Kapitel 7

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Ich gehe die Treppen runter und entdecke sofort die Bank, auf der ich die letzte Nacht verbracht habe. Sie steht leer, als ob sie auf meine Rückkehr gewartet hätte.Ich setze mich hin und kratze die Farbe ab, doch was mich mehr als dies beschäftigt, ist der Gedanke an Harry.

Ich wünschte ich hätte ihn unter anderen Umständen kennengelernt, in einer Bar oder im Kino. Wir würden uns bestimmt super verstehen. So einen Freund wie ihn, könnte ich echt gebrauchen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns wieder begegnen, ist sehr gering. Ich kann ihn zwar anrufen, doch ob ich es wirklich will, ist eine andere Frage. Ich will ihn nicht stören.

Ein lauter jedoch ganz schwacher Schrei reißt mich aus meinen Gedanken. Ich gucke zu meiner Rechten und entdecke eine verzweifelte Frau, ohne nachzudenken gehe ich zu ihr.

Je näher ich komme, desto lauter kann ich ihre Schluchzer hören. "Was ist passiert?", sie dreht ihren Kopf zu mir und erst in diesem Moment erkenne ich in ihr die Zicke von gestern. Doch in diesem Moment bin ich nicht mehr sauer, ich möchte ihr helfen. Wenn ich mich nicht irre, hat sie mich ebenfalls erkannt, denn ihre Augen wandern von meinem Kopf bis zu meinen Füßen. "D-da war so ein, so ein Mann...e-er er hat meine Tasche. Meine Tasche! Mein Handy, Kreditkarten, ein Brief von i-ihm.", ich wundere mich was für einen Brief sie wohl meint, frage sie aber nicht was sie meint. Jetzt sind andere Informationen viel wichtiger. "Wo ist er hin?", ich lege meinen Arm um sie und warte auf ihre Antwort. Mit ihrem Zeigefinger zeigt sie mir die Richtung. "Gut, wie war angezogen? Haarfarbe? Wie sieht ihre Tasche aus?", vielleicht ist es ihr gerade ein bisschen zu viel, aber ich verzichte eher darauf einen fremden unschuldigen Mann anzugreifen. "Also eine dunkelblaue Tasche u-und er hat eine schwarze Kapuze, ja genau und dunkle Jeans.", ok das genügt mir höchstwahrscheinlich.

Ich übergebe ihr meine Tasche und fange an zu rennen, so schnell wie es geht. In Sprinten war ich schon immer gut. Ich schaue mich überall um. Neben dem Ausgang ganz hinten entdecke ich einen Mann, der gut zu der Beschreibung passt. Er steht neben zwei anderen Männern, vermutlich seinen Kumpels, denn ich höre sie lachen.

Ich werde langsamer und gehe auf den Räuber zu, ich klopfe leicht an seiner Schulter. Ich gehörte nie zu den aggressiven Schläger-Mädchen. Er dreht sich um und guckt auf mich herunter, da er einen Kopf größer als ich ist. "Was?", er hört sich schon brutal an. Aber ich werde es durchziehen. Ich schnappe schnell Luft und spreche "Ich glaube nicht, dass diese Tasche ihnen gehört. Oder sind sie etwa Tinky-Winky von den Teletubbies? Geben sie es mir bitte zurück oder ich bin dazu gezwungen die Polizei zu rufen.", zum Glück ist das Handy, was ich heute von Harry geschenkt gekriegt habe in meiner Tasche, denn alles andere ist in meiner Tasche. "Kleine, ich würde dir mal raten ganz schnell zu verschwinden.", "Sonst was?", ich habe gelernt nie seine Angst zu zeigen. "Na rate mal", er umklammert seine Hand um meinen Oberarm. Ich weiß nicht was ich machen soll um ihn abzuschrecken, also fange ich an zu schreien. Ich spüre die Augen auf mir und höre auch Schritte und eine laute Stimme, die sagt er soll mich loslassen. Das lässt mich erleichtert aufseufzen, vorallem da der Mann tatsächlich das tut, was ihm gesagt wird. Neben mir stellt sich ein Mann mit blonden Haaren, der jetzt versucht dem Typen die Tasche rauszureißen und es gelingt ihm auch. Er gibt mir die Tasche und ermahnt mich, als wäre ich ein kleines Mädchen "Du hättest jemanden um Hilfe bitten sollen, es war ziemlich leichtsinnig auf so jemanden wie er alleine loszugehen.", "Wenn ich ehrlich sein soll, ist es gar nicht meine Tasche, ich habe versucht jemandem zu helfen aber ohne dich hätte ich es nicht geschafft, danke.", ich strecke meine Hand aus uns er schüttelt sie.

Dann gehe ich zurück zu der Frau, sie sitzt auf meiner Bank und putzt sich ihre Nase. Ich lege ihre Tasche auf die Bank und beobachte sie. Sie lächelt und nimmt ihre Tasche und schaut kurz rein, dann legt sie diese zur Seite und nimmt meinen Arm auf dem sich rote, große Streifen von dem Druck des Mannes befinden. Sie streichelt ihn und gibt mir meine kurze Umarmung, ich höre noch ein leises Danke, danach übergibt sie mir meine, schon etwas abgeranzte Tasche. Doch sie geht nicht weg, so wie ich es eigentlich erwartet hätte. Sie bleibt sitzen und schaut mit ihren grauen, traurigen Augen auf die wegfahrende Bahn.

Plötzlich höre ich ihre leise Stimme, sie guckt mich jedoch nicht an, so wie es eigentlich jeder macht, der mit einem anderen spricht. Sie guckt auf ihre Hände in denen ein blauer Briefumschlag liegt. "Dieser Brief, er bedeutet mir so viel. Weißt du Eric, also mein Mann, er schenkte mir es am Valentinstag, kurz bevor er diesen Autounfall hatte, kurz bevor er ins Koma fiel. Ich hoffe und bete, dass er da wieder gesund rauskommt und wenn ich seine Stimme und seine Wortwahl vermisse, dann lese ich diesen Brief. Diese Kreditkarten oder mein Handy, über diese Sachen habe ich mir eigentlich gar keine Sorgen gemacht. Das war mir so wichtig.", ihr Kopf senke sich während des Gesprächs auf meine Schulter und jetzt spüre ich eine warme Träne auf meinem Pullover. Ich beschließe still zu sein und einfach den Zuhörer zu spielen. Ich weiß, dass sie mir noch mehr zu sagen hat. "Ich möchte dir noch etwas sagen. Es tut mir leid, dass ich dich gestern so angegriffen habe, aber seitdem er weg ist, lasse ich meine Wut an der ganzen Welt aus. Doch als du mir gestern den Grund deiner Obdachlosigkeit ins Gesicht geschrien hast, hab ich plötzlich eine... Nähe verspürt und ich wollte so schnell wie möglich weg. Wegen dem Schamgefühl aber auch weil ich endlich merkte, dass ich nicht die einzige bin, die ihre Probleme hat. Ich bin so müde...", gleich nachdem sie es sagt, rutscht ihr Kopf in meinen Schoss.

Und nun sitze ich hier mit der zerbrechlichen Frau, die auf den ersten Blick gar nicht so zerbrechlich scheint und in mir macht sich auch ein Schamgefühl breit. Ich hatte Urteile, ohne ihre Geschichte zu wissen, ohne zu wissen was sie jeden Tag erleben muss. Wie schlecht es ihr gehen muss, da sie mit dem Fakt klar kommen muss, dass jeder Tag ihres Mannes der letzte sein könnte.

Ich merke nicht wann sich meine Augen schließen und ich anfange zu träumen. Ich träume von einem kleinen Mädchen, das geradeaus rennt, einfach ohne Ziel. Um ihre Augen ist ein Tuch mit Herzchen umgebunden. Sie lächelt leicht, aber in ihren Augen bilden sich Tränen, die natürlich keiner sehen kann. Wieso kommt mir diese Situation so bekannt vor?

New Kapiteeell. Ich bin ganz Deborah's Meinung, ich hätte auch gerne so einen Kumpel wie Harry... er könnte auch mein fester Freund sein, da hätte ich auch nix gegen. :P Jedenfalls hoffe ich, dass dieses Kapitel euch gefallen hat.

xoxo just_sapa

Das Licht am Ende des TunnelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt