Kapitel 8 - Für diesen Moment

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Josh Sicht
Für mich erschien mein Weiterleben langsam sinnlos. Immer mehr sehnte ich mich nach meinen Schwestern. Keiner hörte mir zu - ich konnte mit niemandem wirklich darüber sprechen. Schon recht nicht, dass ich mich am Liebsten selbst umbringen würde. Doch ich konnte Sam nicht verlassen. Sie war die Einzigste, warum ich noch am Leben war.
Vielleicht bin ich krank, doch immerhin so krank, um Halluzinationen meiner Schwestern zu bekommen und sie sehen zu können.
Doch sie waren nicht nett zu mir. Sie warfen mir an den Kopf, das Hannah noch lebte. So ein Schwachsinn - die Polizei hätte sie längst gefunden und uns Washingtons Bescheid gegeben. Es wäre ein Wunder und eine Erleichterung. Ich werde erst sterben, wenn ich meinen Plan für nächstes Jahr hinter mir habe - erst dann.

Rache musste ausgeübt werden, dann würde ich in Frieden ruhen können. Meine Eltern würden dann zwar um alle Kinder trauern, aber ich hoffte, dass sie mich verstehen konnten.

Heute hatte ich einen Termin bei meinem Psychiater Dr. Hill. Mein Vater fuhr mich heute mal hin. Was für ein Zufall, das er mal Zeit hatte. Am Gebäude angekommen fing ich immer an zu zittern und noch mehr Angst zu bekommen, weil es von außen wie eine Nervenanstalt wirkte. War es wahrscheinlich auch. "Ich dreh kurz die Runde und geh einen Kaffee trinken. Ruf mich an, wenn ich dich abholen soll.", gab mir mein Vater als Abschied.
"Mach dir ein schönes Leben, Vater!", spottete ich. "W...Wie bitte?", fragte mein Vater, als hätte er sich verhört und hob seine Hand hinters Ohr.
"Nichts.", gab ich als knappe Antwort und verschwand daraufhin ins Gebäude.
Ich ging zur Anmeldung und wurde sofort aufgenommen. Der Psychiater begrüßte mich sofort persönlich - für ihn war ich ein ungewöhnlicher Fall - anscheinend.
Als ich das Zimmer von Dr. Hill betrat, kam mir ein großer Schwung Kälte entgegen. Er war richtig kalt dort drin. Ansonsten wirkte es wie immer - modern, dunkel und nicht einladend.
Der Kerl wollte mir mit Sicherheit nicht helfen, er wollte mich übers Ohr hauen. Denn alles was er als Hilfe bezeichnete war für mich wie eine Art Qual oder Folter.
"So...Hallo nochmal, Joshua. Wie ist ihr Befinden heute? Wie geht es Ihnen?"
Da war sie wieder, die Frage, die ich so sehr hasste. "Bestens...kann ich jetzt gehen?", fragte ich ungeduldig und gleichzeitig wütend.
"Bitte, bitte! Du bist gerade erst gekommen.", erinnerte mich Dr. Hill. Ich versuchte nun Ruhe zu bewahren und saß mich still auf den Stuhl, der ihm gegenüber stand.
"Also?", fragte er erneut.
"Sie wissen, wie es mir geht. Es geht mir natürlich schlechter. Mehr kann ich dazu nicht sagen."
"Hast du noch diese - Halluzinationen, von denen du mal gesprochen hattest?", hakte er nach.
"J...ja. Dass ist genau das, was schlimmer geworden war.", wies ich ihn hin.
Er notierte sich unser Gespräch immer in einem kleinen Notizbuch.
Während ich seine Fragen beantworten musste, nickte er nur und stellte mir immer wieder neue Fragen. Mir kamen diese Sitzungen dadurch ewig vor. Mein Handy musste ich draußen abgeben und in Dr. Hills Zimmer gab es keine Uhr, daher konnte ich die Zeit nie wirklich einschätzen. Das machen Sie sicherlich mit Absicht. Das meinte ich vorher mit Folter. "Eine Frage noch...wie oft hatten sie ihre Tabletten bisher vergessen?"
Ich überlegte kurz. "Um die zwei bis drei mal, glaub ich."
"Gut, ich werde dir stärkere verschreiben müssen. Die länger anhalten. Nur für den Fall, wenn du sie mal wieder vergessen solltest."

Als die Sitzung zu Ende war, sind bereits zwei Stunden vergangen. Ich rief meinen Vater an, doch alles was ich erreichte war seine Mailbox.
Ganz toll, Dad! Wo war das Versprechen, dass du mich abholen würdest?
Danach wählte ich die Nummer von Sam.
Sie hob auch nicht ab, plötzlich bekam ich einen kurzen Wutanfall und schrie ganz laut.
"Na, na Josh. Benimm dich!", rief Dr. Hill aus seinem offenen Fenster.
"Sie sind ein Stalker und ein Nichtsnutz, Mr. Hill!!", brüllte ich und rannte in eine Richtung.
Doch ich hatte meine Orientierung schon lange verloren sah mich um, um sie wieder zu erlangen.
Mein Handy klingelte nun. Es war Sam.

'Hey Josh. Du hast bei mir angerufen?'
"Hi Sam, ja ich wollte dich fragen, ob du heute Zeit hast. Wir könnten naja...uns bei mir treffen oder wir fahren wo hin.", schlug ich direkt vor. Sam lachte nur, was mir sehr gefiel im Moment. Mein größter Trost war Lachen.
"Klar. Ich komm dann in so einer halben Stunde rüber, okay?"
"Okay.", strahlte ich, auch wenn sie es nicht sehen konnte.

Ich begann nach Hause zu joggen. Doch irgendwann hubte es hinter mir und es war mein Vater. Ich stieg genervt ein.
"Tut mir wirklich sehr leid, Josh. Ich habe mich mit einem ehemaligen Arbeitskollegen verquatscht. Sorry.", entschuldigte er sich, doch ich bockte wie ein kleines Kind und sah nur aus dem Fenster. Er bekam keine Antwort von mir. Zu Hause angekommen machte ich rasch mein Bett und räumte kurz noch mein Zimmer auf, da klingelte auch schon die Haustür. Das muss Sam sein. Ich grinste und rannte zur Tür. Mein Vater war mal wieder über alle Berge - keiner war daheim.
"Hey Josh.", lächelte sie verlegen und kam herein. "Hi Sammy.", neckte ich sie mit ihrem gehassten Spitznamen.
"Nenn mich nicht so.", schmollte sie und saß sich anschließend auf die Couch im Wohnzimmer. Ich saß mich neben sie.
"Sam...wir müssen reden."
"Ja?"
"Was ist das zwischen uns, also ich meine unsere Beziehung?", fragte ich sie deutlicher.
"Naja...ich versteh es auch nicht ganz. Zuerst bist du so lieb zu mir und dann schnauzt du mich an, weil ich mich um dich sorge, wie es eine feste Freundin vielleicht tut, wenn es ihrem Freund schlecht geht."
Sie meinte den Vorfall auf der Party. Ich fühlte mich nun Mega schlecht.
"Ich...es...es tut mir wirklich schrecklich leid.
Ich wollte dir nicht wehtun. Du machtest dir ja nur Sorgen, ich weiß. Du bist der Grund, warum ich ab und zu lache und warum ich...ich lebe.", stotterte ich.
Sie rückte näher zu mir heran.
"Schon okay, Josh. Ich verzeihe dir doch.", lächelte sie und streichelte meine Schulter.
Ich lag sie behutsam auf die Couch zurück, sodass ich auf ihr war. Behutsam küsste ich sie, bis es zu einem Zungenkuss überging.
Unsere Berührungen wurden intensiver und ich merkte, das Sam entspannter wurde.
Ich nahm sie an der Hand und zog sie in mein Zimmer hoch. Dort machten wir weiter.
An diesem Abend hatten wir unseren ersten Sex.

Es war wunderschön und alles war für diesen einen Moment perfekt.

UNTIL DAWN - The Past Of Josh WashingtonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt