Er hatte sie geküsst. Kade Irons hatte sie geküsst.
Lycia griff sich an die Lippen und lächelte leicht, bis ihr bewusst wurde, was sie da machte und hörte sofort wieder auf damit, ließ ihre Hand beinahe ertappt sinken.
Sie und Kade hatten Seiten getauscht, denn jetzt war er dann mit filmen und sie konnte sich ausruhen und ihm dabei zuschauen, wie er in seiner Rolle ein Apartment in New York durchsuchte.
Und er machte das verdammt gut. Wie er an der Tür stand, diese auftrat und die Waffe so glaubhaft um sich herumschwenkte, dass sie wirklich glaubte einen Polizisten vor sich zu sehen. Sie wusste, dass es so wirkte, weil er wirklich von einem echten Polizisten eingeschult worden war, der auch jetzt kritisch neben Richard stand und die Szene überwachte.
Sie wusste, wie lang die Szene war, wo die Kameras versteckt waren, damit es gut wirkte, denn das war bereits das achte Mal, dass sie die Szene drehten, oder es versuchten. Und obwohl es fast vier Uhr abends war, war Kade noch immer vollkommen ruhig und ausgeglichen, oder wirkte so.
Wieder dachte Lycia an den Kuss zurück, an diesen verdammten Kuss, der sie nicht los ließ und sie lächelte.
„An was denkst du?", fragte eine Stimme leise neben ihr und Lycia zuckte zusammen.
„Daran, wie gut der Film wird," log sie Warren an. Das war das erste Mal, dass er seit der Szene in Montana, der Szene in der Küche, in der Kade sie unterbrochen hatte, mit ihm sprach, es zuließ und nicht, wie auch bei Kade, abblockte.
„Ja, das wird er," bestätigte Warren und dehnte seinen Nacken, bog die Arme durch und zeigte so seine Armmuskel. „Es freut mich wieder mit dir arbeiten zu dürfen, Lycia," sagte er ruhig und die junge Schauspielerin zuckte unwillkürlich zurück, zuckte zusammen. Mit einem Mal war alles wieder da: Die gestohlenen Minuten, die verstohlenen "ich liebe dich"'s, mit einem Mal verschwand Kade, verschwand der Kuss, verschwanden ihre selbstsicheren Gefühle. Mit einem Mal war sie wieder bei Warren, wie er ihr sagte, dass es vorbei war.
Sie hätte das gekonnt, sie hätte so gerne versucht mit ihm normal zu sprechen, denn bevor die Affäre angefangen hatte, war er einmal ein Freund von ihr gewesen. Eine Freundschaft, die sie einvernehmlich weggeschmissen hatten, doch mit solchen Aussagen machte er alles wieder kaputt.
„Ich wünschte, ich könnte dasselbe zu dir sagen," erwiderte sie kalt und wusste genau, dass ihn diese Worte ebenso verletzten, doch sie war bereits so beschädigt, dass es ihr mit einem Mal egal war. „Aber mir ist es nach dir so schlecht gegangen, ich habe mich so verdammt schlecht gefühlt, als wär ich es niemals wert gewesen, als hätte ich mir deine Aufmerksamkeit verdienen müssen. Ich hab mich schmutzig und benutzt gefühlt und allem voran so, als könnte ich niemals genug sein. Du hast mir so oft gesagt, dass du mich liebst und ich hätte es so gerne geglaubt, ich war deine Affäre und ich war es gerne, ich werde das nicht abstreiten, weil ich an eine Zukunft geglaubt habe, aber diese Zeit ist vorbei. Ich habe dich geliebt, aber ich kann nicht mehr an dieser Liebe zerbrechen. Es tut mir leid." Und damit atmete Lycia tief durch und entfernte sich langsam von Warren.
Sie wusste nicht wohin sie ging, aber sie musste kurz frische Luft schnappen. Das hier war die letzte Szene, die sie für heute drehen mussten, eigentlich wurde sie nicht mehr gebraucht. Aus diesem Grund zog sie sich ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und setzte sich ihre Sonnenbrille auf und wartete auf den Stufen des Gebäudes, schaute den Menschen zu, die an ihr vorbei gingen, ohne sie zu erkennen und sie genoss dieses Gefühl der Anonymität.
Lycia Robertson wusste nicht, wie sie sich fühlte. Einerseits war da diese Leere, die sie nachdem, was sie zu Warren gesagt hatte, erfüllte, aber andererseits fühlte sie sich auch so... leicht? Befreit? Waren das die richtigen Worte? Sie hatte ihm gesagt, was sie wirklich dachte, die unvollkommene Wahrheit, die sie war, die ihr nicht bewusst waren, aber so fundamentale Wahrheiten, die ihr mit einem Mal bewusst geworden waren, dass sie sie nicht länger hatte in sich halten können. Aber dann war da wieder diese Schwere, diese untrügliche, vertraute Schwere, die sie in den Abgrund zog.
Und jetzt war sie hier. Verdammt, was war das für ein Tag gewesen. Zuerst Kade und jetzt Warren. Sie brauchte eine Pause, denn wenn sie an Kades Tränen zurückdachte, zerbrach etwas in ihr. Dieser Schmerz, den er offensichtlich durchgemacht hatte und den er so gut in sich verschloss, tat ihr weh, schmerzte ihrer Seele und bei allem was war, wollte sie nicht, dass er litt. In keiner Art und Weise.
„Hey," sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr und sie drehte sich halb um und sah Kade, der sich erschöpft über das Gesicht strich. „Wir sind fertig und damit offiziell entlassen. Das Team baut noch ab, weil wir halt die Wohnung nicht mehr benötigen und Richard schickt uns noch die Termine für Montag und was halt gefilmt wird und so, aber wir haben jetzt frei."
Sie nickte nur und legte ihr Kinn wieder auf ihre Hände, zog ihre Knie zu sich. Sie fühlte sich befreit, aber gleichzeitig drückten sie Gewichte hinunter, auf den Boden und sie kam nicht auf. Nicht ohne Hilfe.
„Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht heute Abend mit mir essen willst. Ich mein in meinem haus und kein Fertigfraß sondern wirklich Kochen im Sinne von ich koche uns was zum Essen," fragte Kade leise, ruhig. Mittlerweile stand er vor ihr und sah sie abwartend an. Er streckte seine Hand aus und zögerlich griff sie danach, ließ sich aufhelfen. Er bemerkte ihr Zögern, doch sagte nichts.
„Gerne," sagte sie und versuchte ein schmales Lächeln. Irgendetwas war nicht ok und sie wusste nicht, was sie dagegen machen sollte.
————
Fast drei Stunden später stieg Lycia aus dem Taxi und ging auf die breite Veranda von Kades Haus zu. Er hatte ein Haus in den Hamptons, doch es war im Vergleich zu den anderen Villen eher ein schlichtes Haus. Ja, es war groß, aber nicht extravagant wie das anderer Stars und wirkte auch so, als wäre es sein zu Hause. Sie klingelte und musste nicht lange warten, ehe die Tür aufging und Kade sie anlächelte. Kurz überlegte sie, ob sie sich etwas Schöneres hätte anziehen sollen, denn sie trug nur eine schwarze Jeans und eine weiße Bluse, doch da er ebenfalls nur ein bequemes T-Shirt und Jeans trug, glaubte sie das nicht.
Aus dem Haus strömte ein süßlicher Geruch ihr entgegen und sie erwiderte sein Lächeln leicht. „Ich hoffe es ist ok, wenn ich Hähnchen Süß-Sauer gemacht habe," sagte er und nahm ihren Mantel ab, schloss die Tür hinter ihr.
„Ja natürlich," sagte sie nur und blieb abwartend vor ihm stehen, doch er bewegte sich nicht, sondern hielt sie an den Schultern fest und sah ihr in die Augen.
„Wie geht es dir, Lycia?", fragte er schlicht und es lag so viel ehrliche Besorgnis in seinem Blick, dass sie sich nur auf die Lippe biss und kurz schwieg, versuchte die richtigen Worte zu finden.
„Ich weiß es nicht," gab sie nur ehrlich zu und sah zu Boden, doch er hob nur ihr Kinn an und küsste sie leicht auf den Mund, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
„Hey," sagte er nur und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Aber es war nicht dieses spezielle Lächeln, das er immer drauf hatte, sondern es war ehrlich, es war schön, es war Kade. „Ich bin da; genau dafür, ok? Dafür sind Freunde da." Wieder küsste er sie auf die Lippen, doch Lycia erwiderte den Kuss nicht, sah ihn nur abwartend an. Dann drehte Kade sich um und ging in das Haus und Lycia folgte ihm mit so vielen Fragen auf den Lippen, die er gerade noch geküsst hatte.
Wenn wir Freunde sind, wieso schaust du mich dann so an? Wenn wir Freunde sind, warum küsst du mich dann so?
//
Das Kapitel musste sein, sonst macht das nächste keinen Sinn. Sorry for the last 2 fillers. Außerdem sorry, dass die letzten zwei Kapitel eher... nun ja... halt so sind wie sie sind. Ich weiß sie sind nicht cheerish und lustig und Drama und keine Ahnung was. Sie spielen eher auf das an, wie es Kade und Lycia wirklich geht, wie sie es verstecken und wie das nicht immer geht.
Außerdem hab ich grad MILK AND HONEY gelesen, danach kann man nicht irgendetwas Lustiges schreiben. Aber die nächsten paar Kapitel werden, wenn sie so werden, wie ich es geplant habe... wow. Stay tuned.
harmlesspain
DU LIEST GERADE
This Is Acting
General FictionWie schlimm kann ein Filmdreh werden, bei dem dein Ex-Freund und Kade Irons, der begehrteste Schauspieler Hollywoods mitmachen? Schlimmer als Lycia Robertson sich jemals vorgestellt hatte, das auf alle Fälle. Denn neben den peinliche...