Rose

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Nachdem ich aufgewacht war dauerte es einen Moment, bis die Tatsache, dass alles nicht bloß ein Traum gewesen, sondern wirklich passiert war, in mein Bewusstsein sickerte. Danach wollte ich mir am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen und wieder einschlafen, damit ich träumen könnte, alles wäre in Ordnung. Vielleicht würde ich ja weiter von Finn träumen, so wie die letzten Stunden. Viele konnten es jedoch nicht gewesen sein, denn ohne Finns Arme um mich geschlungen, ohne den vertrauten Geruch und seine Wärme einzuschlafen, mit dem Wissen, dass es nie wieder so sein würde war etwas, an das ich mich auch erst würde gewöhnen müssen. "Rose verdammt!" jemand - von der Stimme her wohl Jake - hämmerte gegen die Tür. "Steh endlich auf oder willst du das Mittagessen auch noch verpassen? Ach ja und die Besitzerin von Blossom ist angepisst, weil du nicht an dein scheiß Handy gehst." So kurz schien ich dann doch nicht geschlafen zu haben... "Hau ab!" grummelte ich und schleuderte einen, neben dem Bett rumliegenden Schuh in Richtung der Tür. Danach griff ich nach meinem Smartphone. Ich hatte es sofort nach meiner "Flucht" ausgeschaltet und hatte nicht vor, es in den nächsten hundert Jahren nochmal anzumachen. Trotzdem war da diese leise Stimme in meinem Hinterkopf, die mir permanent sagte: "Du kannst dich nicht ewig verstecken..." Das Problem war, dass es stimmte, also warum sollte ich es nicht jetzt hinter mich bringen? Doch kaum war das Handy hochgefahren bereute ich es auch schon, denn direkt als erstes sprang mir mein Hintergrundbild ins Gesicht und es zeigte - wie könnte es anders sein - Finn und mich neben unseren Pferden, wie wir uns küssten. Wir sahen so glücklich aus, dass ich das Handy am liebsten gegen die Wand geworfen hätte. Stattdessen entfernte ich das Hintergrundbild, archivierte die Chats und löschte die Anrufbenachrichtigungen. Ich will es nicht mehr sehen!

Ich hätte nicht sagen können ob drei Minuten vergangen waren oder drei Stunden, als Jake schon wieder an die Tür hämmerte. "Rose, creepy woman waitin' for ya. Sie ist unerträglich, kannst du bitte wenigstens kurz fünf Minuten runterkommen damit sie wieder abhaut?" Ich stöhnte genervt auf, dann schwang ich meine Beine aus dem Bett, schlüpfte in die erstbesten Klamotten die auf dem Boden rumlagen - Reithose und Hoodie, was sonst? - und schlurfte zur Tür. Als ich rauskam zuckte Jake kurz zurück. "Mann, siehst du beschissen aus." murmelte er, doch ich warf ihm nur einen müden Blick zu und zog eine Augenbraue hoch. "Jaja, danke, du mich auch." grummelte ich zurück, während ich die Treppe runterschlurfte.

Unten im Flur setzte der Tag sich dann noch deutlich beschissener fort, als er angefamgen hatte, denn Elise stand da und blickte mich mit genervt-überheblichem Gesichtsausdruck an. Miranda lehnte betont beiläufig im Türrahmen um ja nichts zu verpassen. Sie hatte mir zwar angemerkt, dass etwas nicht stimmte und irgendwie hatte sie auch das mit der Trennung mitbekommen, aber ich war auf keine ihrer Fragen eingegangen, weswegen sie auf Infos brannte, also nuschelte ich ein: "Let's go outside." Wenn ich müde, fertig oder aufgeregt war passierte es mir immer noch ab und zu, dass die Routine aus meiner Zeit in den USA zurückkam, genauso wie ich dort manchmal ins Deutsche verfallen war. Elise folgte mir mit einem letzten arrogant-verächtlichen Blick auf Miranda durch die Verandatür. "Was willst du? Noch ein bisschen in deiner Schadenfreude baden?" fragte ich, nun schon etwas wacher. Sie verdrehte die Augen. "Ich bin hier um mich... nun ja, zu... entschuldigen." Ich merkte, wie schwer ihr gerade die letzten Silben über die Lippen kamen, ließ aber trotzdem ein kurzes, freudloses Lachen hören. "Willst du mich verarschen?" "Ich hatte ein, sagen wir, Gespräch mit meiner Tochter..." erklärte sie, aber ihr Tonfall schien doch etwas anders. "Mit was erpresst sie dich denn?" fragte ich, eigentlich war es nicht ernst gemeint, doch Elise' Reaktion verriet, dass ich ins schwarze getroffen hatte. "Nun, jedenfalls" fuhr sie nach einer kurzen Pause fort "habe ich mich nicht unbedigt so korrekt verhalten, Finn scheint wirklich an dir zu hängen und wenn er ohne dich nicht kann, dann sollte ich aufhören zu versuchen, euch auseinanderzubringen..." Die Worte schienen ihr wirklich schwer zu fallen und noch vor kurzem hätte es mich wirklich gefreut, aber jetzt wo ich mich von Finn getrennt hatte gab es kein zurück mehr. Ich schüttelte den Kopf. "Das schlimmste ist, dass du Recht hattest. Ich passe nicht in Finns Leben und es war absolut selbstsüchtig von mir, seinem Glück im Weg zu stehen." Elise blickte mich überrascht an und schien ausnahmsweise mal aus dem Konzept gebracht. Sie murmelte etwas unverständliches und wandte sich dann zum gehen. Ich stand noch eine ganze Weile da und starrte ins Leere, auch als Elise schon lange weg war,  bis irgendwann eine vertraut-verhasste Stimme dicht an meinem Ohr murmelte: "Ich hab's dir ja gesagt, der Springreiter war eine schlechte Idee." An anderen Tagen hätte ich Daníel für diese Bemerkung eine verpasst, erst recht weil seine Stimme für meinen Geschmack etwas zu dicht an meinem Ohr gewesen war, aber heute war ich dazu einfach zu müde, deshalb schlurfte ich einfach ohne ihn zu beachten zurück ins Haus.

Miranda zog sofort den Kopf wieder aus den Vorhängen als ich reinkam, doch mir war so oder so klar, dass sie alles mitbekommen hatte. Jake saß am Küchentisch und sah kurz von seinem Handy auf, als ich an ihm vorbeilief. "Was'n das eigentlich für'n Hoodie?" Ich zuckte die Schultern. "Hab halt das erstbeste genommen was auf dem Weg vom Bett zur Tür rumlag, wieso?" Auf eine Kopfbewegung seinerseits hin blickte ich an mir herab und musste feststellen, dass der Hoodie mir nicht nur zu groß war, sondern auch einen Aufdruck trug, der ihn eindeutig als einen von Finn outete. "Das erklärt auch, warum das Teil zwischen Tür und Bett lag..." meinte Jake lachend, woraufhin ich ziemlich rot wurde und mich schnellstens in den Stall zu River und Sarah verzog. Den Hoodie ließ ich einfach an - roch auch einfach zu vertraut.

Unaccepted - die FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt