12| Die Wahrheit

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Markus reibt sich die Augen, gähnt und kickt unbeeindruckt einen Stein nach vorne. Er weiß nicht wieso ich ihn aufgeweckt habe,wir um 04:00 Uhr aus dem Hotel verschwunden sind und jetzt hier rumlaufen.
Aber er hat auch noch nicht nachgefragt.
Wahrscheinlich ist er einfach zu müde um zu kapieren was wir jetzt machen.
Es ist auch ziemlich früh.

Er gähnt ein weiteres Mal und steckt sich anschließend eine Zigarette in den Mund.
Das Feuerzeug zischt, er hebt es an die Zigarette und zieht den Rauch ein.
Er lächelt kurz und dann reicht er mir die Packung.
Ich lehne ab.
Seine Augen weiten sich.
Was er da Raucht ist guter Stoff und so etwas lehnt man nicht einfach ab.
Nicht ohne Grund.
Doch ich nehme eine einfache, gewöhnliche Zigarette aus meiner Jackentasche.
"Was machst du da?", fragt mich Markus und deutet auf das mickrige Ding in meiner Hand.
"Ich rauche nach was sieht es denn aus?.", meine Worte klingen abwertend, abweisend.
So klinge ich normalerweise nur wenn ich mit Personen aus unserer Klasse rede, die ich nicht mag.
"Was ist denn nur los mit dir?"
Markus klingt verwundert. So als wolle er es mich schon lange fragen. Dennoch hatte er sich wohl nie getraut.
"Darum wollte ich mit dir reden"
Aufeinmal wird Markus langsamer.
Er wirkt wie ausgewechselt.
So als hätte er gerade einen Kaffee getrunken. Er wirkt so wach.
"Du willst mir doch nicht sagen das du verliebt ist?"
Ruckartig bleibe ich stehen.
Ich und verliebt? Niemals.
Carlo Waibel bindet sich doch an keine Frau.
Das wäre doch reinster Selbstmord.
"Wie kommst du auf so was?"
Unsicher zuckt er die Schulter und dreht sich weg "Ist doch egal"
Doch mir ist es nicht egal. Wie kommt man auf so einen Quatsch?
"Sag es doch" Ich packe ihn am Kraten, hebe ihn Zentimeter über den Boden und schaue ihm in die Augen, welche mich ängstlich anstarren.
"Du bist so anders...und außerdem lächelst du Josi immer wieder an"
"Was Joe?" Ich lasse ihn los und er fällt unsanft auf den Boden.
Es knallt. Doch ich reagiere nicht.
"Ja, ich dachte du verhältst dich so komisch weil du in Josi bist" Markus steht auf und klopft sich ab.
"Ich bin doch nicht in Joe"
Er schaut mich komisch an "Und wieso bist du dann so komisch drauf?"
Ich ziehe den Rauch ein.
Laufe wieder gerade aus und blicke auf den Boden.
Es fühlt sich so falsch an es jetzt zu sagen. Doch er ist mein bester Freund.
Glaube ich zumindest.
Er soll es erfahren. Jetzt oder nie.
"Ich werde die Gang verlassen", meine Stimme wird immer leiser.
Ich ziehe noch einmal an meiner Zigarette und warte auf eine Reaktion von Markus, welche aber nicht folgt.
Er geht einfach weiter.
Lässt es ihn denn so kalt?
"Wieso? Ich dachte die Gang ist dein Leben"
Ich reiße mich zusammen. Sonst fange ich noch an zu schreien.
In mir tobt ein mächtiger Sturm. Gefühle, welche mich überwältigen.
Ich lasse mein ganzes Leben zurück. Beginne einen neuen Abschnitt.
"Du kennst doch Oma Waibel?"
Er nickt.
"Als ich sie im Krankenhaus besucht habe, hat sie mir gesagt das sie hofft das aus mir etwas wird. Ich weiß nicht wie lange sie noch hat. Ich will wahrscheinlich zum Ersten Mal in meinem Leben das Abi schaffen. Aber das heißt auch das ich euch verlassen muss"
Markus sieht mich verzweifelt gleichzeitig aber auch mitfühlend an.
Er kennt Oma Waibel. Ein paar mal haben wir sie besucht. Sie hat uns Kekse gebracht und wir haben nur Gezockt. Die Zeit haben wir nicht mit ihr verbracht. Doch das hätten wir sollen.
"Ich verstehe", murmelt er leise "Das tut mir leid, aber wer übernimmt die Gang?"
Ich atme die frische Morgenluft ein "Tim wird die Gang übernehmen"'
"Tim?" Ich nicke nur.
"Darum ist er also dazu gekommen?"
Erneut nicke ich nur.
"Aber warum nicht Josi?"
Meine Stimme wird wieder Kräftiger "Weil sie jemand braucht an den sie sich anlehnen kann"
Markus wird immer verwunderter. Noch nie hat er mitbekommen wie Joe oft nicht mehr weiter gekommen ist.
Er lebt einfach noch in seiner Traumwelt. Irgendwann muss er aber aufwachen.
"Ihr geht es doch gut"
Leicht schüttele ich meinen Kopf
"Nein, Markus ihr geht es nicht gut"
"Aber..."
Ich unterbreche ihn mit einem Handzeichen. "Wir sollten wieder ins Hotel zurück kehren"
Ich drehe mich um und schnipse den Zigarettenstummeln in den Schnee.
Er flackert noch kurz auf, dann erlischt er aber endgültig.
Betrübt sehe ich ihn eine Zeit lang an.
Stecke nacher aber meine Hände in die Jackentasche und gehe mit schnelleren Schritten weiter.
Dicht gefolgt von Markus.

Fremde [CroFf]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt