte und zog sich zurück.
"Man sieht es in deinen Augen, Chameli", sagte er.
"Was sieht man in meinen Augen?", fragte ich ihn neugierig und ein wenig irritiert.
"Deine Angst, deine Erlebnisse und deine Geschichte. Dir ist etwas Schlimmes passiert, nicht wahr?", fragte er mich. Ich nickte nur stumm und war wie verzaubert von Rahul. Seine Stimme klang so sanft und besorgt. Warum wirkte er mir so unglaublich vetraut, obwohl er mir ein Fremder war? Eine Person, die ich nie zuvor in meinem Leben gesehen habe.

"Weißt du, manchmal musst du deine Angst aus dem Weg räumen. Du musst dich ihr stellen und gegen sie ankämpfen. Laufe durch den Regen und vergesse dabei vollkommen, dass du nass wirst. Stelle dich diesem Unwetter und vergesse niemals, dabei zu Lächeln", erklärte er und betrachtete mit funkelnden Augen den prasselnden Regen. Ich schaute nach vorne. Dort war der Regen. Der kalte, nasse Regen. Ich dachte nach. Er hatte wahrscheinlich Recht. Villeicht musste ich mutig sein und mich tatsächlich überwinden. Ich musste einen Schritt wagen. Also stand ich  entschlossen auf und ging langsam in diesen Regen. Ich ließ die Regentropfen einfach auf meine Haut prasseln und fing an zu Lächeln. Dann wagte ich es, tanzte und sang glücklich im Regen und Rahul schaute mir dabei zu. Es war ein unbeschreibliches und gleichzeitig befreiendes Gefühl. Ich fühlte mich freier als zuvor und viel mutiger.

Nachdem ich mir sicher war, dass dieser Regen mich so unglaublich glücklich machte und Rahul somit Recht hatte, blickte ich zu ihm und ging auf ihn zu. Dann setzte ich mich neben ihn und erzählte ihm entschlossen alles. Alles, was ich bis jetzt erlebt hatte. Er hörte mir aufmerksam zu.
"Ein so junges und hübsches Mädchen zu einer Kurtisane zu machen, das ist wirklich eine Schande", sprach er. Ich stimmte ihm zu.
"Warum bist du eigentlich von Zuhause geflohen?", fragte ich ihn neugierig. Er schmiss seine Zigarette auf den Boden und schaute mich an.
"Weil ich nicht länger im goldenen Käfig sitzen wollte. Außerdem wollten meine Eltern mich mit so einer Mahi verheiraten. Aber ich habe mich ihnen widersetzt. Sie sperrten mich in mein Zimmer ein und wollten mich gegen meinen Willen verheiraten. Daraufhin bin ich von Zuhause geflohen", erklärte er weiterhin gelassen.

"Ich verstehe. Eine Zwangsheirat ist auch ziemlich übertrieben. Man sollte denjenigen heiraten, den man wirklich liebt. Warst du eigentlich jemals richtig verliebt?", fragte ich ihn dann etwas verträumt, doch ich spürte seinen irgendwie interessieren Blick auf mir.
"Nein, nicht das ich wüsste. Du?", fragte er mich und ich blickte ihn wieder an.
"Nein. Manchmal frage ich mich, wie die Liebe so ist. Sie ist bestimmt wundervoll. Ein Mann, eine Frau", sagte ich und starrte wieder verträumt in den Regen. Ich bemerkte dieses Mal nicht, dass er mich die ganze Zeit dabei anstarrte. Als ich mich nun wieder zu ihm drehte, war er mir nun ganz nah.

"Was wirst du jetzt tun? Wenn die dich finden, werden sie dich zurück in dieses Haus bringen", meinte er besorgt.
"Das Stimmt. Was wirst du tun? Wenn deine Eltern dich hier finden, werden sie dich verheiraten", sagte ich besorgt.
"Tja, wir sitzen im selben Boot", erwiderte er und lachte. Daraufhin lachte auch ich. Das stimmte. Wir beide waren auf der Flucht vor den Menschen, die uns einschränken wollten. Die Menschen, die uns gegen unseren Willen verändern wollten. Wir beide saßen nun hier, blickten den Regen an und dachten über unser Problem nach. Zwei Fremde, die sich ähnlicher nicht sein konnten.

ChameliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt