2038: Wenn Die Welt Untergeht

Kapitel 5

Maria wartete angespannt vor der Haustür ihres ehemaligen Universitätsprofessor. Sie hatte bereits geklingelt. Nervös sah sie sich um, in der Hoffnung ihre Verfolger im blauen Volkswagen abgeschüttelt zu haben.  Sie konnte sie nicht entdecken. Sie war heute absichtlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren, denn obwohl diese Kamera überwacht waren, viel der NS die Verfolgung schwerer.
"Kommen Sie schnell rein", flüsterte Dr. Ebner als er die Türe öffnete. Auch er ließ aufmerksam die Augen schweifen, doch der blau Volkswagen war nicht da.
Maria huschte in das große Haus und Dr. Ebner verschloss die Tür hinter ihnen.
"Glauben Sie, die NS schöpft Verdacht?", wollte Maria unsicher wissen.
"Ich weiß es nicht. Ihre E-Mail war tatsächlich sehr unauffällig formuliert. Der eigentliche Inhalt ist sehr glaubhaft. Wir können nur hoffen, dass die NS nicht zwischen den Zeilen gelesen hat."
"Sind Sie auch beschattet worden?"
"Anfangs. Ich glaube sie hatten später wichtigere Opfer als mich. In meiner Familie gab es niemanden der auffällig geworden ist, und auch ich habe mich sehr gut an diese groteske Gesellschaft angepasst. Fräulein Schweiger, ich halte sogar Vorlesungen an der Universität über das perfekte Regime von HCS. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so weit sinken könnte", erklärte Dr. Ebner, den Blick beschämt zu Boden gerichtet.
Maria sah ihren ehemaligen Professor mitleidig an: "Schämen Sie sich nicht, auch ich war bis jetzt untätig."
"Untätigkeit macht uns zum Mittäter", stellte der ältere Mann fest.
Maria nickte, sie war der gleichen Meinung und es war an der Zeit den Mittäter abzulegen und den Widerstand zu entfachen.

"Herr Dr. Ebner, können Sie mir helfen? Haben Sie noch kritische Literatur oder Dokumentation über den zweiten Weltkrieg? Oder über den Widerstand im zweiten Weltkrieg?", fragte Maria flehend.
"Nein, es tut mir leid Fräulein Schweiger. Wie gesagt, ich habe mich an dieses System angepasst um mein Leben zu retten. Als die NS kam um alle Bücher und Datenträger einzusammeln, auf denen sich kritisches Material befand, gab ich dieses bereitwillig her. All meine Schätze wurden von den Flammen der Bücherverbrennungen gefressen. Öden von Horvath, Christian Hartmann, Anne Frank. Sie alle sind weg", der Doktor schein verzweifelt, die Schuld zerfraß ihn von Innen.
"Was können Sie mir erzählen? Über den zweiten Weltkrieg, wie auch über HCS und seinen Werdegang? Ich weiß, dass 2025 Österreich aus der EU ausgetreten ist, aber ich weiß keine Hintergründe, ich weiß nicht wie HCS so mächtig wurde. Ich bin erst 23, ich war damals noch ein Kind."
"Sie sind noch so jung, mein Kind. Sie sollten sich nicht opfern."
"Ich werde mich nicht opfern. Ich werde HCS und sein Terrorregime zerstören und falls ich dabei sterben sollte, sterbe ich zumindest mit dem Wissen das Richtige getan zu haben. Ich werde nicht aufgeben und stagnieren, aber ich brauche Ihre Hilfe dazu!"

Der alte Geschichtsprofessor sah sie durch seine Brille an, seine Augen begannen zu glitzern: "Sie haben recht. Ich werde Ihnen helfen."
"Okay. Was wissen sie über HCS und seinen Werdegang?"
"Hans-Christoph Schönberger wurde am 12. Juni 1969 in Wien geboren, seine Schulzeit verbrachte er in einem Internat und machte später eine Ausbildung zum Zahntechniker. Mit fünfzehn wurde er Mitglied der rechtsextremen Schülerverbindung 'Wiener pennale Burschenschaft Vandalia'. Durch diese Burschenschaft vertiefte sich sein Kontakt zur rechten Szene, immer öfter wurde er in Gesellschaft von bekannten Neonazis gesehen. 1991 wurde er Mitglied der FPÖ und 2005 wurde er schließlich Bundesparteiobmann. Die FPÖ war bis dato keine starke Partei, doch unter seiner Leitung und vor allem durch die Flüchtlingskrise ab 2015 stieg die Partei zur Nummer eins auf. Andere Politiker und Journalisten beteuerten immer seinen Kontakt zur rechtsextremen Szene, aber die Bevölkerung hatte Angst vor dem Unbekannten. Dies war sein Trumpf. Ich kann mich noch erinnern. Damals gab es etwas namens Facebook, eine internationale Socialmedia Seite, ähnlich wie reichsmenschen.at heute, nur dass diese Seite nicht der Zensur untergestellt war. Damals verfolgte ich HCS akribisch, aber nicht weil ich seine Politik bewunderte oder gar gut hieß, sondern weil mich die Kommentare faszinierten. Der rechte Mob traf sich auf seiner Seite um zu hetzen. Schon damals wurde oft über Aussagen wie 'gehören alle erschossen' hinweg gesehen. Man nahm das Problem einfach nicht ernst genug. Ebenso spannend war, dass er bereits 2016 eine gewaltige deutsche Anhängerschaft hatte. 'So einen Politiker brauchen wir auch hier in Deutschland. Weg mit dieser scheiß Merkel' waren Meldungen die man täglich in den Kommentaren zu seinen Posts lesen konnte. Wären wir nur schon damals aufmerksamer und strenger gewesen. Als sich die ersten Hitlergrüße auf der Straße tummelten, meinten die Menschen noch es wäre nur diese kleine Gruppe Neonazis... Wie falsch wir gelegen sind."
Eifrig notierte Maria jedes Wort mit. Sie wollte nichts verpassen, alles könnte für ihr Vorhaben hilfreich sein.
"Wie dem auch sei, im Jahr 2023 wurde erstmals ein blauer Kandidat zum Bundespräsidenten gewählt. Zwei Jahre darauf gewann Schönberger die Wahl zum Bundeskanzler mit einer absoluten Mehrheit. Diese Doppelführung der FPÖ hatte zur Folge, dass HCS und der damalige Bundespräsident den Austritt aus der Eurozone und der Wirtschaftsunion veranlasst hatten. Der Schilling wurde wieder eingeführt und durch wirtschaftliche Bündnisse mit den Balkanstaaten, dem Asiatischen Raum und vor allem Russland, gelang es der blauen Regierung tatsächlich den wirtschaftlichen Ruin Österreichs zu verhindern. 2027 änderte die Regierung die Verfassung und die Gesetzte bezüglich den Menschenrechten wurde lockerer, vor allem gegen Menschen mit Migrationshintergrund wurde gehetzt und diese wurden in ihren Rechten sehr stark beschnitten."

"Warum hat damals keiner etwas unternommen? Spätestens bei der Verfassungsänderung hätte man reagieren müssen", wollte Maria wissen.
"Oh damals gab es Widerstand, doch die Opposition und die Aufsässigen wurden einfach weggesperrt. Irgendeinen Anklagepunkt fand man immer und der Bundesgerichtshof war ebenfalls unter blauer Führung. Die Medien berichteten in dieser Zeit nicht viel über die Opposition und was mit den Gegner HCS passierte. Es wurde über Deutschland berichtet und darüber wie laut die Schreie eines Anschlusses wurden. Die rechte Szene in Deutschland nahm ein enormes Ausmaß an und Petitionen und Volksbegehren wurden unterschrieben. Deutschland wollte das 3. Reich zurück und HCS war nicht abgeneigt. Das deutsche Stammvolk sollte zusammengehören und ein großes Reich bilden, so wäre es vorgesehen, sagte er einmal in einem Interview. Ebenfalls wurde über Flüchtlinge berichtet die Österreich verlassen wollten. Bis zum Anschluss 2033 wurden die Grenzen zwar genaustens überwacht und jede Stelle des Zaunes wurde patrouilliert, doch Menschen mit Migrationshintergrund wurden gerne durchgelassen um zu verschwinden. Ab dem Anschluss Deutschlands endete dies abrupt, man fand andere Möglichkeiten die Flüchtlinge zu verwerten. Die Flucht schafften nur die, die die Situation früh genug erkannten."
"Wie viele waren das?", fragte Maria.
"Nicht viele. Sie waren doch erst in den letzten Jahren gekommen, hatten sich endlich eine neue Heimat aufgebaut und schon sollten sie wieder flüchten? Nein, nicht viele erkannten die Situation. Die meisten dachten es wäre nur eine Phase und würde sich legen. Leider legte sich die Phase nicht. 2035 kam es schließlich zum Massenwiderstand, doch die NS schlug ihn einfach nieder, aber das werden Sie vermutlich schon wissen."
Maria nickte gesenkt.
Dr. Ebner betrachtete sie lange und sagte schließlich: "Sie haben jemanden in diesen Aufständen verloren, oder? Deshalb werden Sie auch so genau überwacht."
"Ja, meine Eltern."
"Das tut mir leid. Auf jeden Fall verschlechterte sich die Situation in den folgenden Jahren dramatisch. Ob Sklaverei oder Hinrichtungen von 2035 bis heute verschlechterte sich die Situation so sehr, dass die anderen Staaten, vor allem jene, die noch immer demokratisch geführt werden, nicht mehr wegsehen konnten. Und wie Sie wissen, erhielten wir Anfang dieses Jahres die Kriegserklärung und befinden uns momentan im 3. Weltkrieg", endete Dr. Ebner mit seiner Anekdote. Maria saß ihm sprachlos gegenüber, den Stift noch immer umklammert.

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