"Bist du okay?"
Yves Stimme kam mir anders vor. Gedämpft. Ich konnte ihn durch all die Stimmen in meinem Kopf nicht hören. Der Schleier von Erinnerungen legte sich über mich. Ich nahm nichts mehr war. Nicht Yves Stimme, nicht den Raum in dem ich stand. Nicht mal meine kalten Hände, die mir sonst immer zu schaffen machten. Ich war still und ich wusste ich starrte an einen Punkt den Yves nicht sehen konnte. Aber ich wollte jetzt nicht diesen Moment verlieren. Da war er! Zum greifen nah. Eine Erinnerung. Fast so klar, als wäre ich zu dem Zeitpunkt nicht auf Drogen gewesen. Voll mit Extasy.
"Die Krankenwagen Sirenen sind den ganzen Tag überall, als würde ständig jemand verletzt sein und die ganze Stadt müsste davon wissen.", murmelte ich an seinem Hals als vor dem Fenster wieder einmal der Großstadtlärm von Berlin lauter wurde.
Der Junge, der neben mir lag, strich mir über den Rücken, zeichnete kleine Kreise mit seinem Daumen auf meinem Handrücken und blinzelte. Ich sah in seine unendlich grünen Augen. So hypnotisieren und stimulierend zugleich.
Lange sagte er nichts und ich dachte schon er würde es auch nicht mehr tun da öffnete er langsam seine perfekten Lippen. "Irgendwann gehen wir von hier weg.", versprach er mit weicher aber klarer Stimme. "Ich werde mit dir gehen, egal wohin Mond. Gib mir dein Ziel an." Ich lächelte als er den Spitznamen 'Mond' benutzte, den er für mich hatte.
"Irgendwo, wo wir alleine sind. Nur wir zwei. Viel Grün. Natur und - das Meer. Aber es soll nicht immer heiß sein." "Island.", es klang schon wie eine beschlossene Sache und ich nickte.
Wieder verloren wir uns in den Augen des jeweils anderen. Minuten lang sagte keiner etwas. Wir waren beieinander. Einfach so. Dann setzte er sich auf, griff sich das Tütchen von seinem Nachttisch und holte die letzten zwei blauen Pillen heraus die er hatte. Eine gab er mir. "Warte.", flüsterte ich. "Komm er." Er beugte sich zu mir. Mit einer Hand fuhr ich über seine Wange. Seine perfekte, gebräunte Haut und mit der anderen legte ich ihm die Pille in den Mund. Sein Grinsen war ebenso perfekt wie der Rest an ihm, als er mir seine Tablette in den Mund legte. "Ich liebe dich.", seine Stimme war leiser geworden, ungewöhnlich sanft was ihn anging."Ich liebe dich auch."
Das Bild, dass ich soeben noch vor Augen hatte zerfloss in seine Farben, Blau, Grau und Grün mischten sich zu einem unbenennbaren Farbton und dann war plötzlich die Realität zurück. Ich stand vor Yves in meinem Wohnzimmer.
"Louna? Bist du okay?" Es waren nur Sekunden gewesen in denen ich weg war. Trotzdem war ich Jahre zurück gesprungen.
"Kommt drauf an...", murmelte ich noch immer Abwesend, verzweifelt hielt ich an dem Erinnerungsfetzen an. "Ich liebe dich.", seine Worte hallten in meinem Kopf wieder. "Ich habe mich nur gerade an etwas erinnert."
"An was?" Yves hatte mich, ohne, dass ich es bemerkt hatte, auf einen Stuhl gedrückt und sich dann neben mich gesetzt. "Louna, rede doch mit mir."
"An ihn. An meinen Tag und meine Liebe."
Ich schaute hinunter auf den Holzboden, starrte ihn an und wünschte er würde sich öffnen und mich verschlucken. Doch das tat er nicht. Dafür passierte etwas anderes. Etwas was ich nie erwartet hätte. Meine Arme lagen verschränkt über meinen Beinen und plötzlich umfasste eine große, warme Hand meine kleine, kalte. Beinahe wäre ich zusammen gezuckt.
Yves nahm meine Hand und drückte sie. Es war die mit der Sichelförmigen Narbe.
"Nein! Nein! Lass mich! Ich will nicht mehr leben! Lass mich los!", kreischte ich. Meine Schreie waren Markerschütternd. Die Tränen fielen von meinem Gesicht auf den gefließten Boden und machten ihn nass. "Lass mich los! NEIN! Bitte! Ich will nicht mehr!"
Ich schrie wie am Spieß, es waren Klageschreie voller seelischem Schmerz. "Bitte!"
Mein Pflegevater schlang seine Arme um mich und hielt mich fest. Ich wand mich in seinem Griff wie ein sterbendes Tier, schnappte nach Luft, weinte, schrie. Blut strömte aus der Wunde an meiner Hand, ich hatte die blauen Pillen verschüttet, sie lagen in einer kleinen Pfütze aus Tränen und verschmierten Blut, in der auch ich saß."Lass mich los! Loslassen!" Doch der Griff wurde nur stärker.
"Louna, was ist passiert?! Was ist mit dir?", er schüttelte mich und schaute dann zu seiner Frau. "Selina ruf einen Krankenwagen! Sie ist verrückt geworden.""Nein! Bitte! Lass mich los! Lass mich. Ich will nicht mehr leben. Bitte.", meine Stimme war kaum mehr ein Schluchzen, unterbrochen von Schreien. Das Messer, mit dem ich mir die Sichelförmige Wunde auf dem Handrücken zugefügt hatte lag nur einen halben Meter von mir entfernt... oder wenn ich genug Pillen erwischen würde... Aber der Griff des Mannes war zu fest.
"Bitte. Ich kann nicht ohne ihn leben. Bitte. Ich will nicht mehr."
Wieder durchzuckte mich eine Erinnerung. Diesmal der schlimmste Moment meines Lebens. Also hatten wir einmal den schönsten und einmal den schlimmsten... Nur drei Tage auseinander. Wer auf Wolke sieben schwebt kann eben auch tief fallen. Und ich bin gefallen. Und hörte nicht auf zu fallen, bis ich am Tiefpunkt war.
Yves schaute mich an. "Ich werde jetzt nach oben gehen, ich bin müde. Wenn du etwas essen willst - fühl dich wie zuhause.", kurz deutete ich zur Küche, dann stand ich auf, entzog meine Hand der seinen und flüchtete regelrecht die Treppen hinauf. Einmal stolperte ich, weil die Tränen die in mir aufstiegen mir schon die Sicht nahmen.
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Ihre Grauen Augen
Ficção AdolescenteLouna Noa Fey. Das außergewöhnlichste Mädchen, dass Dr. Delune je kennengelernt hat. die Traurige und verrückte Geschichte geht weiter als dieser nach Island reist um seine ehemlige Patientin zu besuchen. Eine ungewöhnliche Beziehung zwischen zwei M...