Tristan gibt nicht auf

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Ich liege im Bett und kann nicht schlafen. Es ist kurz nach Mitternacht und ich kann an nichts anderes denken, als an Kian. Wir saßen noch eine Weile in der Bucht und sahen auf den See hinaus. Wir haben noch über die Ewigkeit gesprochen und mir wird klar, dass ich ernst meine, was ich gesagt habe: Am liebsten hätte ich bis in alle Ewigkeit mit ihm dort gesessen. Jede Sekunde indem ich an ihn denke, flattert es in meinem Bauch. Schließlich schließe ich meine Augen und schlafe mit dem Gedanken an Kian ein.

Am morgen werde ich von der Kaffeemaschine geweckt und öffne verwirrt die Augen. Wie spät ist es, wenn Tante Pia schon wach ist? Ich werfe einen Blick auf meine Nachtisch Uhr und staune. Es ist schon elf Uhr durch. So lange habe ich noch nie geschlafen. Ich könnte klatt Felicia Konkurrenz machen. Ich stehe von meinem warmen Bett auf und laufe zu meinem Kleiderschrank. Ich entscheide mich für ein grünes Sommerkleid und laufe ins Badezimmer. Frisch geduscht und angezogen, laufe ich in die Küche. Dort bereitet Tante Pia bereits das Mittagessen vor. Als sie mich sieht, mustert sie mich sofort besorgt. »Mir gehts gut. Ich habe anscheinend diesen langen Schlaf gebraucht.« Tante Pia nickt und reicht mir eine Tasse Kaffee. Ich hole die Milch aus dem Kühlschrank und den Zucker aus dem Schrank. Meine Tante sieht mal wieder aus, wie die ältere Version von Felicia. Sie könnte die ältere Schwester von ihr sein. Tante Pia wird mindestens so oft von Männern auf der Straße angeflirtet, wie Feli von Jungs. Ich beneide die beiden nicht darum. »Wir haben dich gestern gar nicht mehr gesehen. Wohin seid du und Kian verschwunden?« fragt sie neugierig. Glücklicherweise fällt mir die Antwort nicht schwer.
»Wir waren spazieren und haben uns dann eine Weile am See niedergelassen und uns unterhalten.« Tante Pia lächelt.
»Wann bist du denn zurück gekommen?« Ich zucke die Schultern. Das weiß ich wirklich nicht. Ich habe erst wieder auf die Uhr geschaut, als ich nicht schlafen konnte. »Wo ist eigentlich Feli?« frage ich, weil ich ihr unbedingt von gestern Abend erzählen muss. »Sie ist mit Freya shoppen.« Feli wollte immer mit mir shoppen gehen. Doch da sie weiß, dass das nicht meine lieblings Beschäftigung ist, bin ich froh, dass sie jetzt jemanden hat mit dem sie shoppen gehen kann. »Felicia ist aber schon lange weg. Sie müsste bald wieder kommen.«
»Um wie viel Uhr ist das Essen fertig?« frage ich gerade, als Tante Pia sich wieder dem Essen widmet. »Ich habe erst damit angefangen. In spätestens einer Stunde und dreißig Minuten. Ich mache nämlich Lasagne und der Backofen braucht ewig.« Ich lächle sie an. »Okay. Dann gehe ich ein wenig nach draußen.«  »Mach das.« Ich ziehe meine Turnschuhe an und gehe nach draußen an die frische Luft. Doch genießen kann ich sie nicht, da Tristan vor mir steht. Er ist wirklich attraktiv und eindeutig ein Sunny Boy, aber so Typen ekeln mich einfach nur an. Besonders nervt mich, wie er mich die ganze Zeit über anstarrt. So wie jetzt. Natürlich gehört auch sein süfisantes Grinsen dazu. Er kommt auf mich zu und beugt sich - wie gestern - zu mir herab. Ich muss mich beherrschen, nicht zurück zu weichen. Er küsst mich leicht auf die Wange und ich spüre schon die Übelkeit in mir aufsteigen. Als er sich wieder von mir löst, grinst er mich breit an.
»Hast du Lust mit mir schwimmen zu gehen?« fragt er mich mit einem funkeln in den Augen. Meine Alarmglocken schrillen und meine innere Stimme schreit in mir: Tu es nicht! Mein Bauch macht sich auch bemerkbar und krümmt sich zusammen. Ich schaue in seine funkelnd blaue Augen und versuche nicht ängstlich zu wirken. »Tut mir leid, aber ich wollte nur kurz raus an die frische Luft. Ich muss gleich das Mittagessen vorbereiten.« meine Lüge scheint zu funktionieren, denn er nickt verständnisvoll.
»Wollen wir dann nach dem Mittagessen schwimmen gehen? Oder am Abend im dunkeln? Dann ist es romantischer.« Eine leise Vorahnung bemächtigt sich meiner und schleicht sich in meine Gedanken. Ich habe schlimme Bilder und Vorstellungen im Kopf: Wie wir im See schwimmen, die Sterne und der Mond am Himmel und Tristan...Tristan der mich berührt, in den Armen hält und küsst...Nein! Ich muss diese Bilder loswerden sonst übergebe ich mich wirklich. Ich schüttel mich bei der Vorstellung, dass wir heute Abend...mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Tristan hat gesehen, dass ich mich geschüttelt habe und versteht das natürlich völlig falsch. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hat er mich in den Arm genommen und streichelt meinen Rücken. Ich bin von seinem Aftershave und seinem zu süßen Honig Duft umgeben. Noch ein Grund mehr, warum ich mich ekel: Ich hasse Honig! Honig mochte ich noch nie. Kians Geruch hat mich gestern allerdings eingehüllt und ich konnte nicht aufhören ihn ein zu atmen. Er duftete nach Natur und Wasser. Kein Aftershave war dabei, sondern nur er. Ich muss mich so schnell wie möglich von Tristan befreien. Doch er ist zu stark und mit diesen Muskeln erst recht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Luft anzuhalten. Nicht weil ich vergesse zu atmen, sondern weil ich keine andere Wahl habe. Natürlich könnte ich ihm auch sagen, dass er mich loslassen soll, aber ich traue mich nicht. Was ist wenn er gewalttätig wird? Nein! Dieses Risiko gehe ich nicht ein! Plötzlich spüre ich seinen heißen Atem an meinem Ohr. »Ist dir kalt? Du siehst zwar echt heiß aus in dem Kleid, aber ich will auch nicht, dass du frierst. Oder vielleicht doch? So kann ich dich dann in meinen Armen halten und wärmen.« Ich weite meine Augen und presse meine Lippen ganz fest zusammen, um mich zu beherrschen. Habe ich nicht gestern noch gesagt, dass ich seine Eier unbrauchbar mache, wenn er mir zu nahe kommt? Tja, der Mut hat mich verlassen. Ich fluche in mich hinein.
»Danke, dass du mich gewärmt hast, aber ich muss jetzt wirklich kochen, bevor Felicia vom Shoppen nach Hause kommt.« Nur sehr langsam lässt er mich los und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nichts falsches zu sagen.
»Also, was ist mit später? Hast du Zeit?« Ich schüttel den Kopf.  »Nach dem essen wollte ich Freya kochen beibringen. Das dauert.« Oh Bitte gib endlich auf! Doch nichts da! Er fragt mich natürlich weiter. Wie kam ich bloß auf die verrückte Annahme er würde mich endlich in Ruhe lassen? Innerlich seufze ich. »Was ist mit heute Abend?« Ich schüttel auch jetzt den Kopf. Also so langsam reicht es mir wirklich!
»Tante Pia, Feli und ich wollen einen Filmabend machen. Vielleicht noch mit Freya.« Ich hoffe dass er Feli nicht danach fragt. Ich muss sie unbedingt noch vor Tristan sehen. Wenn er sie zuerst auf den Filmabend anspricht, weiß er, dass ich gelogen habe, um mich heraus zu reden. Ich habe das Gefühl, dass er wütend werden würde, wenn er es erfuhr. Feli muss mit spielen! Dass ich Freya heute Nachhilfe in Kochen geben möchte ist nicht gelogen. Ich frage sie einfach später. Ich spreche Feli und Freya auch auf den angeblichen Filmabend an, ob sie Lust hätten einen zu veranstalten. So müsste Feli nicht lügen. »Achso. Was ist mit morgen?« Ich stöhne innerlich auf. Gibt er eigentlich jemals auf? Soll ich wieder Lügen? Aber mit was für einem Argument soll ich mich dieses Mal heraus reden? Mir fällt nichts mehr ein. Mein Kopf ist wie leer gefegt und meine kreative Phase vorbei. Daher zucke ich nur die Schultern. »Weiß ich noch nicht.« sage ich schließlich wahrheits- gemäß. Tristan strahlt mich an. »Jetzt hast du morgen etwas vor.« Ich ziehe misstrauisch eine Augenbraue hoch. »Und was genau?« frage ich skeptisch. »Lass dich überraschen.« sagt er geheimnisvoll, beugt sich vor, haucht mir einen Kuss auf die Wange und dreht sich um, um in seinem Haus zu verschwinden. Perplex stehe ich da, wie bestellt und nicht abgeholt und wünsche mir, dass der morgige Tag nicht existieren wird.

Bis In alle EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt