Kapitel 21- Thea

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Ich war einfach glücklich.

Mein Studium lief gut, auf alle Hausarbeiten hatte ich gute Noten erhalten. Und mit dem Stoff kam ich auch mit. Meine beste Freundin war glücklich mit Christian, was mich automatisch noch fröhlicher stimmte. Ihr sei es gegönnt, dass sie endlich mal einen Mann gefunden hatte, der es auch ernst mir ihr meinte und sie nicht nur dann anrief, wenn seine drei anderen Weiber keine Zeit hatten. Auch mit Harry lief es gut. Ich fühlte mich wohl an seiner Seite. Zwischen uns stimmte die Chemie, davon war ich felsenfest überzeugt. Zwar hatte ich nicht vorgehabt mich zu verlieben, doch erstens, kommt alles anders und zweitens, als man denkt. Wir hatten uns die letzten Tage nicht sehen können, nach unserem Jahrmarktsausflug, jedoch schrieben wir jeden Tag miteinander. Mit ihm war einfach keine Situation zu gezwungen und ich hatte das Gefühl, dass auch Harry mehr in mir sah, als nur ein Betthäschen.

„Hat dir jemand das Grinsen ins Gesicht gemeißelt? Seit dem Jahrmarkt bekommt man deine Mundwinkel nur noch oben zu sehen. Ich meine, dass freut mich natürlich für dich, aber sogar im Schlaf lächelst du", erzählte mir Anna, als wir uns auf die Wiese hinter dem Campus niederließen. Heute war es ziemlich heiß draußen, sodass wir die Sonnenstrahlen genießen wollten. Besonders nach der langen Vorlesung im stickigen Hörsaal.

„Du übertreibst doch", winkte ich ihre Einwürfe ab und strich meinen kurzen Rock glatt. Ich spielte mit dem Saum des grünen Stoffes.

„Gib's zu, Thea. Harry hat dir gehörig den Kopf verdreht. Es ist doch nicht schlimm, wenn du auch mal verliebt bist."

Laut seufzte ich: „Hast ja recht. Aber ich weiß einfach nicht, ob er genauso fühlt wie ich. Was ist, wenn ich nur eine von vielen bin?"

„Ich sag dir jetzt mal was, du bist eines der schönsten Mädchen hier auf den Campus. Die Jungs stehen bei dir Schlange und hoffen, dass sie dein Herz, oder andere Körperteile, für sich gewinnen können. Du aber entscheidest dich für einen jungen, unabhängigen Fotografen, der Zeit mit dir verbringt und auf dich steht. Ich schwöre auf alle meine Marvel Comics, dass Harry dich genauso mag wie du ihn. Und wenn nicht, dann reiße ich ihm seine Eier raus, püriere sie und biete sie Harry zum Verzehr an. Glaub doch mal an dich und zweifle nicht so sehr dran."

„Ja, aber-", weiter kam ich nicht, da Anna ihre Hand vor meinen Mund hielt.

„Klappe jetzt! Kein Aber, verstanden?", unterbrach sie mich. „Und jetzt erzähl mir doch mal, was so besonders an Mister Lockenkopf ist." Sofort bewegten sich meine Mundwinkel wieder nach oben und Anna sah wissend an.

„Er ist einfach toll. Seine ganze lockere Art lässt mich bei ihm gut fühlen. Mich begehrt fühlen, wenn er mich ansieht, als wäre ich das schönste Mädchen der Welt. Wahrscheinlich übertreibe ich, aber ich mag es wenn er mich durch seine grünen Augen anblickt. Außerdem ist er verdammt gut im Bett. Du weißt, dass ich so die ein oder andere Geschichte erzählen könnte, aber Harry ist... Ich kann es einfach nicht in Worte fassen. Zwar würde ich jetzt sagen, dass du das selbst mal erleben solltest, jedoch glaube ich, dass wir nicht alles teilen müssen", zwinkerte ich meiner besten Freundin zu. Sie lachte laut auf und schüttelte ihren Kopf.

„Nein, wir müssen nicht alles teilen. Christian bekommst du schließlich auch nicht geliehen." Neugierig fragte ich, wie es denn mit ihm lief. Die Antwort meiner braunhaarigen Freundin viel sehr Wortkarg aus. Ein einfaches „Perfekt", war alles was ich bekam.

„Thea, es ist alles gut zwischen uns, das meiste weißt du doch sowieso schon. Mich interessiert mehr das zwischen dir und Harry", sagte sie und wackelte mit ihren perfekt gezupften Augenbrauen.

„Was ich dir noch gar nicht erzählt habe, er und mein Bruder kennen sich."

„Interessant. Weißt du das denn?", hakte sie nach.

Ich holte meine, leider schon warmgewordene, Wasserflasche aus meinem Rucksack und nahm einen kräftigen Schluck. „Als die Release- Party von Theos Band stattfand stand er plötzlich vor mir. Mit Tiff."

„Wer ist Tiff? Und warum bin ich nicht mitgekommen?", jammerte sie. Wir hatten die letzten Tage einfach nicht die Möglichkeit gehabt uns darüber zu unterhalten, außerdem war es irgendwann in Vergessenheit geraten. Also erzählte ich ihr, was an dem Abend abgelaufen war. Immer mal war ein kurzes Lachen oder ein „So kenne ich dich gar nicht, Thea" zu hören. Ich war gerade dabei, ihr von dem Mini-Shooting zu erzählen, als mein Handy klingelte. Ohne auf das Display zu schauen nahm ich ab.

„Hallo?"

„Hey, Babe", kam es vom anderen Ende der Leitung. Harry war dran.

„Was gibt's denn?", fragte ich neugierig. Sonst klärten wir fast alles per SMS, da war ich etwas verwundert, warum er mich nun anrief. Trotzdem freut ich mich über seinen Anruf.

„Ich wollte fragen, ob du morgen Abend Zeit hast. Würde dich gerne zu einem Date entführen."

„Hm, ich muss erstmal mit meinem Anwalt klären, ob ich freie Zeit habe. Sekunde. Anna hab ich morgen Abend Zeit?", wollte ich von ihr wissen, doch sie war selbst so in ihr Handy vertieft, dass keine Reaktion von ihr kam.

„Meine Anwältin hat zu dem Thema geschwiegen, also nehme ich das als ja", lachte ich in den Hörer.

„Sehr schön", sagte er freudig. „Was hast du gerade an?"

„Harry, das ist kein guter Zeitpunkt für Telefonsex. Ich sitze auf einer Wiese, neben Anna, und werde dir keine schmutzigen Dinge erotisch durch das Telefon flüstern. Aber ich habe einen Rock an, und ein Top." Ich strich mir eine blonde Haarsträhne hinter mein freies Ohr und blickte verstohlen zu Anna, die natürlich hellhörig wurde. Ich verdrehte bloß meine Augen.

„Mehr wollte ich doch gar nicht, Thea", lachte Harry. „Aber wenn du mal Lust auf eine Runde Telefonsex hast, dann melde dich bei mir, du hast ja meine Nummer." Er kam aus dem Lachen gar nicht mehr raus, und ich war froh, dass er nicht sehen konnte, wie rot ich wurde. Warum dachte ich auch an sowas?

„Ich muss jetzt auch auflegen, bis morgen", verabschiedete ich ihn und legte auf, ohne auf eine Antwort von ihm zu warten.

„Ich würde ja sagen, dass du untervögelt bist, aber scheinbar kannst du gerade nicht genug von Harry bekommen", sagte sie und stand auf. Sie rieb sich die Grashalme von den Beinen und hielt mir ihre Hand hin, damit sie mich hochziehen konnte.

„Nur um eins klarzustellen", sprach ich, nachdem auch ich wieder stand, „mir geht es gut. Du brauchst mir keinen Sextherapeuten zu verschaffen." Mehr sagte ich nicht, sondern lief zurück in unser Zimmer, ohne auf Anna zu warten. Ein Grinsen konnte ich mir trotzdem nicht verkneifen.

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