Der Vorlesungsraum fühlte sich durch die ewig dröhnenden Heizkörper schwül an und war viel zu voll. Heather wunderte sich, woher die vielen Studenten kamen. Das ganze Semester über war es doch nicht so voll gewesen.
Zu ihrer Rechten kritzelte Bianca irgendwelche kleinen Zeichnungen in ihre Notizen. Heather warf einen Blick über die Schulte und entdeckte Cara einige Plätze weiter hinten. Heute Morgen erschien sie kurz vor knapp, warum wusste sie auch nicht. Doch sie sah ziemlich fertig aus. Hatte das etwas mit dem gestrigen Abend zu tun? Die beiden jungen Frauen hatten sich nicht sonderlich lange bei Milan und Jade aufgehalten. Heather fragte sich immer noch, was Milan damit überhaupt bezwecken wollte, wenn er sich nicht einmal mit ihnen unterhalten hatte. Und von Jade brauchte sie gar nicht erst anfangen. Aus ihm ein Wort zu bekommen, grenzte an die Unmöglichkeit.
„Im Alten Ägypten gab es bereits viele medizinische und sogar chirurgische Praktiken, dennoch glaubten die Menschen damals an den Schutz und die Kraft der Amulette«, führte der Dozent, dessen Namen Heather einfach nicht behalten konnte, seine Vorlesung fort. „Die Beschwörungen von Magiern waren ebenso anerkannt. In der Medizin besaßen sie, den Mumifizierungen nach zu urteilen, Fähigkeiten, die es erlaubten, Brüche zu richten und Amputationen vorzunehmen. Alles in allem wirklich bemerkenswert, was die Menschen zu dieser Zeit schon für Kenntnisse besaßen«, sein Blick huschte über die Uhr, die oben neben der Tür hing. „Zum Schluss muss ich noch eine Ankündigung machen. Da das Semester sich seinem Ende zuneigt, steht der alljährliche Winterball an. Ich bitte Sie alle, daran teilzunehmen und das in ihrer besten Kleidung. Außer den Studenten und Dozenten werden zudem noch einige Wissenschaftler sowie angesehene Historiker der Eröffnungsrede beiwohnen. Sie können also einige Kontakte knüpfen, daher ist ihr gehobenes Benehmen gefragt. Das wäre alles. Wir sehen uns in zwei Tagen.«
Der Raum leerte sich schnell, wie ein Fluss strömten die Leute an ihr vorbei. Ein Ball, überlegte Heather. Für sie war das nichts Besonderes mehr, ihre Familie besuchte solche Veranstaltungen oft und jedes Mal musste sie sich mit der gehobenen Schicht unterhalten. Über Wirtschaft, Politik und irgendwelche Innovationen in der Forschung. Eigentlich interessierte sie sich für Letztere, doch mit eingesessenen Fachleuten zu diskutieren, die ohnehin nur auf ihrer Meinung beharren, erschien ihr sinnlos.
»Ein Ball!«, schwärmte Bianca auf dem Weg zur Mensa. »Ich kann es gar nicht erwarten. Hast du schon ein Kleid? Sollen wir zusammen shoppen gehen?«
»Um ehrlich zu sein, habe ich bereits ein Kleid«, entgegnete Heather. »Meine Mutter hat es mir vor zwei Tagen zukommen lassen, weil sie von dem Ball wusste.«
»Wow«, staunte Bianca mit glitzernden Augen. »Deine Mutter ist echt gut informiert. Na ja, dann werde ich mich allein in die Läden stürzen. Am besten ziehe ich gleich los, sonst schnappen mir die anderen noch die guten Teile weg.«
Bevor Heather etwas erwidern konnte, verfiel Bianca auch schon in einen Sprint in Richtung Eingangstor. Verdutzt schaute Heather ihr nach, entschied sich dann aber mit knurrendem Magen, etwas zu essen. Das Mensaessen gestaltete sich besser, als sie je erwartet hätte. Hier konnte man ohne Probleme leben und sich sattessen.
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Gottessplitter
ParanormalEin Forschungsinstitut, das kein Student betreten darf, thront wie ein Mahnmal mitten auf dem Gelände der Freyer Akademie. Zwei Studentinnen, die unterschiedlicher nicht sein können und nur zu gerne die Geheimnisse des Instituts ergründen wollen. Di...