Kapitel 16- Harry

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Noch in dem Moment, als Thea mir ihre Nachricht gezeigt hatte, wusste ich, wem ich dieses Missverständnis zu verdanken hatte. Wie ein Verrückter bahnte ich mir meinen Weg durch die Menge und suchte nach Tiff. Mit Sicherheit hatte sie die Nachricht gelöscht, als sie beim Shooting mein Telefon in der Hand hatte. Sie hatte abermals versucht etwas zu sabotieren, wie bei unserem letzten Kontakt. Damals war es um ein Shooting in Brasilien gegangen, dass ich beinahe nicht hatte machen können, weil sie meinen E-Mailaccount gehackt und die Mail gelöscht hatte. Sie wollte mich für sich allein, da war selbst der Job im Weg. Ich hätte es viel früher ahnen müssen und viel schlimmer noch, ich hätte mich von selbst bei Thea melden müssen. Auf den Kontakt mit den anderen Weibern konnte ich verzichten, aber Thea war nicht wie sie. Sie hatte Mut, war wild und ich wollte sie. Sie hatte ihren Job nicht erledigt. Trotz meiner Wut, gegenüber Tiff, verzog ich die Mundwinkel amüsiert. Ja, Thea hatte mich tatsächlich mit einem Ständer sitzen lassen. Ein paar Meter weiter entdeckte ich die Dame der Stunde. Als ich sie sah, kam meine Rage wieder zum Vorschein. Ich drängte mich zwischen ein paar Partymäuschen durch, griff nach Tiffs Arm und zog sie vor das Haus. Erst hatte sie aufgeregt gerufen, ich solle sie loslassen, doch als sie dachte, ich könnte es ihr besorgen, war sie mir hinterhergelaufen, wie ein treuer Dackel. Vor der Türe drehte ich mich zu ihr um.
„Du bist ein verräterisches, kleines Miststück", spie ich ihr entgegen. „Dir reichte damals nicht, mir meinen Brasilien-Shoot beinahe zu versauen, jetzt spionierst du schon wieder durch meine Sachen." Ihr arrogantes Lächeln verwirrte mich etwas. Als ich sie das erste Mal erwischt hatte, war sie sofort in Tränen ausgebrochen, während sie nun hier stand und ihr Kinn reckte.
„Diese Kleine ist nichts für dich", meinte sie herausfordernd.
„Aber du bist es?"
„Natürlich. Sweetcheecks, sei mal ehrlich zu dir selbst. Du bist ein unheimlich attraktiver Mann, mit gewissen Vorzügen und einem ordentlichen Repertoire im Bett. Dieses kleine Mäuschen kann dir niemals das Wasser reichen!" Sie glaubte wahrhaftig an den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage. Ihr schien gar nicht aufzufallen, wie eingenommen sie von sich selbst war. Als der erste Schock, über ihre Aussage, verflogen war, begann ich lauthals zu lachen. Ich legte sogar den Kopf in den Nacken, um dem Moment etwas mehr Theatralik zu bieten. Diese Situation hatte nichts komisches an sich, aber ihre lächerliche Aussage konnte ich nicht anders beantworten.
„Sweetcheecks", säuselte ich, nachdem ich mich beruhigt hatte. „Siehst du denn nicht, dass sie so viel natürlich ist, als du. Siehst du denn nicht, dass ihre unschuldigen Augen, etwas viel wilderes in sich tragen, als du vermutest? Sei doch mal ehrlich zu dir selbst", ahmte ich sie nach,"du wirst mir niemals das Wasser reichen können." Ich wusste, dass meine Worte schäbig waren, ich mich sogar noch schlechter benahm, als sie selbst, doch ich konnte nicht anders. Es war wie ein Zwang Thea zu verteidigen. Einmal, weil ich es für mich tun musste, mir wieder klar machen musste, dass Tiff nicht mehr das Mädchen war, dass ich einmal so sympathisch fand und zum Zweiten, um Thea zu verteidigen, die sich nicht einmal selbst in Schutz nehmen konnte. Nach Worten ringend griff ich mir in die Haare und starrte Tiff an. „Sieh es doch ein Tiff. Das mit uns wird nie etwas werden. Damals, wie heute. Versteh das doch endlich!" Lautlos liefen ihr die ersten Tränen die Wangen hinab, was mich überraschte, denn mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet – nicht mehr. Sie schien so viel stärker, als früher, doch nun stand sie vor mir und salzige Tropfen rannen hinab. Mit einem erlösendem Schnauben trat ich an sie heran, während hinter uns die Musik immer lauter zu werden schien. „Es tut mir Leid, Tiff. Die ganze Aktion mit Thea war vollkommen daneben und es tut mir leid, wie ich dich eben behandelt habe." Verletzt sah sie an mir vorbei, Richtung Haus. Ihre Starre Haltung löste sich erst, als ich sie in den Arm nahm, ihr die ersten Tränen von den Wangen wischte. „Es tut mir wirklich leid, kannst du mir verzeihen?", fragte ich sie und konnte ein lautes Knallen hinter mir vernehmen. Vor der Tür stand Thea, die mich mit einer Mischung aus Verachtung und Schmerz ansah. Meine Arme von meiner alten Bekannten lösend, sah ich sie fragend an, wollte die ersten Worte meiner Frage formen, bis mir bewusst wurde, wie diese Situation auf sie wirken musste. Eben hatte ich ihr noch erklärt, dass ich Tiff nicht einmal ausstehen konnte und schon hielt ich sie im Arm, tröstete sie, entschuldigte mich, für mein Verhalten. Auf ihren Lippen formte sich ein Lächeln, dass ihre Augen nicht erreichen konnte, während sie mir den Mittelfinger entgegenstreckte und wieder im Haus verschwand. Genervt schnaubte ich. Tiff hatte sie gesehen. Sie hatte nicht verletzt an mir vorbei gesehen, sie hatte Thea in die Augen geblickt, dann hatte sie die größte Show des Jahrtausends abgeliefert.
„Das war's wohl mit euch beiden, Sweetheart", höhnte sie mit falschem englischen Akzent, drückte mir einen Kuss auf die Wange und verschwand. Ja, das war's wohl, dachte ich. Ich sah dem Püppchen noch ein wenig hinterher, verfluchte den Tag, an dem ich sie das erste Mal getroffen hatte. Am liebsten hätte ich sie erwürgt. Als ich mich umdrehte, um das Haus wieder zu betreten und meinen alten Freund zu verabschieden, sah ich Thea mit einem fetten Grinsen im Türrahmen stehen. Sie biss sich auf ihre Unterlippe, ehe sie zum Reden ansetzte. „Zum Glück ist sie endlich weg." Mit wiegenden Schritten kam sie auf mich zu, ein Lodern in ihren Augen, dass ich nicht erklären konnte. Ihre Hände legte sie auf meinem Oberkörper ab, ehe sie sich erklärte. „Ich bin eine wirklich fabelhafte Schauspielerin. Ihr habt mir beide tatsächlich geglaubt."
„Woher wusstest du, dass sie ein falsches Spiel spielt?"
„Ich bin eine Frau, wir durchschauen so etwas." Ihr zartes Kichern war unendlich sexy und ich hätte sie am liebsten geküsst. Ach scheiß drauf, dachte ich und zog sie noch etwas näher zu mir heran.

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