Der erste Tag

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Die ersten Sonnenstrahlen scheinen durch das Fenster und kitzeln und wärmen mich im Gesicht. Ich blinzel und öffne langsam meine Augen. Im Haus ist es still und ruig. Also bin ich mal wieder die erste, die wach ist.

Ich stehe auf, laufe zu meinem Kleiderschrank und begebe mich ins Bad, um zu duschen. Ich seufze wohlig. Ich liebe es zu duschen, weil man sich entspannen und einfach abschalten kann. Ich könnte Stunden hier verbringen, aber leider protestiert mein Magen dagegen. Mir fällt auf, dass ich gestern gar nichts mehr gegessen habe.

Ich springe aus der Dusche, trockne mich ab und ziehe mich an. Anschließend begebe ich mich in die Küche. Ich werfe einen Blick in den Kühlschrank, um zu sehen, was wir essbares da haben.

Überrascht stelle ich fest, dass der Kühlschrank voll ist. Wahren Tante Pia und Felicia etwa noch einkaufen, während ich geschlafen habe? Ich beschließe Tante Pia später danach zu fragen.

Ich durchsuche die Schränke und Regale, um zu sehen, was dort so alles steht. Ich endecke mein lieblings Müsli, Nutella, Kaffee, Zucker, Milch, Wurst, Käse Orangensaft...Alles was ein gutes Frühstück ausmacht.

Nach dem Frühstück ziehe ich meine Turnschuhe an, schnappe mir die Schlüssel von Tante Pia und nehme meine Umhängetasche mit, damit ich Handy und Schlüssel dort verstauen kann.

Danach laufe ich zur Haustür und öffne sie. Ich atme tief die frische Luft ein und schließe die Tür hinter mir. Da ich gestern Abend nicht viel erkennen konnte, schaue ich mich jetzt in ruhe um.

Der See vor mir ist schön blau. Genauso wie der Himmel. Die Bäume drum herum haben ein kräftiges grün. Das einzige Haus uns gegenüber ist von außen genau wie unseres:

Die Hauswand ist gelb und das Dach ist rot. Es gibt insgesamt zwei Stockwerke. Vor der Haustür unserer Nachbarn steht ein grauer Mercedes. Ein Fenster steht offen, also ist auch jemand Zuhause.

Ich laufe Richtung See, damit mich keiner sieht. So früh am morgen möchte ich immer meine Ruhe haben und alleine sein, bis ich wirklich wach und bereit für ein Gespräch bin.

Am See glitzert die Oberfläche von der strahlenden Sonne. Ich genieße die frische Naturluft und diese fantastische Aussicht auf den See. Ich laufe die Wiese entlang, den Blick auf die Schiffe in der Mitte des Sees gerichtet.

Da ich nicht auf den Weg achte, kann ich auch nicht erkennen, wohin ich laufe. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, als ich plötzlich in jemanden hinein stolpere.

Ich richte meinen Blick auf denjenigen, der mich festhält und schaue ihm in die Augen. Seine braunen Schokoladen Augen blicken warm und sanft auf mich herab. Seine dunkel braunen Haare glänzen in der Sonne.

»Alles inordnung?« fragt der Junge besorgt. Ich nicke etwas zurückhaltend. »Tut mir leid. Ich habe dich gar nicht gesehen.« sage ich beschämt. Der Junge lächelt mich freundlich an.

»Offensichtlich. Du wohnst nicht hier oder?« stellt er fest. Diesmal bin ich es, die lächelt. »Stimmt. Ich bin gestern Abend erst ange- kommen und schaue mich ein wenig um. Die Aussicht und die Luft sind einfach unglaublich.« schwärme ich ihm vor.

Der Junge nickt. »Ich wohne schon mein ganzes Leben hier und habe mich immer noch nicht an diesen Anblick gewöhnt.« sagt er verträumt. Ich wollte etwas erwiedern, doch er ist schneller als ich und fährt bereits fort.

»Mein Bruder allerdings findet es hier langweilig und versteht nicht, was meine Schwester und ich an diesem Ort so toll und schön finden.« er schüttelt den Kopf und seufzt.

»Er ist einfach so anders als wir. Andere Interessen, andere Vorstellungen vom Leben und er weiß nicht mal, was Spaß ist. Nur weil er der Ältere ist meint er, er kann bestimmen, was wir aus unserem Leben machen.« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

»Was ist mit euren Eltern? Warum bestimmt euer großer Bruder über euer Leben, anstatt eure Eltern?« Seine braunen Augen werden feucht.

»Sie sind vor zwei Jahren gestorben. Mein Bruder war achtzehn und musste für meine Schwester und mich sorgen. Ich war fünfzehn und meine Schwester vierzehn.« Ich nicke verständnisvoll.

»Ich weiß wie es ist seine Eltern zu verlieren und wie man sich fühlt. Zum Glück hat meine Tante mich aufgenommen. War euer Bruder mit der Aufgabe sich um euch zu kümmern überfordert?« frage ich neugierig.

»Ja. Doch er hat es nie zugegeben. Mein Bruder ist einer von der Sorte Jungs, der denkt er weiß und kann alles besser. Er ist ein richtiger Angeber. Glaub mir wenn ich dir sage, dass du ihm nie über den Weg laufen möchtest.«

Ich wollte gerade etwas fragen, als mein Handy klingelt. Ich werfe dem Jungen einen entschuldigten Blick zu und nehme ab. »Hey. Auch schon wach?« frage ich scherzhaft. Tante Pia seufzt.

»Savina, würdest du mir das nächste Mal bitte Bescheid geben, dass du dir die Gegend anschaust? Ich habe mir Sorgen gemacht.« sagt sie vorwurfsvoll. Ich seufze. »Ich wollte dich nicht wecken. Es hat mich einfach nach draußen gezogen. Du kennst mich doch.« rechtfertige ich mich.

»Ja, ich kenne dich und ich finde es überaus lieb von dir, dass du mich nicht wecken wolltest. Schreib mir das nächste Mal einfach einen Zettel, den ich nicht übersehe. Abgemacht?« Ich lächle. »Abgemacht!«

Ich spüre schon die ganze Zeit über den Blick von dem Jungen auf mir und wende mich verlegen ein Stückchen ab. »Savina, ich habe mit dir und Felicia noch etwas vor. Bis zum Mittag möchte ich wieder zurück sein. Kommst du bitte?« Ich werfe einen Blick auf mein Gegenüber und seufze. »Na Gut. Bin gleich da.« sage ich und lege auf. Ich wende mich dem Jungen zu.

»Das war meine Tante. Ich muss los.« Der Junge nickt. »Kommst du morgen früh um die gleiche Uhrzeit wieder hier her?« fragt er hoffnungsvoll. Ich lächel glücklich »Klar.« Der Junge strahlt mich an. »Super! Ich kann dir dann viele schöne Orte zeigen, wenn du Lust hast.«

Ich merke wie meine Augen vor Freude strahlen. »Sehr gerne.« Ich lächle noch einmal und mache anschließend auf dem Absatz kehrt, um zurück zum Ferienhaus zu gehen. Dabei spüre ich, wie er mir nach blickt. Erst als ich schon fast Zuhause bin, fällt mir ein, dass ich seinen Namen nicht weiß. Doch ich zucke nur die Schultern. Ich sehe ihn ja morgen wieder und dann werden wir uns gegenseitig vorstellen. Schließlich weiß er meinen Namen ja auch nicht.

Bis In alle EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt