PART 2 AKA REAL LIFE ACTING

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Manchmal hasste er den Job. Er hasste es jede Szene mehr als einmal zu drehen, er hasste die Maske, er hasste die Kleidung, in die man ihn zwängte, er hasste den Aufwand.

Kade Irons fuhr sich durch die Haare und sah in den Rückspiegel, direkt in die Kamera, so wie es von ihm erwartet wurde, während er über die Straßen fuhr, direkt auf das abgelegene Haus zu.

Du schaffst das, Kade.

Er wusste genau, wie die Kamera jetzt filmte. Weite Totale. Gibt einen Überblick über das Geschehen.

Vorher war alles in der Stadt gefilmt worden und das hier war das siebte Mal, dass er die Strecke entlangfuhr. Zu seiner Rechten eine Kamera auf dem Beifahrersitz, auf dem Rücksitz eine und eine auf dem Auto, sogar eine, die mit einem anderen Auto uns folgte.

Und das alleine für eine Szene.

„Ich glaube wir haben sie," schrie eine Stimme aus dem Auto hinter ihnen und der leitende Kameramann stieg aus. „Kade, in die Maske, wo sind die anderen?"

Die vorher leere Vorderfront des Hauses füllte sich augenblicklich mit Menschen, die sich vorher auf der hinteren Seite und im Wald dahinter versteckt haben, so weit versteckt, dass sie auf keiner der Aufnahmen zu sehen waren.

„Richard!", rief eine braunhaarige Frau in den Vierzigern und lief auf den Regisseur, der abseits von ihnen stand zu. „Sie hat es gerade erfahren."

Augenblicklich versteifte sich der Mann und fuhr sich durch die ergrauten Haare, als sie bei ihm stehen blieb. „Wo ist sie?", fragte er und Kades Augen wurden größer.

Unwillkürlich trat er einen Schritt näher und versuchte aus der Konversation schlau zu werden. Wer war sie? Was hatte Richard Montgomery damit zu tun? Noch ehe er seine Fragen beantwortet haben konnte, gingen sie schon weg und schnell folgte er ihnen, konnte seine eigene Neugierde nicht unter Kontrolle halten.

„Wie hat sie reagiert? Als sie es erfahren hat?", fragte Richard und seine braunen Augen flogen zurück zu Kade, verdunkelten kurz, aber sie schien wichtiger, als der Schauspieler, wie es schien.

„Sie hat das halbe Skript auswendig gelernt," sagte die Frau nur. „Ich bin ihre Managerin, aber das ist doch nicht gesund?! Du weißt, was geschehen ist, du weißt, wie jeder normale Mensch reagieren würde, aber Lycia... ich habe viel gesehen, aber nicht das."

Und so wurde sein Verdacht bestätigt.

Sie sprachen von Lycia Robertson.

Alles in ihm wurde taub, doch er versuchte die Erinnerungen zu vertreiben und atmete tief durch, legte dieses Grinsen auf, für das er so bekannt war, schüttelte den weichen Kade Irons ab und setzte seine spielerische Maske auf, so wie jeden Tag. Es war eine Maske, die er schon so lange trug, dass er nicht wusste, ob es wirklich noch er war, der dahinter lag.

Eine junge Stimme drang aus einem der Zelte und alle hielten an, weshalb er prompt in den Rücken der Frau stolperte.

Eine andere, weibliche Stimme antwortete, so stark weinend, dass es etwas in ihm zerstörte, es hörte sich so wahr an, so, als würde sie das nicht spielen. „Ich habe alles getan, was notwendig ist, verstehst du das nicht, Owen?"

Er hatte keine Ahnung, ob es geschauspielert war oder nicht, aber sie machte es so überzeugend, dass ihm das Herz wehtat. Er wusste genau, welche Stelle sie gerade durchmachte und konnte nicht glauben, dass sie das jetzt alles auswendig konnte. Schauspieler in Filmen lernten zur Szene für Szene. Nicht Film für Film.

Doch sie wurden unterbrochen, als ihre Managerin die Plane zur Seite riss und eine auf dem Boden liegende, ebenfalls braunhaarige Frau zeigte, der echte Tränen über das Gesicht liefen und zu deren Rechten das Skriptum lag, das er auf den ersten Blick erkannte.

Ihnen gegenüber saß auf einem Sessel eine junge Frau, die vielleicht Anfang zwanzig war, die sie mit großen Augen ansah und die ihre violett gefärbten Haare unruhig aus dem Gesicht strich. Sie war keine Schauspielerin, die er kannte.

In dem Moment drehte sich die am Boden Liegende um, und sah sie aus roten Augen an, strich sich über das Gesicht. Das sollte also der erste wahre Eindruck von Lycia Robertson sein, den er haben würde. Sie war kaum geschminkt gewesen, aber dennoch verliefen schwarze Mascaraspuren auf ihren Wangen und sie wirkte blass.

„Alice?", sprach sie die ankommende Frau an und setzte sich peinlich berührt auf, als sie Richard bemerkte. Und als sie Kade entdeckte, entwich jegliche Farbe ihrem Gesicht. „Ich übe gerade," versuchte sie zu erklären, und Richard streckte einen Arm aus um ihr aufzuhelfen.

„Üben," meinte Alice nur und schnaubte auf. „Süße, es ist verständlich, nach allem was..." Ihr Blick flog zu ihm, dem Fremden, der als einziger nicht in die Szene zu passen schien und etwas in seinem Blick ließ sie verstummen. „Wie auch immer, das hier ist nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit um das zu besprechen. Ahm, ich glaube nicht, dass ihr zwei euch schon begegnet seid. Lycia Robertson? Das ist Kade Irons. Irons, das ist Lycia."

Sie lächelte und er wusste nicht, was geschauspielert war: Das weinende Mädchen oder die starke Frau, die ihn jetzt anlächelte. „Freut mich." Ihre Tränen standen in starkem Kontrast mit den schwarzen Spuren ihres Makeups und trotzdem sah sie schön aus, stark. Jemand, der seine eigene Traurigkeit überwinden konnte, der war es wert Schauspieler genannt zu werden. Und vor ihm stand eine Frau, die bis vor wenigen Minuten noch geweint hatte, wie jemand, der von dem Tod eines Geliebten erfahren hatte und ihn jetzt so überzeugend mit einem freundlichen Lächeln ansah, als wäre nie etwas geschehen. Sie strich ihre langen, braunen Haare aus der Gesicht und sah ihn abwartend an, wartete auf seine Antwort.

Er setzte wieder das Lächeln auf, auch wenn seine Fassade Löcher hatte, doch er ließ sich nichts anmerken. Er wusste nicht, was gerade in ihrem Kopf vorging, aber was auch immer es war, ihre roten Wangen zeigten ihm, dass es ihr peinlich war, dass er sie so gesehen hatte.

Also war die starke Frau gespielt, beschloss er zu glauben. Sie hatte wirklich geweint. Doch Kade konnte nicht antworten, kein Wort kam über seine Lippen. Es war, als würde einfach nur ihr Anblick sie zum Schweigen bringen, obwohl er sie nicht einmal kannte.

„Ich muss noch in die Maske und dann bin ich bereit. Das Skript kann ich ja mittlerweile dank Mira," erklärte sie und zeigte zu dem jungen Mädchen, welches Kade mit weit geöffneten Mund ansah, als wäre er das achte Weltwunder. Unwillkürlich fragte er sich, was wohl geschehen würde, wenn er sie anlächeln würde.

Sie musste ein Fan sein.

Lycia ging an ihm vorbei und wurde von zwei Maskenbildnern in den Arm genommen und weggeführt, auch Richard und Alice gingen, weshalb nur mehr die beide in einem Zelt waren. „Hallo," sagte er probeweise. Das erste Wort, was er seit er hier angekommen ist, gesagt hatte.

Ein hoher Ton entfuhr ihrem Mund und sie schlug die Hände auf ihr Gesicht, ehe sie eine Begrüßung zurück nuschelte.

„Ich schätze wir sehen uns noch," erklärte er und ging, ließ sie damit alleine, doch kaum, dass er aus dem Zelt trat, wurde er von einem Arm aufgehalten, der ihn zur Seite zog. „Kade," knurrte eine tiefe Stimme und er blickte in Darin Salvatore's dunkle Augen. Als er sich zu ihm umdrehte, blieb sein Gesicht für einen Augenblick dunkel, doch schon grinste er ihn an.

„Wie geht es dir, alter Freund?", fragte der etwas sechzig Jahre alte Mann und strich sich durch die dunklen Haare.

„Ganz gut, der Film wird toll," sagte Kade nur und der Producer lächelte leicht. „Wer auch immer dieser Ryan Mason ist, ich werde jedes Skript von ihm dankend annehmen. Dieser Mann ist ein Genie."

Kade lächelte leicht, ehe er antwortete. „Wenn du nur wüsstest, wer es ist."

Ryan Mason war Hollywoods Phantom. Er hatte viele verschiedene Skripten geschrieben, keines war abgelehnt worden. Man wusste von ihm nur, dass sein Name ein Synonym war und er seine echte Identität geheim hielt. Hinter Ryan Mason steckte ein sehr kreativen Autor, der alles schrieb, von Action zu einer schnulzigen Romanze, von Thriller zu Fantasy. Und fast jeder war ein Erfolg. Und wenn es kein Erfolg wurde, dann wurde zumindest die Story an sich gelobt.

Und hier waren sie. Jeder, der hier am Set war und Schauspieler trug ein Skript unter dem Arm, ein Skript mit diesem Namen.

Ryan Mason.

This Is ActingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt