Downfall

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„Ist hier noch ein Platz frei?", fragte eine helle Stimme und langsam drehte ein 22-jähriger Kade Irons seinen Kopf zu der jungen Frau um, die ihn aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Doch Kade zuckte nur mit den Schultern und sie ließ sich fallen, gleich neben ihn. Er hörte die Party, die in dem Verbindungshaus, in dem seine Freunde lebten, abging und hatte sich, obwohl er Spaß gehabt hatte, sich bald abgesondert, nachdem seine Ex Freundin, Marissa aufgetaucht war. Und er hatte sie nicht sehen wollen. Und jetzt war er hier, zog an einer Zigarette und betrachtete den dunklen Himmel, hoffte anstatt von Flugzeuglichtern Sterne zu sehen, obwohl er genau wusste, dass das in einer Stadt wie Boston niemals so sein würde.

„Ich bin Mavie," sagte die Frau, die wohl das Bedürfnis hatte die Stille zu überbrücken.

„Ich bin Kade. Kade Irons," stellte er sich schließlich vor und griff zu seiner Seite, zog eine Erdbeere aus der Schachtel und steckte sie sich in den Mund. Er kaute genüsslich, während sich die Süße in seinem Mund ausbreitete und reichte dann Mavie ebenfalls eine Frucht.

„Danke," sagte sie und nahm sie vorsichtig entgegen. Erst jetzt nahm er sich Zeit sie zu mustern. Sie hatte mandelförmige Augen und hohe Wangenknochen, schwarze, leicht gewellte Haare und sah ihn direkt an. Die Asiatin war hübsch, vielleicht sogar außerordentlich schön, wenn er das so sagen konnte und er lächelte leicht, ehe er sich wieder hinlegte und die Kühle der harten Ziegeln in seinen Rücken genoss.

„Also Mavie," sagte er und beschloss ein Gespräch anzufangen. Zwar hatte er die Stille gesucht, aber die konnten sie ja auch gemeinsam suchen. „was hat dich auf das Dach verschlagen?"

„Irgendein Idiot hat mir Bier über mein Kleid geschüttet. Ich meine die Party ist richtig scheiße, aber das hat mir den Rest gegeben. Ursprünglich bin ich nur mitgegangen um einer Freundin den Rücken zu stärken, denn ihr Ex schleicht hier irgendwo herum. Aber sie hat sich dann mit einem Typen amüsiert und mich alleine gelassen, obwohl ich viel lieber in meiner Wohnung gewesen wäre, zusammen mit meiner eigentlichen besten Freundin und verdammt vielen Büchern."

Er blinzelte kurz und lächelte dann leicht. Diese Mavie konnte verdammt viel reden und er genoss es einfach dem Klang ihrer Stimme zu lauschen. Wer brauchte schon Stille, wenn man neben einer schönen Frau saß und die einen wunderschönen, fast unhörbaren Akzent hatte?

„Auf jedem Fall ist Marissa dann einfach mit Tucker abgedüst und..."

„Warte was?", fragte er und spürte wie sich sein Magen schlagartig zusammenzog. „Ach du meine Scheiße."

„Was?", fragte Mavie, anscheinend ziemlich verwirrt.

„Nun ja, deine beste Freundin, die zufälligerweise meine Ex-Freundin ist, ist gerade mit meinem besten Freund, wie du es genannt hast, abgedüst."

Mavie zog nur eine Augenbraue hoch, bewegte sich aber ansonsten nicht, ihre Arme waren noch immer um ihre Beine geschlungen und sie hatte ihr Kinn auf ihren Knien abgestützt, weshalb ihre Haare ihre Gesichtszüge fast vollständig verdeckten. „Sie ist nicht meine beste Freundin."

Er warf die Hände in die Luft und sah sie fassungslos an, versuchte irgendwie Herr seiner Gefühle zu werden, ehe er die Hände fallen ließ und sich wieder neben sie legte, spürte dabei jeden Stein, der in seinen Rücken drückte.

„Wie kommt es, dass ich dich nie gesehen habe, wenn ich... Marissa... besucht habe?", fragte er schließlich und sie zog die Augenbraue, wenn möglich noch höher, strich sich die lange Mähne aus dem Gesicht und fuhr sich übers Handgelenk.

„Vielleicht, weil sie nicht meine beste Freundin ist und ich sie eigentlich nicht so gut kenne und sie mich nur zu dieser Party überredet hat, weil niemand sonst mit ihr hingehen wollte und sie zu feige ist, um hier alleine aufzukreuzen? Außerdem wohnen wir nicht zusammen. Nicht mal im selben Haus um genau zu sein."

„Oh, tut mir leid, wenn ich dich aufgeregt habe," sagte er schließlich und rückte näher zu ihr. Er war hierher gekommen, um die Einsamkeit zu suchen und war einem Mädchen begegnet, dass mit ihm sprach, als wäre er nicht Kade Irons. Sondern ein normaler Junge. Kein Senatorssohn.

Erfrischend.

Für einige Minuten schwiegen sie, doch es war nicht eines dieser unangenehme Schweigen, sondern etwas, das für beide Parteien gut war.

„Was studierst du?", fragte er schließlich und er spürte ihren Blick, wie sie sein Gesicht musterte. Was sah er wohl? Die braunen, fast schwarzen Haare, die dunklen Augen, die gerade Nase? Wie nahm sie ihn wohl war? Und wie würde sie ihn wahrnehmen, wenn er ihr sagen würde, dass sein Dad beabsichtigte in zwei Jahren als Präsident zu kandidieren?

„Linguistik und Philosophie," erklärte sie schließlich und lächelte leicht. "Du?"

„Zu der Missgunst meiner Eltern Film und Publizistik," erwiderte er nur und lachte bei der Erinnerung an das enttäuschte Gesicht seines Vaters heiser auf. Von Grund aus hatte er sich gerne der autoritären Macht seines Vaters widersetzt, aber jetzt, einmal in seinem Leben hatte er es ernst gemeint, mit dem was er wollte. Und war dafür fast enterbt worden. Was deswegen kritisch war, weil er damit nicht das studieren und „werden" wollte, was seine Leidenschaft war.

„Was wollten sie, dass du studierst?"

„Rate," antwortete er nur und sein Lächeln wurde breiter. Er genoss das hier, realisierte er. Seit langem genoss er wieder etwas in seinem Leben, fühlte sich froh und lebendig.

„Medizin," begann sie, doch er schüttelte den Kopf. „Jura, oder?", versuchte sie es erneut.

Als er nickte, lachte sie auf und er konnte nicht anders. Er musste mitlachen. In der Ferne hörte er das Läuten der Glocke. Es war drei Uhr morgens.

„Oh verdammt," sagte sie und setzte sich auf. Ich muss gehen, es war nett dich kennen zu lernen, Kade Irons."

„Warte," sagte er und wollte sie festhalten. „Warum musst du weg, Cinderella?", rief er ihr hinterher, doch sie war bereits verschwunden.

Er wusste nichts von ihr, außer dass sie Linguistik und Philosophie studierte und Mavie hieß und einen leichten australischen Akzent hatte. Als hätte sie eine Zeit lang dort gelebt und war dann hierher gezogen, wo sie ihn versuchte zu unterdrücken, sich anzupassen.

Kade Irons wusste eines: Er wollte dieses Mädchen besser kennen lernen, wobei ihm eines schmerzhaft bewusst war. Sie war eines dieser Mädchen, in die man sich verliebte, in die es so leicht war sich zu verlieben, aber die Trennung einem beinahe den Atem raubte.

Er würde sie wieder finden, auch wenn sie sein Untergang war.

This Is ActingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt