Im Keller des Backsteingebäudes finden wir schließlich die heißersehnte Bar, von der Rosas Freundin so geschwärmt hat. Ich muss mir das Tuch vor die Nase halten, als uns der Qualm der Zigaretten umgibt, um nicht vor Ekel zu husten und um heimlich ein wenig Lipgloss abzuwischen, welches meine Lippen verklebt und jegliche Haare einfängt.
"Mag nicht der beste Schuppen in London sein, aber er ist gut, um sich kennenzulernen. Und der Weißwein ist einfach nur himmlisch!" Daisys dunkelblaues Kleid mit den weißen Punkten tanzt zu ihren schnellen Schritten, während sie uns zu einem Tisch in der hintersten Ecke führt. Ich bewundere die Steinwände, die mit Fackeln bestückt sind. Obwohl mir unwohl sein sollte, fühle ich mich aus irgendeinem Grund sehr wohl.
"Ganz schön heiß hier.", stelle ich fest, bevor ich meinen Cardigan loswerde.
"Wow! Ich liebe deine Bluse!" Daisys blaue Augen funkeln. "Woher hast du die?"
"D-Danke -"
"Ich habe sie ihr gekauft.", führt Rosa meinen Satz fort. Ich nicke.
"Dein Geschmack ist wirklich unübertrefflich, Darling." Nun strahlen ihre begeisterten Augen Rosa an, die ihre Hand auf den Tisch gelegt hat und mich unsicher mustert. Dann legt sie sie auf Rosas. Ihr erschrockener Blick verrät ihre Unsicherheit.
"Du bist also die Freundin?", frage ich vorsichtig, aber mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Mhm.", antwortet Daisy mit einem Grinsen, welches von Rosa zögernd erwidert wird. "Wollen wir uns nun endlich einen Weißwein bestellen?", fragt sie schließlich ungeduldig.
"Ich bevorzuge einen Rotwein. Wie sieht's mit dir aus, Birdie?" Nein. Nie wieder. Der Geschmack eines Rotweins würde mich an den Schmerz erinnern. Auf gar keinen Fall werde ich jemals wieder eine Flasche Rotwein mit dem Mund berühren. Egal, ob 13.000 oder 10 Pfund teuer.
"I-Ich schließe mich Daisy an.", antworte ich und schaue mir die Bilder der Tischkarten an.
"Die gefällt mir!" Rosa wirft ihrer Freundin einen genervten Blick zu.
"Und ich dache, ich müsste mir Sorgen machen, dass du eifersüchtig wirst.", lacht sie. "Naja, ihr wisst, was ich möchte. Ich such' mal die Toilette auf.", fährt sie fort und lässt mich mit Daisy alleine zurück.
Während mein Blick durch die Bar wandert, sehe ich einen Mann am Tresen sitzen. Die Lederjacke umschlingt die breiten Schultern, wie eine zweite Haut. Neben ihm befindet sich eine kleine Frau mit hochgestecktem Haar und tötlichen Highheels an den Füßen. Ich kann es mir immer noch nicht erklären, wie man auf diesen Teilen laufen soll. Wahrscheinlich könnte ich nicht einmal auf ihnen sitzen. Sie scheinen sich nahe zu stehen. Die Frau hat ihre Hand auf seinem Unterarm platziert, der reglos auf dem Tresen liegt. Sie kommt mir verdächtig bekannt vor. Ich bin mir sicher, dass ich wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind. Doch bevor ich ihr einen Namen zuordnen kann, stellt sich mir ein junger Kellner in den Weg. Meine Augen folgen eng zugeknöpftem, weißen Hemd bis zu der schwarzen Fliege. Diese Eleganz passt meiner Meinung nach nicht zu diesem Schuppen. Mit einem freundlichen Grinsen schaut er zu mir herab und mir wird ganz plötzlich wieder unwohl. Ich gehöre hier nicht her, denke ich und suche mit meinem Blick verzweifelt nach Rosa, die jedoch noch nicht von den Toiletten wiedergekommen ist.
"Sie wünschen?" Die Stimme ist rau und uneben. Der Junge wird nicht jünger und nicht älter als achtzehn Jahre alt sein. Es ist wahrscheinlich ein Aushilfsjob, damit er sich sein teuers Studium bezahlen kann.
"Wir hätten gerne eine Flasche Rotwein, Château, bitte. Und eine Flasche Weißwein, unzwar The Ned, wie üblich." Ich habe total vergessen, dass Daisy noch mit am Tisch sitzt, so sehr war ich am Grübeln, wer diese Frau sein mag. Der Junge nickt eiffrig und schreibt die Bestellung auf einen kleinen Block. Mein Blick senkt sich wieder. Es ist verdammt peinlich, in einer Welt zu leben, wo man so ziemlich die Einzige ist, die in meinem Alter nicht Lesen und Schreiben kann. Immerhin kann ich dank Rosa mittlerweile meinen Namen und einige Wörter schreiben und buchstabieren, aber einen Job wie den des Jungen, den könnte ich nicht einmal in meinen Täumen ausführen.
"Wie viele Gläser wünschen Sie?" Im pollierten, glänzenden Leder seiner Schuhe, betrachte ich mein zusammenzuckendes Ich und nehme die kochende Hitze meiner Wangen wahr. Warum ist es bloß so peinlich?
Nachdem uns Daisy drei Gläser bestellt hat, verschwindet der Kellner von der Bildfläche und jemand anderes leistet uns überraschend Gesellschaft. Es ist die Frau vom Tresen, und hinter ihr türmt sich der breite, muskelbepackte Mann auf. Ihr zorniger, wüterfüllter Gesichtsausdruck jagt mir einen Schrecken ein, den ich jedoch hinter einem netten Lächeln zu verbergen versuche.
"Nun. Ist also doch noch etwas aus Ihnen geworden? Ballerinas vonChloé -- nicht schlecht!" Die hochgezogene Augenbraue ist löst viele kleine Fältchen auf ihrer gebräunten Stirn aus. Das Solarium ist wohl ihr bester Freund und Helfer. "Dann können Sie mir doch sicherlich Chaplin's Decke wiederbringen. Ich kann es nicht glauben, dass meine Tochter sie Ihnen einfach so gegeben hat, owbohl ich es ihr ausdrücklich verboten hatte." Ich wusste es doch. Es ist Jamies Mutter -- Die Eisdielenbesitzerin. Ich hatte gehofft, dass ich sie nie wieder sehen müsste. Aber bekanntlich geht nicht jeder Wunsch in Erfüllung. Das Tier im Hintergrund, welches symbolisch mit seinen Zähnen fletscht, steht ihr treu beiseite. Aber in Wirklichkeit ist der Typ auch nur ein weiteres Schoßhündchen, das auf ihre Befehle hören soll.
"Diese verdammten Wasserspender! Ich habe die schon immer verachtet --" Plötzlich taucht Rosa wieder an unserem Tisch auf. "Gibt es ein Problem?", fragt sie und lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf sich. Rosas besorgter Blick verändert sich zu einem überraschten Lächeln. "Juleya?" Daisy und ich sehen uns verwirrt an.
"Rosa? Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen!"
Ich kann meinen Ohren nicht trauen. Das hier sollte als eine Ablenkung dienen, warum befinden wir uns also nun mitten in der Hölle?
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Million Dollars Between Us (Damien & Birdie - Trilogie #1)
RomanceBand 01 der „Damien & Birdie"- Trilogie (Wattpad Version) Birdie ist obdachlos. Seit sie denken kann, wohnt sie auf der Straße. Als Birdie also - wie jedes Jahr - im Winter mit ihren wenigen Sachen in die belebte Oxford Street umzieht, erhof...