Kapitel 10

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Am nächsten Tag in der Schule bekam ich wieder viele komische Blicke zugeworfen. Ich senkte meinen Kopf und versuchte so schnell wie möglich vom Haupteingang zu meinem Schließfach und sofort zum Klassenzimmer zu kommen. Nirgendwo konnte ich Samantha oder Flavia oder Najib sehen.

Ich hetzte zum Klassenzimmer und wollte schon aufschnaufen weil ich angekommen war, da wurde ich zur Seite geschubst und knallte gegen die Wand.

"Hey!" schrie ich auf. Das Mädchen drehte sich um und meinte nur "Hoops hab dich wohl nich gesehen... oder du kleines Stück Dreck bist einfach nich aus dem Weg gegangen!" fauchte sie und verschwand im Klassenzimmer. Was mit der genau los war konnt ich nich verstehen. Was mit der ganzen Schule los war verstand ich nicht.

Ich schüttelte den Kopf und marschierte ins Klassenzimmer. Die Schulstunden verliefen qualvoll langsam. Zum Glück wurden die Gespräche etwas leiser in den Stunden wo Flavia oder Samantha bei mir waren. Die Mittagspause verging wie im Flug und nach der Nachmittagsqual war ich auch schnell wieder zuhause.

Zügig ging ich in mein Zimmer, schmiss den Laptop an, startete Musik und legte mich auf mein Bett. Ich war fertig. Kaum schloss ich meine Augen war ich auch schon eingeschlafen. Mit geschlossenen Augen sah ich genau was sich damals abgespielt hatte. Damals, vor über einem Jahr.

Ich war damals gerade 16 geworden und zwar schon als Modell entdeckt worden, die ganze Welt sah mich als Selbstbewusstes, weites Mädchen, doch in echt hatte ich vor kurzem erst meinen Ersten Kuss bekommen und war wirklich unsicher. Meine Freundin hatte mich über das Wochenende mitgeschleppt auf eine Berghütte, wo wir Tagsüber etwas durch den Wald spaziert waren und Abends dann übernachtet hatten. Ich war die erste im Bett da mir wirklich unendlich kalt gewesen war und die anderen kamen erst später ins Zimmer. Das Matratzenlager war zwar wärmer als draußen doch ich fror immernoch als die Jungs und Mädels dann endlich auch kamen. "Na, was hast du so gemacht?" fragte mich einer und setzte sich in Boxershorts und T-shirt neben mir aufs Bett. "Nichts. Ich bin schon seit ewigkeiten hier unter der Decke und frier mir immernoch einen ab!" beschwerte ich mich und lachte. Die anderen kamen auch schon aus dem Bad und in ihre Betten getapst. Kurzerhand griff er nach der Bettdecke und legte sich neben mich. Zuerst war ich schockiert darüber doch kaum spürte ich die Wärme, die von ihm ausging als er mich in den Arm nahm waren alle Sorgen vergessen und ich kuschelte mich nur näher an ihn heran.

An dem Abend war nicht mehr viel geschehen doch er hatte mich kurze Zeit später gefragt ob ich seine Freundin werden wollte.

Als ich am nächsten Tag abends wieder zuhause ankam, den Tag in der Schule mit all den unfreundlichen Leuten überstanden hatte und auch das Shooting am Nachmittag gut gemeistert hatte freute ich mich auf eine heiße Tasse Tee. Ich saß am Fensterrand, eine Decke um meinen Körper gewickelt und der Tasse in der Hand und sah nach draußen in den Wald. Die ganze Situation im Moment war bescheuert. Alles war vorher besser gewesen. Die Zeiten, als Kind als meine Eltern noch bei mir saßen und sich gefreut hatten, dass ich meine ersten Schritte gelaufen war waren längst vorbei. Nun war ich alleine, auf eben diese zwei Füße gestellt auf denen ich damals den ersten Erfolg gehabt hatte und musste mich durch das Leben kämpfen. Durch das Leben, das mich wie es schien überhaupt nicht leiden konnte. Warum mussten die anderen Schüler so fies sein? Warum konnten sie mich als Neue nicht akzeptieren und in ihre Gruppen rein lassen? Warum konnten sie mich nicht aufnehmen wie andere Schüler offensichtlich aufgenommen worden waren?

"Vielleicht solltest du Privatstunden nehmen, zuhause, wie alle es dir vorher gesagt haben." sagte ich mir selber. "Vielleicht solltest du einfach wieder abhauen, das hier alles vergessen und ein besseres Leben führen." Ich stand auf und wandte mich vom Fenster und dem Wald ab um mein Geschirr in die Küche zu bringen und ins Bett zu gehen.

"Nein, ich gebe nicht auf." sagte ich mir und schlüpfte unter die Decke in einen tiefen Schlaf.

WolfsmateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt