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Lukas ist sehr warm, als er sich an Daniel klammert. Hört dessen Atmung. Wie sie schneller wird und leiser.

Lukas' Hand krallt sich in den Stoff von Daniels Oberteil, seine Hand ist mal wieder zwischen ihm und seinem Freund eingequetscht. Er versucht es sich bequemer zu machen und stößt mit seiner Hand an Daniels Kopfkissen.

Oder besser gesagt: Das sein Kopfkissen darstellen soll.

„Ist das mein Pullover?", lacht Lukas und hebt den Kopf leicht an.

Daniel wird rot in der Dunkelheit. „Vielleicht."

„Nur vielleicht? Für mich scheint das eindeutig...", grinst Lukas frech.

„Ja, es ist deiner. Gib Ruhe. Immerhin trägst du ja auch meine Jacke."

„Und ich schlafe mit dir", sagt Lukas wieder beiläufig und legt seinen Kopf zurück.

„Sag das nicht so, Lukas..."

„Wieso nicht?" Er dreht sich zu Daniel.

„Das hört sich anzüglich an", antwortet Daniel knirschend.

„Anzüglich", murmelt Lukas. „Vielleicht will ich das ja sein."

„Willst du nicht", sagt Daniel stockend und starrt an die Decke.

Die Luft im Zelt ist auf einmal viel zu heiß, Lukas ist so nah und alles woran Daniel denken kann, ist wegzulaufen.

„Nein, will ich nicht."

Daniel kann nicht wirklich erklären wie Lukas es sagt, aber es klingt weit entfernt, leise und genuschelt.

Er hört ein Rascheln neben sich und merkt, dass Lukas den Reißverschluss des Schlafsackes wieder öffnet.

„Was machst du da?"

„Zurück gehen."

„Warte... Wieso?", runzelt Daniel die Stirn und richtet sich auf.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du..." Lukas mustert Daniel mit offenem Mund. Seine Lippen angespannt, als wolle er jeden Augenblick etwas wichtiges sagen. „Dass wir... Also..." Er stottert und schaut kurz weg.

Zum Zelteingang. Lukas muss zum Zelteingang und schnell weg hier.

„Daniel, ich glaube, dass wir beide..." Wieder bricht Lukas ab und seine Augen zucken wild in der matten Dunkelheit umher. Er hört draußen das ausgehende Feuer, ein paar Insekten und der Wind, der durch die Bäume streift.

Und irgendwann Daniels zarte Stimme. „Dass was, Lukas?"

Lukas beginnt zu schwitzen, als er realisiert woran er denkt. Er hat Angst. Schreckliche Angst und ihm ist aus zwei Gründen zum Weinen zu Mute.

Denn er mag Daniel.

Nicht nur mögen als Freund, sondern mögen. So richtiges Mögen. So mögen, wie er Anna nie mochte.

Und das schmerzt. Das zu Wissen schmerzt. Dass er sich tatsächlich in einen Jungen verliebt hat.

Was heißt schon verliebt. Aber Lukas weiß, dass er näher bei Daniel sein will. Und das rund um die Uhr.

Er weiß, dass er mit ihm im Schlafsack oder im Bett liegen will, dass er ihn berühren will und dass er nur ihn sieht. Nur Daniel.

Und das zu wissen bringt diese zwei so unterschiedlichen Gefühle mit sich.

Selbsthass und Erleichterung.

Denn er darf Daniel nicht mögen, aber er will es und es fühlt sich irgendwie wie der Schlüssel zu all seinen Problemen an.

„Lukas?"

Daniel sieht, dass Lukas' Schultern anfangen zu zucken und wie er sich bewegen will, es aber nicht kann.

Lukas muss gehen. Er muss unbedingt gehen.

Aber er will nicht. Er will bei Daniel bleiben. Bei ihm sein und ihn... küssen.

Lukas zuckt bei diesen unheilvollen Gedanken zusammen.

Die Gesetze wurden erst letztes Jahr erneuert, verschärft.

Homosexualität ist strafbar. Man landet nicht nur im Gefängnis dafür, sondern muss umerzogen werden. In einem dieser Lager.

Und wenn er - der Mann allen Übels - weiterhin regiert, wird das Ganze in einer Todesstrafe enden.

Daniel deckt sich auf und krabbelt zu Lukas, welcher immer noch auf den zu gezogenen Reißverschluss sieht und zittert. „Hey", murmelt Daniel und fasst Lukas an der Schulter.

Dieser will weg ziehen, doch seine Muskeln sind wie gelähmt.

Er kann nichts tun und nichts sagen.

„Was hast du auf einmal?"

Daniel sieht die glitzernden Tränen in Lukas' Augen, er sieht die zitternden Hände seines Freundes, die sich in den Stoff seiner Hose krallen, als wollten sie etwas wehtun.

Daniel nimmt seine Hand von Lukas' Schulter und sitzt nur stumm neben ihm. Wartet darauf, dass Lukas etwas von sich aus sagt oder einfach anfängt bitterlich zu weinen.

Doch er tut weder das Eine noch das Andere.

Bis: „D-Daniel?"

„Hm?", fragt Daniel und wendet seinen Blick nicht von den Schatten ab, die er hinter dem Zelteingang erkennt.

„Ich habe, glaube ich, Scheiße im Hirn."

Daniel muss loslachen. Er weiß, dass er das vielleicht nicht sollte, wo er doch weiß, wie Lukas gerade aussieht. Aber dieser Satz bricht nicht nur das Schweigen sondern auch den Ernst der Lage.

„Scheiße? Ich hoffe nur, die Farbe quellt nicht aus deinem Mund", kichert Daniel.

Lukas runzelt die Stirn und blickt fragend zu ihm. „Was meinst du?"

„Lukas, Scheiße ist braun."

„Ach so." Lukas grinst leicht. „Nein, das meine ich nicht."

„Was dann?" Daniel kriegt sich wieder ein und rückt ein Stückchen näher.

„Ich glaube..." Lukas schaut auf Daniels Lippen, dann auf seine Nase und dann in seine Augen. „Ich glaube, dass ich nicht richtig denken kann."

„Du bist nicht dumm, Lukas", rollt Daniel mit den Augen. Er weiß, welche Selbstzweifel Lukas plagen, aber die Wahrheit ist, dass Lukas' Eltern ihn nie fördern oder fordern konnten und dass Lukas niemand für die Schule ist, weil er zu viel Energie hat.

„Nein... Ich..." Er schluckt hörbar und Daniel grinst.

Lukas ist ihm zu nah und er weiß, dass Jungs sich nicht auf diese Weise nah sein sollten.

Aber er will es.

Und er will Lukas noch viel näher sein.

Lukas packt Daniels Hand in seine und streicht zittrig über den Daumen. Irgendwann landen Daniels Finger zwischen denen von Lukas.

Die beiden starren einen kurzen, schweigenden Augenblick auf ihre Hände und Lukas hört, wie Daniels Atmung lauter wird und... aufgeregter.

„Daniel, würdest du mich schlagen, wenn ich dich... küsse?"

**** 

Das hier ist bis jetzt mein Lieblingskapitel. c: Welches ist eures?

Wie wird Daniel antworten? :D

(Ich habe zurzeit ein Q&A in meinem Buch "How To Come To Terms With Yourself" offen, also wenn ihr Fragen habt (an mich duh) dann schickt sie mir da oder als Privatnachricht, wenn ihr später im Antworten-Kapitel anonym bleiben wollt...)

Nachts, wenn ich nicht dran denken muss | boyxboy  ✔️ #WattpadOscars2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt