2. Kapitel

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Die Nacht brach herein. Die Dunkelheit zog sich über den Horizont wie ein riesengroßes blaues Tuch. Lerry saß auf dem Fensterbrett und starrte in den Himmel. Sterne blinkten auf und der Mond war fast voll. Er war groß und rund, wie die Sehnsucht in Lerrys Brust. Sie fraß  sich immer tiefer  und knabberte an ihren Träumen. Die Schmerzen wurden mit jeder Minute  unerträglicher und Lerrys Magen krampfte sich zusammen. Doch sie musste stark sein.

Ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass erst seit einer halben Stunde Nachtruhe war.  Sie wurde immer ungeduldiger. Schließlich setzte sie sich an den Schreibtisch und machte Hausaufgaben. Es schien ihr selbst so absurd, dass sie laut auflachen musste. Sie plante abzuhauen, machte aber erst noch gemütlich ihre Hausaufgaben. Zum letzten mal. Morgen würde die Polizei in ihrem Zimmer nach Spuren suchen - Nein, nicht ihr Zimmer, nur das Zimmer in dem sie wohnte - und nichts finden.

Nachdem Lerry eine Stunde an einem Referat gearbeitet hatte, welches sie niemals jemandem vortragen würde, setzte sie sich wieder auf die Fensterbank. Wolken zogen über den Himmel und malten helle Muster in die dunkle Tiefe.

Auf einmal nahm Lerry eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Ihr Blick schnellte über die unzähligen Schatten unter ihr. Doch da war nichts mehr. Sie kniff die Augen zusammen um schärfer sehen zu können, und tatsächlich. Da lief jemand im Schatten der Bäume. Mit geduckter Haltung verschwand die Gestalt hinter einer Tanne, nur um kurz danach wieder aufzutauchen.

Lerry beobachtete jede Bewegung der Person. Es war nicht Lincoln, das erkannte sie, und es war ihr nicht geheuer, dass außer ihr noch jemand nachts herumlief. Lerry wandte sich ab und ging zum Schrank um ihren Rucksack zu holen.

"Hallo", sagte eine Stimme hinter ihr. Mit einem Schrei fuhr Lerry herum. Vor ihr hockte eine Gestalt im Fenster. Ihr Gesicht lag im Schatten. In eine Art Taucheranzug gekleidet sprang sie leichtfüßig auf den Boden und landete wie Iron-Man in der Hocke. Langsam, geradezu episch, richtete die Person sich auf. Lerry stand wie erstarrt an die Wand gepresst und starrte voller Panik auf die Gestalt, die langsam immer näher kam.

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