11. Kapitel

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Als ich das Hotel erreichte, war ich bis auf die Knochen nass. Ich zog mich aus und stellte mich unter die warme Dusche. Es tat so gut die Kälte abzuwaschen und die ruhelosen Gedanken, die immer wieder durch meinen Kopf schwirrten, wie kleine Insekten.
Ich zog mir ein weites Shirt und eine Jogginghose an und machte mir eine Wärmflasche, mit der ich mich ins Bett kuschelte.

Den nächsten Tag verbrachte ich mit Durchfall auf dem Klo und kam nicht mehr runter. Ich hatte höllische Bauchkrämpfe und die Musik, die ich zur Ablenkung hörte, bereitete mir Kopfschmerzen.
Ich nutzte die Zeit unter Schmerzen zum Nachdenken. Zumindest die erste halbe Stunde, dann gab ich unter einem erneuten Krampf auf.

Ich hatte wohl irgendetwas falsches gegessen und ich bereute es gerade zutiefst.
Ich traute mich nicht meine Eltern anzurufen, den sie hätten mich bestimmt abholen wollen und dann wäre meine Lüge aufgeflogen.
Ich begann aus Langeweile irgendwelche Leute auf Instagram zu stalken und versuchte herauszubekommen, ob Lerry auch Instagram hatte, doch natürlich umsonst.
Der grelle Bildschirm meines Handys machte meine Kopfschmerzen nicht besser und ich machte das Licht aus um ein wenig zu schlafen.

Mitten in der Nacht schreckte ich auf und rannte ins Bad, wo ich mich ins Waschbecken übergab. Mein Rachen brannte und der ätzende Geschmack stieg mir in die Nase. Ich stützte mich mit weichen Knien am Waschbeckenrand ab und starrte in die Spiegel. Meine, von der Nacht zerzausten Haare klebten strähnig an meiner verschwitzten Stirn. Meine dunklen Augenringe ließen mich wie einen Geist aussehen. Aus meinem Mundwinkel tropfte Speichel mit mit Resten meines gestrigen Mittagessens.
Scheiße, sah ich furchtbar aus. Ich wandte meinen Blick ab und zog mich aus um mich unter die Dusche zu stellen.
Das lauwarme Wasser prasselte auf meine Schultern und ich schloss für einen Moment die Augen.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken und ließ Wasser in meinem geöffneten Mund laufen, das ich gurgelte und ausspuckte.

Ich stand viel zu lange unter der Dusche und als ich mich abgetrocknet und zurück ins Bett gelegt hatte, war fast halb vier. Ich nahm mein Handy vom Nachttisch und sah nach neuen Nachrichten. Doch mir hatte mal wieder niemand geschrieben.

Die nächsten Stunden trieb ich mich auf sozialen Netzwerken herum und langweilte mich, bis mir die Augen wieder zu fielen.

"Wenn du nicht gehen willst, gehe ich", sagte Tamara und machte einen Schritt nach vorne. "NEIN!!!",schrie ich und packte sie am Arm. "Spinnst du? Das könnte dich umbringen."
"Oh, Schätzchen, das wird mich umbringen. Aber das ist es doch was du willst, was ihr alle wollt." Tamara machte eine ausladende Handbewegung und da erst bemerkte ich die Gestalten hinter uns: Julia, Lerry, ihre Mom, meine Eltern, Lehrer....
"Was tun die alle hier?"
Tamara lachte schrill. "Sie schauen uns beim Sterben zu." Tamara nahm meine Hand und machte einige Schritte zurück. Weg von dem Abgrund, der hunderte von metern, steil nach unten führte, bis nur noch Nebelschwaden zu sehen waren, die durch die Schlucht waberten und die Sicht auf den Boden verdeckten.
Mit aufgerissenen Augen starrte ich auf meine Hand, die fest mit Tamaras verschränkt war.
"Ich will das aber nicht!",sagte ich und versuchte mich aus dem Griff zu befreien, doch als ich hochschaute, war da nicht Tamara sondern Loreen. Ihre Hand umfasste mein Handgelenk so fest, dass ich meine Finger nicht mehr bewegen konnte.
"Bitte..",hauchte ich und musste mich zusammenreißen um nicht vor Schmerzen zu schreien. Loreen sagte kein Wort, ihre leeren Augen starrten mich ausdruckslos an und ihr Mund war nur noch ein Schlitz.
"Du bist schuld an Lerrys Tod!",fauchte sie und trieb mich zum Abgrund. Ich zappelte und versuchte mich aus ihrem Griff zu winden, doch sie war unnatürlich stark. Ihre freie Hand packte mein Genick und zerrte mich über den Abgrund.
"Du hast es verdient das gleiche zu erleben wie meine Tochter!",schrie sie mich an.
Wie in Zeitlupe ließ sie mich los und stieß mich,  mit einem Tritt in meinen Magen, über den Rand.
Mit weit aufgerissenen Augen versuchte ich mit meinen Armen nach etwas greifbarem zu fassen, doch die tiefe, neblige Dunkelheit verschlang mich, bis ich mit einem Krachen auf dem Boden aufkam.

Eine Welle fuhr durch meinen Körper als ich mit dem Rücken zuerst aufkam und dann mein Kopf auf den Boden krachte. Ich Riss die Augen auf und schrie vor Schmerz. Doch ich wusste nicht was mehr weh tat, das auf den Boden Fallen oder der Traum.
Was verdammt war mit mir los, dass ich so einen Blödsinn träumte?

Ich zog mich am Bett hoch und setzte mich auf die weiche Matratze. Als ich mich auf den Händen abstützte, durchfuhr mich ein Schmerz und ich jaulte auf.
Geschockt hob ich meine Hand auf und starrte auf den Abdruck, den Bluterguss rings um mein Handgelenk.
"Fuck!",entfuhr es mir und ich fuhr mir mit der anderen Hand durch die Haare. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass mir so etwas passierte.

Ich schlurfte ins Bad und starrte mich im Spiegel an. Meine Haare waren noch feucht und mein Gesicht gerötet.
Ich ließ den Wasserhahn an und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mein Bauch grummelte und jetzt erst merkte ich, dass ich einen Bärenhunger hatte und das bedeutete, dass es meinem Magen wieder gut ging. Innerlich machte ich einen Freudensprung, endlich wieder Essen!!

Ich trocknete mein Gesicht ab und schaute, zurück im Zimmer auf die Uhr. 13:37, was bedeutete, dass es schon lange kein Frühstück mehr gab, das um 10 Uhr abgeräumt wurde.
Ich zog mich an, schnappte mir Handy, Schlüssel und Geld und machte mich auf die Suche nach einem Restaurant.

Einen Häuserblock weiter fand ich ein Nettes, jedoch gab es dort nicht, wie von mir erhofft, ein Frühstücksmenu, sondern nur warme Gerichte.
Also setzte ich meinen Weg  fort und schlenderte ein wenig durch die Stadt.

Schließlich kann ich zu dem kleinen Cafe, indem ich mich mit Loreen getroffen hatte. Ich zögerte nur kurz bis ich mich meinem Hunger hingab und die Tür öffnete.

Ich setzte mich auf einen Sessel in der Ecke und bestellte ein Croissant mit Marmelade und Honig und einem Glas Orangensaft.
Ich nahm mir eine Zeitschrift von dem kleinen Tisch neben mir und blätterte darin herum während ich mir mein lang ersehntes Essen schmecken ließ.
Seit langem ging es mir nicht mehr so gut, wie ich mich gerade fühlte. Ich lächelte, da setzte sich jemand auf den Sessel mir gegenüber. Ich schaute auf.
Ein Typ, ein paar Jahre älter als ich mit schwarzen lockigen Haaren und faszinierend grünen Augen.
"Scheint ja ein lustiger Artikel zu sein.",sagte er und deutete mit seinem Kinn auf die Zeitschrift in meiner Hand.
"Nein, nicht wirklich",entgegnete ich und mein Lächeln erlosch. Ich wollte allein sein.
"Darf ich mich setzten?",fragte er und grinste schelmisch. Ich schüttelte genervt den Kopf.
"Du sitzt bereits, aber danke der Nachfrage."
"Hey, warum so ernst, das Wetter ist doch super." Er zwinkerte mir zu und ich wäre am liebsten aufgestanden und weggerannt.
"Darf ich mich vorstellen?" Er hielt mir seine Hand hin.
"Lincoln."

DrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt