Das Lagerfeuer

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Jemand rüttelt samft an meiner Schulter und ich öffne blinzelnd meine Augen. Tante Pia betrachtet mich besorgt. »Felicia hat mir erzählt was los ist. Es ist schon dunkel draußen. Ich möchte ein Lagerfeuer draußen am See auf der Wiese veranstalten. Was hältst du davon?« Ich lächle leicht und setze mich gähnent auf. »Ich weiß nicht. Ich bin immer noch ziemlich müde und möchte nicht mit den anderen zusammen sitzen.« Tante Pia seufzt. »Ich kann es nachvollziehen, aber denk daran das Kian, Freya und Tristan auch bei einem Autounfall ihre Eltern verloren haben. Sie waren zwar nicht dabei, aber sie verstehen dich und haben vollstes Verständnis, da sie sich in dich hinein versetzen können.« Ich nicke leicht. »Na gut, ich überleg es mir.« Tante Pia berührt mein Knie. »Okay. Kann ich dir noch etwas bringen?« Ich schüttel den Kopf. Daraufhin verlässt sie mein Zimmer.

Eine Stunde später entscheide ich mich schließlich doch dafür, zu den anderen zu gehen. Der Hauptgrund ist der, weil ich hunger habe und mein Magen knurrt. Ich ziehe meine graue Weste an und unten meine Turnschuhe. Anschließend gehe ich raus und sehe auch schon das Lagerfeuer. Kian endeckt mich zuerst und lächelt mich aus seinen Schokoladen Augen an. Felicia - die neben ihm sitzt - winkt mich zu sich. Bei ihr angekommen drückt sie mir auch schon ein Marshmallow am Spieß in die Hand. Ich lächle sie dankend an. Freya - die rechts von mir sitzt - reicht mir eine Cola. Tristan - der mir gegenüber sitzt - starrt mich unentwegt an und seine strahlend blauen Augen funkeln im Feuer. Ein paar seiner blonden kurzen Strähnen fallen ihm ins Gesicht und er streicht sie sich weg, ohne mich auch nur eine einzige Sekunde aus den Augen zu lassen. Ich wende meinen Blick ab. Tante Pia fangt an Gitarre zu spielen. Beim Refrain singen Feli und Freya mit. Nach einer Weile holt Tante Pia ein CD Rekorder - den man nicht an eine Steckdose anschließen muss - und es folgt Party Musik. Ich bin nicht in Stimmung für Party. Okay das bin ich nie, aber ich kann nicht tanzen. Das weiß Felicia auch, deshalb fordert sie mich erst gar nicht auf, zu tanzen. Stattdessen fragt sie Kian. Doch er lehnt auch ab. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Tristan aufsteht und auf mich zukommt. »Möchtest du mit mir tanzen?« Ich schüttel den Kopf. »Ich tanze nicht gerne. Tut mir leid.« sage ich freundlich. Er wendet sich zerknirscht ab und tanzt stattdessen mit Feli. Dabei schaut er provozierend zu mir, als wolle er sagen: "Das hättest du sein können. Na, was ist?" am liebsten würde ich schnauben, doch ich unterdrücke es. Selbst Tante Pia tanzt. Ich schaue wieder zurück zu Tristan, der mich nicht mehr ansieht. Anscheinend ist ihm klar geworden, dass er mich nicht eifersüchtig machen kann. Niemand beachtet mich im Moment. Ich könnte mich jetzt heimlich davon stehlen. Als habe Kian meine Gedanken gelesen, fragt er: »Wollen wir irgendwohin, wo es ruhiger ist?« Ich lächle ihn an und nicke erleichtert. »Okay. Dann komm.« Ich stehe auf und folge ihm schweigend.

Die frische Luft ein zu atmen tut gut und der leichte Wind weht mir die Haare ins Gesicht. Es ist einfach herrlich! Ich glaube ich werde jeden Abend spazieren gehen. Unter dem halb Mond und den Sternen. Besonders der See ist Abends atemberaubend, wenn sich die Sterne und der Mond an der Oberfläche spiegeln. Ich sehe Kian von der Seite an und stelle fest, dass es ihm genauso geht wie mir. Er genießt den Spaziergang so wie ich in vollen Zügen. »Es hat mich echt überrascht, als ich dich heute Mittag wieder gesehen habe. Ich dachte schon ich müsste bis morgen früh warten, bis ich deinen Namen erfahre.« sagt Kian plötzlich in die Stille hinein. Ich grinse ihn an. »So ging es mir auch.« gestehe ich ihm leise. Dabei sieht er mich wieder mit diesen warmen, weichen Augen an. Er ist nicht wirklich schön oder atemberaubend, aber er ist süß und seine etwas zurück- haltende Art gefällt mir an ihm. Kian ist ein Naturmensch, genau wie ich. Nach weiterem kurzen Schweigen, sagt er: »Ich habe hier in der Nähe einen Rückzugs Ort. Da ist nie jemand und man kann dort sehr gut abschalten. Soll ich ihn dir zeigen? Allerdings musst du mir versprechen, es niemandem zu sagen.« Ich spüre förmlich, wie meine braunen Augen leuchten. »Keine Sorge. Du kannst dich auf mich verlassen!« Daraufhin lächelt er und wir kommen an kleine Felsen vorbei. Kurz darauf nimmt Kian meine Hand in seine und führt mich steil zwischen den kleinen Felsen hinab. Es ist fast wie einen steilen Gipfel hinunter zu klettern. Nicht dass ich so etwas schon mal gemacht habe. Mit der einen Hand hält mich Kians warme starke Hand fest, während ich mit der anderen Hand an den Felsen halt suche. Doch das nützt mir nichts, denn ich stolpere gegen einen kleinen Stein und wäre hingefallen, wenn mich Kian nicht an sich gezogen hätte. Er hat mich an seine Brust gedrückt und einen Arm um mich geschlungen. Ich spüre sein Herz schneller schlagen. »Alles klar?« Ich nicke und schaue zu ihm auf. Großer Fehler! Jetzt wird mir mehr als deutlich, wie nahe sich unsere Gesichter sind. Ich spüre seinen Atem auf meinen Lippen und habe dadurch vergessen, wie man atmet. Kian lässt mich langsam los und nimmt wieder meine Hand. »Es ist gleich dort unten an der Seite.« er stellt sich jetzt hinter mich und hält mir mit der einen Hand die Augen zu, während er mich mit der anderen vorwärts schiebt. Unvermittelt hält er an und nimmt seine Hand von meinen Augen. Ich blinzel und drehe mich einmal um meine eigenen Achse. Meine Augen weiten sich. Es ist eine kleine Bucht! Ich wusste gar nicht, dass es am Bodensee kleine Buchten gibt.
»Und? Gefällt dir diese kleine Bucht?« Ich drehe mich um und sehe, dass er sich ein paar Schritte von mir entfernt hat und mich erwartungsvoll ansieht. Ich gehe zu ihm und umarme ihn. Meine Schüchternheit und meine Zurückhaltung sind bei ihm wie weggefegt. Als habe sie nie existiert. Bei Kian fühle ich mich angekommen. Ich befürchte schon, dass er sich von mir löst. Doch er erwidert die Umarmung und schlingt seine Hände um meinen Rücken. »Es ist toll hier. Gibt es am Bodensee viele Buchten?« frage ich, als ich mich ein wenig von ihm löse. Unsere Hände liegen an unseren Hüfften. Er lächelt leicht und zuckt die Schultern. »Ich kenne nur diese Bucht.« mein Herz schlägt schneller, weil er mir die wahrscheinlich einzige Bucht am Bodensee gezeigt hat und niemand sonst weiß, dass sie existiert. Ich muss aber auch erwähnen, dass die Bucht gut zwischen den Felsen versteckt liegt. Ich löse mich sachte von ihm und setze mich in den Sand. Kian setzt sich neben mich und legt einen Arm um mich, als kennen wir uns schon ewig, anstatt erst seit heute morgen. Doch es stört mich nicht im geringsten und ich lehne mich an ihn. Ich fühle mich einfach so wohl, dass ich ein wohliger Seufzer nicht unterdrücken kann. »Ich könnte bis in alle Ewigkeit so sitzen bleiben.« gestehe ich ihm. Kian lacht leise. »Die Ewigkeit ist endlos.« flüstert er mir ins Ohr. Ich schaue in seine Schokoladen Augen und grinse wunschlos glücklich. »Ich weiß.«

Bis In alle EwigkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt