>>Pascal, Pascal, Pascal!<<, feuerte die Menge den Jungen vor mir an, auf den ich meinen Blick gerichtet hatte. Ich war dabei ihn zu besiegen, ich konnte es schaffen! Es waren nur noch ein paar Meter bis zur Ziellinie jedoch auch nur ein paar Zentimeter bis ich den Jungen vor mir überholt hätte.
Ich trieb meine Beine an noch schneller zu laufen. Sie schmertzten schon vor Anstrangung. Mein ganzer Körper war verschwitzt und meine augen tränten. Meine Atmung ging stoßweise, nicht gleichmäßig wie bei einem angenehmen Lauf. Ich ging an meine Grenzen. Jetzt waren wir auf gleicher Höhe. Der Junge warf mir einen kurzen, gehetzten Blick zu uns versuchte seinen Lauf noch zu verschnellern. Doch atmete er ebenfalls schon stoßweise und schaffte es nicht sein Thempo zu erhöhen. Ich auch nicht. Aber wenn wir auf gleicher Höhe blieben hätten wir unentschieden gewonnen und das wäre genauso als hätten wir verloren. Ich musste ihn überholen! Ich durfte nicht verlieren!
Seinen enttäuschten Blick konnte ich schon sehen und dann seine Worte: "Mensch Junge, wozu bist du nur zu gebrauchen?". Ich keuchte auf und biss meine Zähne fest zusammen. Langsam entwickelte ich eine Wut auf meinen Körper. Wieso konnten mich meine Beine nicht schneller tragen? Wieso war ich so schwach? Nur mit Mühe unterdrückte ich einen Schrei.
Dort war die Ziellinie und wir waren immer noch auf einer Höhe. Ich war so furchtbar wütend! So wütend auf meine Beine, so wütend auf den Jungen und so wütend auf mich. Diese Wut sendete eine Kraftwelle durch meinen Körper, die drängte herausgelassen zu werden. Alles krippelte in mir. Wie in Trance streckte ich meine Hände nach dem Jungen aus, dessen Gesicht mittlarweile rot angelaufen war. Ich schubste ihn mit all meiner Kraft zur Seite. Zunächst war der Junge erschrocken, doch schnell erholte er sich wieder und schubste mich zurück. Dies steigerte meine Wut noch einmal. Ich schubste ihn ernaut, diesmal noch stärker und wir fingen an uns auf den letzten Zentimetern zu prügeln. Ich wurde wütender und wütender, schlug immer heftiger zu. Vor Augen hatte ich ihn, wie er durch mich hindurch sah, wie er mich anbrüllte. Ich schlug. Irgendwann wusste ich nicht mehr wo Oben und Unten war, ich war nur noch auf diesen Jungen fixiert, der mir alles versaut hatte, der schuld war. Dieser Lauf war meine einziege Chance von ihm beachtet zu werden, geliebt.
Ich schlug, schlug und schlug bis der Junge blutend auf dem Boden lag und das Gröhlen der Menge wieder meine Ohren erreichte. Verwirrt sah ich mich um. Die anderen Läufer waren nicht mehr zu sehen. Oder doch... Die Enttäuschung ersetzte augenblicklich die Wut. Es war solch ein furchtbares Gefühl! Als wenn jemand meine Füße gepackt hätte und mich herunter zog, als wenn mir jemand in den Bauch geschlagen hätte. Die anderen Läufer waren schon längst über die Ziellinie gelaufen.
Sanitäter rannten auf die Bahn um den bewusstlosen Jungen zu verartzten. Ich war unfähig zu reagieren, war gefangen in meinen Gefühlen: Angst, Enttäuschung, Trauer. Am liebsten hätte ich geweint. Doch ich ermahnte mich: >Bloß nicht weinen! Wenn er sieht, dass du weinst kann er dich noch weniger leiden!<.
Dort schritt er auf mich zu. Mit ernster Mine, fast bösem Blick. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt. Mein Vater. Automatisch wich ich einen schritt zurück, doch er schlug mich nicht. Er starrte einfach böse und enttäuscht auf mich hinab. Und dann sagte er diesen Satz. Diesen einen Satz, der mir das Gefühl gab schlecht zu sein, wertlos und ungeliebt.
>>Mensch Junge, wozu bist du nur zu gebrauchen? Zu nichts.<<

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Kurzgeschichten
Short StoryDa ich immer mal wieder kleine Geschichten schreibe habe ich überlegt sie einfach hier zu veröffentlichen. Die hauptsächlichen Genres sind Fantasy, Historische Romane, Real life (oder so)/Jugendliteratur und Romantik.