4. kapitel

7 0 0
                                        

„Das Essen war grandios, was für ein Zufall, dass ich Erbsen liebe. Ich fühl mich kugelrund so gut habe ich schon lange nicht mehr gegessen, aber erzähl das nie meine Mutter."

Ich saß mit Mary zusammen in der Küche, anstatt im Speiseraum, da wir uns ja näher kennen lernen wollten und fühlte mich pudelwohl. Sie wusste nun meine ganze Familiengeschichte und von ihr wusste ich auch einiges. Verwitwet. Keine Kinder, nur einen Neffen, namens Dylan. Mary lebte schon immer in Portree. Die Pension lag seit Ewigkeiten im Besitz ihres geliebten Mannes Earl. Dieser war vor drei Jahren gestorben.

Ich konnte schon jetzt sagen, dass ich sie sehr mochte, auch wenn sie vielleicht einige Fehler aufzeigen würde.

Auf einmal sagte Mary vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen:

„Ich sage dir, auch wenn du es vielleicht nicht hören willst, dieser Tobi liebt dich und er wird irgendwann hier aufkreuzen."

Ich wäre fast von dem schwarzen Küchenstuhl gefallen und hätte nähere Bekanntschaft mit den braunen Fliesen des Bodens gemacht. Doch in diesem Moment erloschen die Lichter um uns herum und mein entgeisterter Gesichtsausdruck blieb somit unentdeckt.

Tobi... Tobi in mich...? Nein, nicht nach all den Jahren. Bevor weitere Worte fallen mussten, waren ein Rumpeln und ein Stöhnen zu hören. Ich schreckte hoch und blickte mich um, auch wenn mir im selben Moment bewusst wurde, dass das unsinnig war.

„Was?...". „Elly versuch bitte die Quelle des Geräusches zu finden und ich versuche schnellstmöglich Kerzen oder etwas anderes zu finden."

Ich verstand nicht alles, da sie sehr schnell sprach und es war immerhin nicht meine Muttersprache, doch hatte ich mir den Sinn ihrer Worte zusammengereimt.

Halb tastend bewegte ich mich auf den Ort zu, bei der ich den Ursprung des Krachs vermutete. Es war still geworden und somit ging ich nur einer Vermutung nach bis ich ein unwilliges Murren hörte. Ich befand mich nun im Foyer und versuchte allem auszuweichen. Von Draußen schien nur spärlich Licht herein, vermutlich vom Mond, und man konnte nur die Umrisse von allem erkennen. Von allem, auch von der am Fuße der Treppe liegenden Person. Nun eilte ich durch den Raum. Ich erkannte, dass ich vor einen Mann hatte, der in seinem eigenen Blut lag. Das erkannte ich daran, dass es um ihn herum schimmerte. Ruhig bleiben...

Kniend betrachtete ich den Mann. Kopfwunde am Hinterkopf. Vielleicht Gehirnerschütterung... Ich schüttelte meinen Kopf, legte meine Hand auf seine Schulter und sprach:

„Can you hear me?". Eine Bilderbuchfrage, aber trotzdem war sie ernst gemeint, doch ich bekam als Antwort nur ein halbgeknurrtes: „Yes".

Ein wirklich freundlicher Mensch. Schieben wir es auf die Schmerzen.

„Wie ich mir denken kann, haben sie Schmerzen, doch sagen sie mir bitte wo überall."

Einfach nett bleiben.

„Huch Dylan, Elly sag geht es ihm gut?", hörte ich die einzig mir bekannte Stimme in diesen Land und es wird sogleich heller.

Ich drehte meinen Kopf zu Mary und sagte bevor ich mich wieder diesen Dylan zuwendete:

„Ich denke, doch das versuche ich gerade genauer herauszufinden von diesem netten Herrn."

Das ‚netten' betonte ich besonders. Darauf folgte ein Murren und zwei Augen funkelten mich wütend an. Diese Augen... wie in Trance blieb ich an diese hängen und es fühlte sich an als herrsche auch in meinen Kopf Stromausfall...

Indem ich meinen Kopf schüttelte, kam ich wieder zu mir. Rein ärztlich. Ich behandelte hier doch nichts anderes als einen Esel.

„So sagen sie mir, haben sie außer der Wunde am Hinterkopf noch irgendwo weitere Verletzungen? Schmerzen?.

„No, alles okay."

Skeptisch betrachtete ich ihn, auch wenn er sein Gesicht längst wieder von mir abgewandt hatte. Dylan? Etwa ihr Neffe? Nun fiel mein Blick auf Mary und ich hob meine rechte Augenbraue. Sie sah gar nicht mehr so besorgt aus. Mein Eindruck wurde bestätigt, als sie sagte:

„ Zerbrich dir nicht deinen Kopf. So ein Sturkopf wie er, lässt sich von einem Sturz nicht unterkriegen. Das kannst du mir ruhig glauben."

Wie als Bestätigung versuchte der Mann aufzustehen und nach kurzem Zögern half ich ihm. Er musste ja selbst wissen, was er tut und so kam ich auch besser an die Wunde.

„Sie setzen sich jetzt da auf den Sessel.", bestimmte ich und bekam ein Schnauben zu hören, weshalb ich noch ein „Bitte" dranhenkte.

Danach zog ich auch schon zu meinen Wunschort und ignorierte einfach seine Gegenwehr. Als er dann saß, drehte ich mich zu Mary um und sprach:

„Bleib bei ihm. Ich hol schnell meine Tasche."

Doch Mary machte keine Anstalten meinen Platz zu übernehmen und fragte nur:

„Auto?".

Auch gut... Ich nickte und schon lief sie los mit der Laterne in der Hand. Deshalb rief ich ihr „Kofferraum" nach.

Danach zog ich mir einen Sessel etwas näher an meinen Patienten, währenddessen ließ ich diesen aber nicht aus den Augen. Er hatte immer noch sein Blick abgewandt und ich zuckte kurz zusammen, als er mit seiner dunklen rauen Stimmer zu sprechen begann:

„Glauben sie nur nicht, dass ich mich von ihnen einfach so rum kommandieren lasse, aber meine Tante scheint sie zu mögen und mein Kopf schmerzt. Ich hoffe bloß für sie, dass sie wissen, was sie machen wollen."

Es war einfach zu dunkel um zu sehen, wie sich seine Mimik veränderte, doch er blickte mich nun an.

„Solange sie mir nicht vom Sessel kippen, ist doch alles gut. Mary sagte ja, dass es ihnen nicht so schlecht gehen kann. Meine Mutter sagte immer: Unkraut vergeht nicht. Also keine Angst."

Es war etwas fies und ich wusste auch nicht, ob man diese Redewendung in Schottland überhaupt kannte.

„Deutsch". Ein Wort und ich blickte ihn an, während er in meiner Muttersprache fortfuhr:

„Ich kenne den Spruch. Hab mich schon gefragt woher sie kommen."

Seine Aussprache war überraschend gut.

„Hier hast du deine Tasche. Brauchst du noch etwas?", Mary war wieder zu uns gestoßen und schon war ich wieder im Arbeitsmodus.

„Ja eine Schüssel warmes Wasser und einen Lappen. Am besten wir gehen in die Küche. Ich denke bis dahin schaffen wir es."

Bevor einer der beiden etwas sagen konnte, wurden wir von einer anderen Männerstimme unterbrochen, die vom Speisesaal erschallte.

„Brauchen sie Hilfe?", fragte er und stand im Licht, das hinter ihm erstrahlte.

Ein Mann um die vierzig. Dieser bekam von Mary die Bitte aufgetragen noch mehr Kerzen zu verteilen. Nach der Frage, wo diese seien, drückte sie mir ihre Laterne in die Hand, schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln und ging zu dem Mann. Ein Drunter und Drüber hier. Auch gut. Auf in die Küche.

„Komm".

Der Neffe von Mary erhob sich selbstsicher aus dem Sessel und marschierte in Richtung Küche. Vielleicht hatte er wirklich nur eine Platzwunde, dachte ich mir und lief ihm hinterher, doch plötzlich schwankte er gefährlich. Ich sagte dazu nichts und stützte ihn einfach nur, bis ich ihn auf die Eckbank, auf der vorher seiner Tante saß, verfrachtete.

Vor ihm stellte ich die Laterne und meinen Arztkoffer ab. Dieser wurde auch sogleich begutachtet.

„Ärztin?".

„Also eine Platzwunde, Schwindel... Ist dir schlecht?", stellte ich als Gegenfrage immer noch auf Deutsch.

„Etwas."

„Schaffst du es, sitzen zu bleiben?".

Dafür bekam ich das bekannte Schnauben zu hören.

„Hast du ein Feuerzeug", fragte er mich im Gegenzug und ich griff schon fast automatisch meine Arzttasche.

„Ja", antwortete ich ihm und gab ihn das gewünschte Objekt aus meinen Utensilien.

Ich fühlte mich gleichzeitig wohl und unwohl in seiner Nähe. Was war das vorhin gewesen?

Gefühle im NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt