17. Kapitel

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Am nächsten Tag kommt Katja wieder auf den Hof, doch am Vormittag ist sie mit Boxen ausmisten und Pferde zur und von der Koppel bringen beschäftigt. Nach dem Mittagessen kommt sie endlich zu mir und Fritzi in die Scheune. „Also ich würde dich und die Pferde sehr gerne wieder vereinen, aber ich verspreche dir, es wird nicht einfach werden." Ich nicke. „Das habe ich mir schon gedacht". „Um dir zu helfen, musst du mir erzählen, was dich und die Pferde getrennt hat". Ich nicke wieder, es bildet sich ein Kloß in meinem Hals, wenn ich daran denke, was alles passiert ist. „Du musst es mir wirklich erzählen, sonst kann ich dir nicht helfen". Ich schlucke den Kloß mühsam hinunter. „Ich habe ein Pferd von meinem Papa geschenkt bekommen. Einen Friesen. Laetitia. Sie ließ sich eigentlich sehr gut reiten. Sie hat auf kleinste Hilfen reagiert". Ich muss mich zusammenreißen, denn die Erinnerung schmerzt, obwohl ich mich nicht an alles erinnern kann. Katja wartet geduldig, dass ich weiter rede. „Als ich sie das erste Mal hier zu Hause geritten bin, war sie komplett anders, als beim Probereiten. Erst war sie wild und dann hielt sie genau vor einem Sprung an. Ich hatte eigentlich nichts anders gemacht als bei den Sprüngen davor, doch nur ich befand mich auf der anderen Seite des Sprungs". „Nach diesem Unfall hast du die Pferde gemieden?" „Ja". „Du kennst aber schon das Reitersprichwort: Wer vom Pferd fällt sollte sofort wieder aufsteigen, oder?" „Natürlich, es war ja nicht das erste Mal, dass ich gefallen bin. Aber ich schätze, es war einfach zu viel Zeit, die ich im Krankenhaus verbracht habe". „Vielleicht. So wie ich das sehe, ist es wahrscheinlich besser, wenn wir mit Fritzi anfangen zu üben". „Okay". „Ich schlage vor wir bringen Fritzi allein auf eine Koppel, damit du diesen hübschen Kerl wieder lieben lernst". Gesagt getan, allerdings führt Katja Fritzi. Wir setzen uns auf den Zaun und beobachten Fritzi, wie er mit erhobenem Haupt über die Koppel trabt. Ja das ist mein Fritzi. „Jetzt versuch ihn mit einem Apfel zu locken", schlägt Katja vor. „Er wir noch ganz fett bei den ganzen Äpfeln", witzel ich. Mit ausgestrecktem Arm gehe ich langsam auf ihn zu, achte aber darauf mich nicht zu weit vom Zaun zu bewegen. Fritzi sie mich zuerst komisch an, als wollte er sagen: Warum auf einmal so vorsichtig? Doch dann kommt er langsam auf mich zu und nimmt den Apfel. „Jetzt lobe ihn und kraule ihm ein wenig am Kopf", ruft Katja mir zu. Vorsichtig streiche ich seinen Pony ein wenig bei Seite und kraule ihm seine Stirn. Er bleibt bei mir, auch als er den Apfel schon längst aufgefressen hat. Katja kommt zu uns geschlendert. „Er vertraut dir immer noch, jetzt musst du noch lernen ihm zu vertrauen und ihr seid wieder ein perfektes Team". „Klingt eigentlich gar nicht so schwer". „Ist es theoretisch auch nicht, aber Angst ist unberechenbar. Du brauchst viel Mut und Geduld, aber das hier ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und den zweiten wirst du jetzt tun, denn du wirst Fritzi zurück führen". Erneut bildet sich ein Kloß in meinem Hals. „Keine Sorge ich bin bei dir, dir kann nichts passieren". So kam es, dass ich nach Monaten wieder ein Pferd führte. Ich schätze alle freuten sich, doch sie guckten als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen und das ärgerte mich. Erst hatten sie mich alle gedrängt wieder zu reiten und jetzt guckten sie als wäre ich ein Außerirdischer. Mir gefiel diese Aufmerksamkeit nicht. In den nächsten Tagen gingen Katja und ich mit Fritzi spazieren, aber wir achteten darauf uns nicht zu weit vom Hof zu entfernen. Manchmal picknickten wir auf einer Wiese oder sahen Fritzi einfach nur beim Grasen zu. Ich hatte auch Melike gefragt, ob sie mitkommen wolle, aber ich habe das Gefühl, dass sie Katja nicht leiden kann.
„Heute machen wir etwas neues", verkündet Katja und ich weiß, dass jetzt die Zeit gekommen ist, bei der ich Geduld brauche. „Okay", antworte ich. „Wir gehen in die Longier-Halle, denn es wird Zeit, dass du Fritzi wieder sagst, was er machen soll". „Na dann mal los". Auf dem Weg zu Halle erklärt Katja mir, was ich machen soll. „Bis jetzt haben wir noch keine wirkliche Bodenarbeit gemacht, aber das wird sich gleich ändern. Vielleicht hast du schon mal etwas vom Join Up gehört, das ist die Grundlage für alles weitere. Es wird erst mal einfach klingen, aber es braucht Übung. Ich mache es einmal vor, damit du und Fritzi wisst, was ihr machen müsst". Sie geht mit Fritzi in die Mitte des Zirkels und Nimmt ihm den Halfter ab. Danach nimmt sie die Longe und wirft sie nach ihm. Fritzi fängt sofort an zu galoppieren und hält dem größten möglichen Abstand. „Es ist wichtig, dass wir einen Kreis als äußere Begrenzung haben, so kann er sich in keiner Ecke verkriechen. Diese Methode macht man oft bei unzugänglichen Pferden um sie zu zähmen. Das brauchen wir bei Fritzi nicht. Uns geht es darum, dass er uns als Leitperson ansieht", erklärt sie mir. Sie wirft immer weiter mit der Longe nach Fritzi, bald darauf kommen Mama, Papa, Lajos, Tim, Niklas und sogar Melike um zuzusehen. „Guck ihm später in die Augen, denn du weißt das Pferde das nicht mögen", ruft Katja. Dann bleibt sie plötzlich stehen und reißt die Arme hoch, Fritzi ist verwirrt und wechselt die Hand. Nach einiger Zeit will er in den Trab gehen, doch Katja treibt ihn an. „Das war ein erstes Zeichen dafür, dass er sich mir anschließen will. Auch seine Ohren drehen sich immer wieder zu mir. Sobald er seinen Kopf senkt, werde ich stehen bleiben und wir werden sehen was passiert". Tatsächlich senkt er wenige Runden später seinen Kopf und Katja nimmt ihre Arme runter und stellt sich in die Mitte des Zirkels. Mit gesenkten kopf warten sie auf ein Zeichen von Fritzi. Dieser verfällt zuerst in den Trab und geht immer kleiner werdende Kreise um Katja herum, bis er sie schließlich von hinten an stupst. Mein Herz klopft, es hat keine 10 Minuten gedauert! „Jetzt ist es wichtig, dass man keine ruckartigen Bewegungen macht, schau ihm auf keinen Fall in die Augen und lobe ihn! Am besten kraulen wir ihn wieder auf der Stirn, denn das kennt er ja bereits. Wenn ich jetzt ein paar Schritte gehe, sollte er mir folgen, dann haben wir unser Ziel erreicht", sagt Katja. Ich traue meinen Augen kaum, denn Fritzi läuft hinter ihr her wie ein frommes Lämmchen. „So jetzt bist du dran Elena", ruft sie mich. Mir rutscht das Herz in die Hose, ich werde kaum Kontrolle über Fritzi haben. Und was ist, wenn er sich nicht annähernd mir anschließen will? Mit zitternden Knien gehe ich in die Halle. „Du schaffst das", ermutigt Katja mich, „Und denk immer daran dich zuerst groß zu machen! Du bist der Chef und um in Sicherheit zu sein, muss er sich dir anschließen!" Ich atme noch einmal tief durch und dann werfe ich die Longe nach ihm, immer und immer wieder. Ich erkenne wieder dieses Gefühl, eine gewisse Kontrolle über ein Pferd zu haben. Oder es ist einfach nur das Adrenalin. „Lass ihn die Hand wechseln", ruft Katja mir zu. Auch das klappt ohne Probleme. „Er fängt an mit den Ohren zu spielen", bemerkt sie, „Aber lass ihn trotzdem noch ordentlich laufen". Doch nach wenigen Runden, nimmt er auch den Hals runter und ich stelle mich mit dem Blick nach unten in die Mitte der Halle. Das Warten kommt mir wie eine Ewigkeit vor, doch als ich seine weiche Pferdenase an meiner Schulter spüre, setzt mein Herzschlag kurz aus. All die Anspannung fällt von mir ab.

Elena ein Leben für PferdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt