In der Stille der Nacht - AweewA

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Ich hasse Weihnachten. Vielleicht hasse ich aber auch nur das Gefühl, das es in mir auslöst. Es sind nicht die genervten Menschen, die sich durch die Straßen quälen, um noch das letzte fehlende Geschenk zu besorgen, oder die übertrieben bunten Lichter und Figuren, die irgendwie gar nicht zu Weihnachten passen wollen, oder die falsche heile Welt, die wir uns gegenseitig vorspielen, sondern die Einsamkeit, die in dieser einen bestimmten Nacht noch viel verheerender auf meiner Seele lastet wie sonst. Dieses Gefühl schlängelt sich unaufhaltsam schmerzend durch meine Eingeweide.

Ich hasse die erhabene Stille in dieser Nacht, wenn die Straßen menschenleer sind, die dicken Schneeflocken, die in Zeitlupe vom pechschwarzen Himmel herunter schweben und sich auf dem Boden niederlassen. Ich hasse das harsche Knirschen, das meine Schuhe im frischen Schnee machen, wenn ich auf der zugeschneiten Straße entlang gehe. Ich hasse das sanfte Licht, das die Laternen auf meinen Weg vor mich werfen. Ich hasse die kalte Luft, die ich tief durch meine angefrorene Nase inhaliere und meine Wangen malträtiert. Ich hasse es alleine zu sein, während in den beleuchteten Häusern um mich, sich die Familien unter dem Weihnachtsbaum versammeln. Ich hasse es, wenn meine heiße Tränen eisig auf meinem Gesicht brennen.

Es treibt mich weiter durch die Stadt, die wie ausgestorben ist. Das Glockenläuten ist schon längst in der Nacht verhallt und nichts füllt das Schweigen, das sich über Straßen legt. Einer Decke gleich, die alles unter sich erstickt und mir den Raum zum Atmen nimmt. Mich erdrückt.

Ziellos. Mutlos. Ohne Hoffnung gehe ich weiter. Weiß nicht wie ich hier hergekommen bin, an den vereisten See im Stadt-Park, der verlassen vor mir liegt. Ich schöpfe Luft und betrachte die kahlen Bäume um mich, die von Frostkristallen bedeckt sind. Die Schneedecke glitzert geheimnisvoll im Licht der Park-Laternen. Der Anblick lässt mich betroffen innehalten und einer Zeit nachtrauern, die mal war, aber nie wieder sein wird. Ich schließe meine Lider, stoße den Rest warme Luft meiner Lungen aus und atme die die stechende Kälte ein, die mich vollkommen zu durchdringen scheint. Meine Augen öffnen sich um nach dem zu suchen, dass die Leere in mir wieder füllen könnte, die mich quält. Ich betrachte die Parkbänke, die um den See platziert sind. Eine nach der anderen. Von winterlichem Weiß eingehüllt, mit Eiszapfen besetzt, sehen alle gleich aus. Bis auf eine. Verwundert stelle ich fest, dass dort jemand sitzt. Einsam, wie ich, zusammengekauert. Ein kleiner Junge. Er trägt eine Mütze und eine dicke Winterjacke in der er sich fast nicht bewegen kann. Sein Kopf ist gesenkt und er schlenkert mit einem Bein, kickt den Schnee zu Seite und bahnt sich eine Schneise.

Ich kann seine Einsamkeit spüren, sein Schmerz, der meinem ähnlich ist. Ich stapfe vorsichtig auf ihn zu. Obwohl er mein Kommen hören muss, hebt er nicht sein Gesicht, um zuschauen wer sich ihm nähert. Ohne ihn um Erlaubnis zu bitten, schiebe ich den Schnee von den Latten der Parkbank und setzte mich neben ihn. Keiner von uns spricht, wir schweigen gemeinsam, aber es ist kein unangenehmes Schweigen, sondern ein ganz natürliches, stilles In-sich-Gehen. Der Schmerz der Einsamkeit klingt ein wenig ab, in mir. Ich höre seine Atemzüge, die mich beruhigen, sein Nasehochziehen und nehme in meinem äußersten Sichtfeld wahr, wie er sich mit seinen kleinen, behandschuhten Kinderhänden über die rot-gefrorene Wange wischt. Ich sage nichts und starre lediglich auf den vereisten See vor mir.

„Warum bist du hier?“, fragt mich der kleine Junge mit heißerer Stimme. Ich wende meinen Kopf zu ihm und bewundere seine großen Kulleraugen, deren Blau noch rein und strahlend ist. Ein gelber Kranz ist deutlich um das Schwarz seiner Pupille auszumachen. Seine kleine Knubbelnase läuft und ich muss den Reflex widerstehen, sie im mit dem Taschentuch aus meiner Manteltasche abzuwischen. Seine bläulichen Lippen sind voll und hinter ihnen schimmert das schöne Weiß seiner Milchzähne. Ich schätze den Jungen auf sechs Jahre.

„Weil es keinen anderen Ort gibt, an dem ich sein will?“, antworte ich ehrlich.

Seine Augenbrauen schieben sich zusammen, fast wie ein Vorwurf tönt es mir entgegen. „Hast du kein Zuhause? Keine Kinder, die auf dich warten?“

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