⑬ Grüne Augen

74 14 0
                                    


Ich kam zurück. Irgendwann Mittags. Mir war kalt, ich war hungrig und verwirrt über meine eigenen Gefühle noch dazu. Manchmal war ich eiskalt, aber sagte man die Richtigen Worte konnte man mich leicht aus der Fassung bringen. So wie Yves das konnte. Schon zu oft.

Als ich die Tür aufschloss und hinein ging war es still im Haus. Ich schaute mich um. Die Küche war leer, der Tisch war abgeräumt, die Couch, auf der mein Gast geschlafen hatte, ordentlich. Ich atmete aus als ich seine Reisetasche sah, sie stand auf dem Sessel und war halb geöffnet. Er war also nicht einfach gegangen. 

"Yves?", fragte ich in den leeren Raum, hinein. 
Keine Antwort. 

Zögerlich machte ich noch einen Schritt in das Zimmer. Hier war er nicht. 
Ich ging die Treppe hinauf. Doch auch hier: niemand. 

"Yves?", jetzt etwas lauter. "Hallo?"

"Louna."

Ich hörte meinen Namen leise, gedämpft. Doch er kam nicht aus diesem Stockwerk, auch nicht aus dem darunter. Erschrocken schaute ich die Treppe nach oben - die Treppen, die zum Dachboden führte. 

Nein. Nein! Das durfte nicht sein. Bitte nicht. Warum war er nur dort oben? DORT. 

Mit zittrigen Beinen stieg ich die Stufen hinauf, sie knarrten. Vorsichtig öffnete ich die einzige Tür. Sie glitt auf und zeigte mir den Raum. Die Schrägen Wände, den dunklen Holzboden auf den Licht durch die zwei kleinen, schrägen Fenster fiel. 

Aber vor allem sah ich Leinwände. Große, kleine, schmale, breite, bemalte und wenige unbemalte. Sie lehnten an den Wänden oder lagen auf dem Boden, der dort mit Zeitungspapier ausgelegt war. Auf einem einzigen Stuhl im Raum standen Becher, voll mit Pinseln, Schwämmen und anderen Malutensilien. Daneben eine Kiste, voll mit Farbtuben und Farbeimern. 

In der Mitte des Raumes stand ein Mann. Groß, dunkels Haar, bernsteinfarbene Augen die sich jedes Bild ansahen. Jedes Bild mit dem selben Motiv. Jedes Mal ein Augenpaar. Grüne Augen. Manchmal dunkler, manchmal heller, immer in einer anderen Schattierung. Lange, dunkle Wimpern und manchmal rote Ränder und Augenringe. 

Aber immer die gleichen grünen Augen die mir glatt eine Gänsehaut bescherten. 

Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen doch stattdessen stiegen mir bloß Tränen in die Augen. Kein Ton verließ meine Lippen. Mein Körper hatte keine Kraft dafür. Er zitterte. Noch mehr als sich Yves zu mir umdrehte. 

Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Was waren das für Gefühle?
War er verwirrt, angeekelt, wütend, erschrocken, beängstigt? Keine Ahnung.
Doch ich sah genau, dass er Fragen hatte. 

"Was ist das?", das war seine erste Frage. 

Ich antwortete nicht. Ich konnte nicht. Der Kloß in meiner Hals versperrte den Worten ihren Weg. Ich schlang die Arme um mich und kämpfte mit den Tränen. Ich war noch nie so verletzlich gewesen wie jetzt gerade.

"Warum hast du mir das nicht gezeigt?" Frage Nummer zwei die ich nicht beantworten konnte. Er machte einen Schritt auf mich zu.

"Louna... Was bedeutet das hier?"

Die Tränen brachen aus mir heraus. Ich wimmerte und meine Knie drohten nach zu geben. So viel zu meiner Selbstbeherrschung. Aber nach dem hier... Er hatte mein Innerstes gesehen: auf Leinwand.

Unerwartet umfassten zwei große Hände meine Oberarme, hielten mich aufrecht. "Schsch.", machte Yves leise. Er legte einen Arm unter meine Arme und hob mich mit dem anderen unter den Kniekehlen hoch. Er trug mich. Dankbar legte ich meine Arme um seinen Hals und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter, wo ich einen von Tränen nassen Fleck hinterlassen würde.

Er trug mich die Treppen hinunter, ich hörte seine Schritte im Flur, wie er in mein Zimmer ging. Dann legte er mich in mein Bett. Die Matratze sackte neben mir ein Stück zusammen, er hatte sich gesetzt. 

"Bitte...", brachte ich heraus, zitternd und beschämt. "Bitte..."

"Louna.", er sprach meinen Namen so ruhig aus, so gelassen, dass es mich schon fast wütend machte. "Hör auf zu weinen."

Als hätte er einen Wasserhahn zugedreht flossen keine Tränen mehr. Ich lag seitlich auf meiner Decke und starrte in die Luft. Zu beschämt um Yves in die Augen zu sehen. Mit dem Daumen wischte er mir übers Gesicht. 

"Bitte versuch nicht mich zu verstehen.", flüsterte ich nach ein paar Minuten in denen ich nur da lag und mein Atem sich allmählich beruhigte. "Daran sind schon einige Gescheitert." "Damit wirst du mich nicht vertreiben.", seine Hand fand meine. Seine warm, meine kalt. Seine dunkle Stimme war wie eine warme Decke die er um mich legte. Es war wieder still. Eine Weile lang spielte ich mit seiner Hand. Ich legte meine Fingerspitzen auf seine. Ließ dann meine Finger in seine gleiten, hielt ihn fest. 

Dann zog ich meine Hand zurück. 

"Es ist schön, dass ich meine Verrücktheit offenbaren kann... auch wenn es mir schwer fällt.", ich setzte mich auf und zog die Knie an. "Du wirst anders von mir denken wenn du das gehört hast."

"Glaub mir wenn ich sage, dass ich genauso von dir denken werde wie jetzt."

"Glaub mir wenn ich sage, dass du es nicht wirst."

....

Ihre Grauen Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt