Ich sitze auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, die so herrlich nach Holz duftet.Ich sitze hier seit einer Stunde und denke über das Leben nach.Neben mir sitzt eine alte Frau. Ihre Haare sind weiß, ihr Gesicht faltig, ihre Gestalt erschöpft. Wie lange sie wohl schon auf dieser Welt ist? Was hat sie alles erlebt?Ich sehe, wie sie den spielenden Kindern auf der anderen Seite des Weges zusieht. Was sie wohl fühlt? Bestimmt Neid. Neid auf ihre Frische, und auf ihre Freude. Auf das Leben, das sie noch vor sich haben. Älter werden. Reisen. Heiraten. Kinder bekommen. Das beste aus ihrem Leben machen. Bis sie schließlich einmal auf dieser Bank sitzen werden. Alt, faltig und erschöpft. Und sie werden den Kindern beim Spielen zusehen. Und neidisch sein. Ich sitze auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, die im Schatten der großen Bäume steht.Ich sitze hier seit zwei Stunden und denke über das Leben nach.Neben mir sitzt ein Mädchen. Nicht viel älter als ich. Ihre Haut ist blass, fast weiß, die Lippen farblos, das Licht in ihren Augen erloschen. Ihr Kopf ist kahl; sie zittert in einer kühlen Briese.Ich sehe, wie sie den spielenden Kindern auf der anderen Seite des Weges zusieht. Was sie wohl fühlt?Bestimmt Wut. Wut auf die Tage dieser Kinder, die nicht gezählt sind. Auf dieses Leben, das sie nie haben wird. Denn das Leben ist ein Arschloch, das dir immer wieder einen Arschtritt gibt, wann immer du auch glaubst, sicher zu sein. Denn dieses Mädchen war bestimmt einmal sicher. Sie hatte eine Familie, die sie beschützt hat, sie hatte ein Leben, dessen Tage nicht gezählt waren. Doch das Leben hat ihr alles genommen. Und nun sitzt sie auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, deren alte Holzplanken beim Hinsetzten knarrten. Und denkt über das Leben nach. Das Leben, welches sie schon fast aufgegeben hat.Ich sitze auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, auf der schon so viele Menschen saßen.Ich sitze hier seit drei Stunden über denke über das Leben nach.Neben mir sitzt ein Mann. Nicht alt, nicht jung.Kurze Haare, unrasiertes Kinn, müde Augen.Ich sehe, wie er den spielenden Kindern auf der anderen Seite des Weges zusieht. Was er wohl fühlt?Bestimmt Sehnsucht. Sehnsucht auf eine Familie. Auf Ruhe. Keine Arbeit, kein Stress. Doch er lebt im Stress. Denn das Leben geht erbarmungslos weiter, die Zeit verrinnt. Die Uhr tickt, ich höre sie sogar. Tick. Tick. Tick.Ob er sie auch hört? Hört er das stete Ticken? Die Zeit verrinnt, die er doch eigentlich mit seiner Familie verbringen sollte. Er war erfolgreicher Geschäftsmann, was wollte man mehr? Er hatte alles, was er brauchte. Geld. Eine Wohnung. Teure Anzüge und nützliche Kontakte. Doch ihm fehlt die Liebe. Wie viel Zeit bleibt ihm noch, um sie zu finden? Seine Zeit vergeht. Meine Zeit vergeht. Und wir sitzen beide auf dieser alten Bank mitten im Park und denken über das Leben nach.Ich sitze auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, auf der so viele Menschen über das Leben nachgedacht haben.Ich sitze hier seit vier Stunden und denke über das Leben nach.Neben mir sitzt ein kleines Mädchen. Ihre Haare sind zottelig und ungepflegt, ihre Haut schmutzig und mit blauen Flecken übersäht.Ich sehe, wie sie den spielenden Kindern auf der anderen Seite des Weges zusieht. Was sie wohl fühlt?Bestimmt Trauer. Denn sie hat diese unbeschwerte Kindheit nicht. Ungeliebt, ungewollt und völlig alleine auf dieser Welt fragt sie sich, was das Leben für sie noch bringen soll.Ob sie jemals alt wird? Ob sie jemals wieder auf dieser alten Bank mitten im Park sitzen und über das Leben nachdenken wird? Oder wird sie aufgeben. Das Leben ist alles andere als einfach für sie. Denn das Leben ist unfair und egal was sie tut, es wird ihr nie entgegenkommen.Und sie sitzt einfach nur hier und denkt über ein Leben nach, welches ich mir kaum vorstellen kann und will.Ich sitze auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, auf der ich nun schon so lange gesessen und über das Leben nachgedacht habe.Ich sitze hier seit fünf Stunden und denke über das Leben nach.Der Platz neben mir ist leer. Und ich bin es, die den spielenden Kindern auf der anderen Seite des Weges zusieht. Was ich wohl fühle? Ich weiß es nicht. Wut? Trauer? Sehnsucht? Neid? Ja, irgendwie alles auf einmal. Denn es sind diese scheiß Schicksale von völlig Fremden, die mich bedrücken. Wer hat es verdient, nicht geliebt, nicht alt, nicht glücklich, und nie mehr jung zu werden? Ich sehe zu den Kindern und versuche, mich in die alte Frau, den erschöpften Mann, das totkranke Mädchen und das ungeliebte Kind hineinzuversetzten. Ihre Wut, ihren Neid, ihre Sehnsucht und ihre Trauer nachzufühlen. Aber jetzt, wo ich hier sitze, sehe ich etwas anderes. Ich sehe Leben, Liebe, Hoffnung und Mut. Vielleicht war die alte Frau gar nicht neidisch. Sie schwelgte nur in Erinnerung an ihre Kindheit. Und sie war zufrieden mit ihrem Leben, denn sie hatte alles erlebt, hatte geliebt und gelacht. Und sie würde nie diesen Zeiten hinterhertrauern. Denn dazu war sie viel zu weise, viel zu klug. Und bei weitem viel zu glücklich!Und das kranke Mädchen war nicht wütend. Nein, sie war entschlossen. Sie hatte noch nicht aufgegeben, denn sie war eine Kämpferin. Und wie sie so den Kindern zugesehen hatte, verspürte sie den Wunsch, selbst einmal welche zu haben. Und selbst wieder lachen zu können. Und sie würde für diesen Wunsch kämpfen, bis zum Schluss. Denn egal was für ein großes Arschloch das Leben war, sie würde ihm kräftig in den Arsch treten und es auf die richtige Bahn bringen.Der Mann verspürte Sehnsucht, ja. Aber nicht auf etwas, was er nicht hatte. Vielleicht warteten zu Hause seine Kinder. Vielleicht hatte er schon alles, was er wollte. Und ja, er hört die Uhr ticken. Doch mit jeden Tick ist er mehr erfreut, seine Zeit mit den Menschen zu verbringen, die er liebte. Seine Zeit verrinnt, doch er würde das Beste daraus machen. Und er würde sich alle seine Träume erfüllen. Er hatte noch so viel Zeit, genau wie......das kleine Mädchen. Sie hat keine Liebe verspürt. Weil es das Leben nicht wollte. Sie hatte aufgehört zu versuchen, das Leben zu verstehen. Wie auch? Sie war ja noch so jung. Doch auf der anderen Seite des Weges waren ihre Freunde. Denn auch wenn sie nicht die Liebe von ihrer Familie bekam, die sie doch so sehr verdient hatte, so gab es Menschen, die ihr halfen. Man muss das Leben nicht alleine durchstehen. Denn dafür hat man Freunde. Und als sie aufstand, ging sie nicht nach Hause. Sie ging hinüber zu den Kindern, und fühlte sich nicht mehr ganz so allein.Das Leben ist ein Arschloch. So ist es nun mal. Doch ich sitze nun seit fünf Stunden hier auf dieser alten Bank mitten im Park. Die, die das Leben wohl besser kennt als ich.Und ich habe Hoffnung.Hoffnung, weil es so viele Kämpfer um mich herum gibt. Sie geben niemals auf, kämpfen bis zum Schluss.Und das werde ich auch. Ich stehe auf und gehe. Denn das Leben ist viel zu schade, um es auf einer alten Bank mitten im Park zu verbringen.
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Eure Kurzgeschichten - Ein Wettbewerb, in dem alle gewinnen können
Short StoryDauerhaft laufend. Hier werden von euch eingesandte Kurzgeschichten stehen, für die ihr dann bei einer bestimmten Anzahl an Votes von der Lesergemeinschaft Votes von uns erreichen könnt. Doch dies ist auch etwas für all diejenigen, die nur gerne Kur...