Patrick saß in seiner Dienstkammer und wartete auf seinen Partner. Das Zimmer war klein und karg eingerichtet. Es gab zwei simple Schreibtische, zwei schmale Kästen für die verschiedenen Uniformen und das bisschen Zivilkleidung, dass Patrick besaß, zwei schmale Betten mit perfekt gemachten Lacken und zwei hauchdünne Ultrabooks für dienstliche Angelegenheiten. Patrick saß in Zivilkleidung auf dem Bett und sah ungeduldig auf seine Armbanduhr. Kurt, sein Partner, hatte wie üblich Verspätung. Es war ihr freier Tag und sie haben beschlossen den Wiener Prater zu besuchen. NS Beamte waren die Helden der Gesellschaft, zugegeben einer Gesellschaft die Patrick verabscheute, doch als "Held" bekam man einiges geschenkt. Patrick nahm diese Begünstigungen gerne an, denn immerhin tat er niemanden weh damit. Er sah einen gratis Pratereintritt gerne als Entschädigung für sein auslaugendes Leben und seine ständige Schauspielerei.
Gelangweilt holte Patrick sein Smartphone aus seiner Hosentasche und entsperrte den Screen mit seinem Fingerprint. Er öffnete die reichsmenschen.at App und scrollte geistesabwesend zwischen den Beiträgen herum. Sein Newsfeed war gespickt mit idyllischen Landschaftsfotos gepostet von "Freunden" auf Heimaturlaub, mit pseudowissenschaftlichen Artikeln über rassenabhängige IQ Werte und mit Posts von ehemaligen Kameraden aus der Ausbildung. Auch Klaus, der nach Berlin versetzt wurde, hat etwas gepostet: ein Foto von sich vor dem
"Adolf-Hitler-Platz" (der ehemals Theodor-Heuss-Platz hieß), dazu ein rassistisches Zitat und Emoticons. Angewidert starrte Patrick den Beitrag an und brauchte seine ganze Überwindung als er einen fröhlichen Smiley dazu kommentierte.
Er wollte das Handy bereits weglegen, als ihm Maria Schweiger in den Sinn kam. Karl und Patrick beschatteten die junge Frau nun schon länger, obwohl es in den letzten Tagen ruhig um sie geworden war. Anscheinend war sie im Krankenstand, zumindest laut ihrer medizinischen Akte und sie verließ ihr Haus lediglich um Einzukaufen, daher gab es momemtan nicht viel zu beschatten. Patrick war sich sicher, dass Maria nicht krank war. Er wusste sie waren Gleichgesinnte und dass sie etwas Großes plante. Sie war in Patricks Alter und er konnte nicht abstreiten, dass er sie durchaus attraktiv fand, obwohl er sie fast ausschließlich aus der Ferne gesehen hatte. Er mochte ihr blondes Haar und ihre entschlossenen Augen. Nur zu gerne würde er einmal mit ihr reden anstatt sie zu beschatten.Rein aus Interesse suchte er ihren Namen auf reichsmenschen.at. Er war nicht überrascht als er sie sofort fand, immerhin hat fast jeder Bürger ein Profil. Natürlich ist es nicht verpflichtend, doch wer keines hat wird von der Gesellschaft kritisch beäugt. Ihr Profilfoto war simpel und doch wunderschön. Ihr blondes Haar fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern und ein schüchternes Lächeln umschmeichelte ihre Lippen. Konzentriert studierte er ihre Seite und sah sich verschiedenste Posts von ihr an. Leider gab es nicht viel zu studieren für Patrick, denn Maria schien nicht sehr aktiv auf reichsmenschen.at zu sein. Wenn sie sporadisch etwas gepostet hatte, waren es entweder simple Fotos von ihr, Landschaften oder Freunden oder belanglose Informationen wie Wochenend-Memes. Doch ein Post stach Patrick ins Auge. Es war ein Zitat und sie hatte es erst gestern gepostet:
"Je größer die Lüge, desto mehr Menschen folgen ihr."
Patrick kannte das Zitat, denn er hatte es in seiner Ausbildung öfters gehört. Es war von Adolf Hitler. Trotzdem war es für Patrick immer ein kontroverses Zitat. Während seiner Ausbildung wurde es verwendet, um die Bewegung unter HCS zu glorifizieren und zu rechtfertigen. Die Lüge laut seinen Ausbildern, war das Wertesystem vor dem Krieg und in den anderen Ländern. Österreicher und Deutsche waren diejenigen die die Lüge entlavten und aufhörten der Lüge zu folgen. Anti-rassistisches Gedankengut war eine Lüge, Rassismus und Rassenunterschiede die Wahrheit, zumindest laut HCS. Für Patrick persönlich, war diese Interpretation immer zu wage, denn für in war jedes System eine Lüge besonders jenes unter HCS. Für Patrick hatte dieses Zitat immer einen positiven Beigeschmack, obwohl es von Hitler war. Es machte ihm Hoffnung, dass all diese dummen Mitläufer endlich ihre Augen öffnen würden und erkennen könnten, dass sie einer grauenhaften Lüge folgen. Patrick war verwirrt und konnte sich keinen Reim auf dieses Zitat machen. Warum postet eine vermeintliche Widerstandskämpferin ein Zitat von Hitler?, fragte er sich.
Es dauerte einige Zeit bis ihm klar wurde, dass sie dieses Zitat wohl gleich interpretierte wie er. Sie wollte eine subtile Botschaft verbreiten ohne aufzufallen und niemand in dieser Gesellschaft hinterfragt Zitate von Hitler oder HCS, außer man ist nicht zufrieden mit dem System. Patrick war klar, dass ihre subtile Botschaft wohl nur bei sehr wenigen ankommen wird, doch immerhin hat sie bereits ihn erreicht. Er kannte ihre Akte, sie war gebildet und hatte einen überdurchschnittlichen IQ, also nahm Patrick an, dass Maria wusste, dass ihre Botschaft wohl nur ganz spitze Ohren erreichen würde. Doch gerade dieses Wissen erzeugte den Drang in Patrick ihr mitzuteilen, dass er ihre Nachricht verstanden hatte. Er hypnotisierte den "private Nachricht senden" Button, doch er wusste nicht was oder wie. Die Nachrichten wurden natürlich überwacht, auch wenn er in der Lage wäre die Nachricht auf ihren Account zu vertuschen, so würde er auffliegen weil sein eigener Account überwacht wurde. Er überlegte, was er schreiben könnte um ihr zu zeigen, dass er auf ihrer Seite war oder zumindest verstanden hatte, aber ihm fiel nichts ein. Und auch wenn ihm etwas einfallen würde, so könnte er es nicht senden. Was würden die hohen Tiere der NS wohl sagen, wenn einer ihrer Leute seinem Beschattunsobjekt schreibt.
Schnell verwarf Patrick den Gedanken ihr zu schreiben und sah sich wieder Fotos von ihr an. Er verspürte Bewunderung für diese sportliche, wunderschöne Frau. Verträumt betrachtete er ihre grauen Augen und verlor dabei das Gefühl für Raum und Zeit. Er müsste mit ihr Kontakt aufnehmen, aber er konnte nicht."Hey ist das die Schweiger? Die Kleine die wir beschatten?", fragte Kurt, der ohne Patricks Kenntnis ins Zimmer gekommen war.
Schnell steckte Patrick sein Smartphone weg und stammelte: "Ähm ja. Ich wollte nur..."
"Ich versteh schon. Nicht mein Typ, aber jedem das seine", meinte Kurt mit einem Zwinkern.
"Nein, so..."
"Ist doch egal, Patrick. Du kannst mit ihren Bildern machen was du willst. Ihr Kopf wird sowieso bald rollen." Kurt grinste dabei höhnisch und Patrick brauchte seine ganze Beherrschung um seine Mine nicht zu verziehen.
"Wenn wir sie schnappen, kann ich dich ja kurz mit der Gutmensch-Schlampe alleine lassen. Das Schreiben wir dann einfach nicht ins Protokoll."
"Was? Was meinst du?", wollte Patrick etwas verwirrt wissen.
Mit einer Geste machte Kurt klar was er meinte: "Du verstehst? Sie ist doch nur ein Stück Dreck und lässt sich auch von Arabern durchbürsten. Ist doch egal ob sie es will. Sie hat kein Recht auf einen eigenen Willen. Sie ist eine Verräterin!"
Unwillkürlich ballte sich Patricks Hand zu einer Faust: "Ihre Eltern waren Verräter, bei ihr können wir noch nichts sagen. Sie hat noch nichts Verbotenes getan."
Patrick bereute die Worte sobald sie seinen Mund verlassen hatten.
Ungläubig starrte Kurt ihn an: "Was war das? Magst du diese Schlampe etwa?"
"Nein. Ich wollte nur bei den Tatsachen bleiben. HCS hat gesagt, dass jeder Deutsche die Möglichkeit haben soll, sich für die Gesellschaft nützlich zu machen. Sie hat noch nichts gemacht, also sollten wir ihr die Chance geben das Deutsche Reich zu unterstützen."
"Halt doch die Fresse! Ihr Blut ist kontaminiert. Kennst du nicht die Studien bezüglich dem Gutmenschen-Gen? Sie hat keine Chance verdient, wenn wir eine perfekte Welt erschaffen wollen. Und ich will eine perfekte Welt. Es ist unser Job zu selektieren und du verteidigst eine von denen?", erklärte Kurz erzürnt.
"Du hast Recht, weg mit diesem Dreck!"
Kurt betrachtete Patrick argwöhnisch, doch entschied sich dazu ihm zu glauben und ließ das Thema fallen.
"Gehen wir nun zum Prater oder was?", wollte Kurt wissen und Patrick folgte ihm mit gespielter Heiterkeit.Den ganzen Tag gingen ihm Maria und Kurts Aussagen nicht mehr aus dem Kopf. Schlaflos lag er in seinem Bett, den Magen mit gratis Süßkram und den Kopf mit unheilvollen Gedanken voll gestopft. Für Kurt galt nicht einmal mehr die Unschuldsvermutung, welche sogar HCS vertritt. So weit war es anscheinend schon mit der Menschlichkeit gekommen; die blökenden Schafe waren nun schon brutaler als der Henker selbst. Die unmenschliche Ideologie von HCS begann auszuarten. Dies machte Patrick zu schaffen. Er war nun seit zwei Monaten NS Beamter, musste Schreckliches sehen und tun um nicht aufzufallen, doch Kurts Hasstirade hatte ihm etwas bewusst gemacht: die Zeit rennt ihm davon! Bereits zwei Monate lang ist er Beamter und hat noch nicht Gutes getan. Bis jetzt hatte er sich lediglich dem Terrorregim gebeugt und getan was erwartet wurde. Auch während seiner Ausbildung tat er nur Schlechtes, wie lange würde er dies noch ertragen? Wie lange könnte er noch seine Rolle spielen? Wie lange rechtfertigt seine Rolle schlechte Taten? Es war an der Zeit etwas zu unternehmen, also beschloss Patrick seinen Beamten Status endlich auszunützen. Wenn er gratis Süßigkeiten bekommen konnte, könnte er auch seine Uniform und seinen Ausweis nützen um an Marias Tür zu klingeln. In Gedanken tüftelte er an seinem Plan, was ihn soweit beruhigte, dass er wenigstens für ein paar mickrige Stunden Schlaf fand. Nur um am nächsten Tag erneut die Uniform des Bösen anzuziehen und Böses geschehen zu lassen.

DU LIEST GERADE
2038: Wenn Die Welt Untergeht
Science Fiction2038: Österreich und Deutschland haben sich wieder vereinigt. Der dritte Weltkrieg ist ausgebrochen und Sklaverei und öffentliche Hinrichtungen stehen an der Tagesordnung. Der neue Führer und seine Armee wollen diesen Krieg für sich entscheiden und...