Kapitel 8

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Die kleine Schreibtischlampe strahlte im weißen Schein der Halogenbirne auf Marias Notizen. Mittlerweile sah Maria ihr Aufzeichnungen zum vierten Mal durch, und trotzdem fand sie nichts neues in ihnen. Verzweifelt fuhr sie sich durchs Haar und unwillkürlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Wütend ergriff sie ihren Notizblock und warf ihn in die Ecke des Zimmers.
"Nichts! Nichts! Ich kann rein gar nichts mit dieser Information anfangen!", schrie sie sich selbst an, während die Tränen sich ihren Weg nach unten bahnten.
"Ich habe meine Zeit verschwendet!"
Sie war den ganzen Tag bei Dr. Ebner gewesen und er hatte ihr alles erzählt was er wusste. Über HCS, seinen Werdegang und sein Regime. Über den zweiten Weltkrieg, über Hitler und die Parallelen zur jetzigen Situation. Bewundernd erzählte er ihr von den Widerstandskämpfern im zweiten Weltkrieg, doch ihr war bewusst, dass sie nie das gleiche leisten könnte wie diese Menschen. Sie wusste ja nicht einmal ob noch irgendjemand anders ihre Ansichten teilte. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie mit jemanden über Politik gesprochen, auch wenn sie es wollte, würde sich kaum jemand in die Gefahr begeben darüber zu sprechen. Im Jahr 2038 spricht man nur über Politik, wenn man mit Bewunderung über HCS spricht.

Maria war genervt und wütend auf sich selbst, weil sie keinen Plan hatte. Seit Stunden überlegte sie, wie sie ihr Unterfangen am besten starten könnte, doch ihr viel kein einziger wasserdichter Plan ein. Bei jeder Idee die sie hatte, fiel ihr ein paar Minuten später ein Hacken auf. Ein Hacken, der sie sofort ins Gefängnis bringen würde. Sie hatte daran gedacht, reichsmenschen.at zu nützen, aber es war schwierig. Die Webseite wurde überwacht und zensiert. Wenn sie eine Botschaft posten würde, müsste sie subtil sein. Doch ist die Botschaft zu subtil, würde sie keiner verstehen und wäre sie zu wenig subtil würde man das Posting auf sie zurück führen und sie würde schneller im Gefängnis sitzen als sie "NS" sagen könnte. Aber sie musste die Menschen erreichen, sie müsste Gleichgesinnte finden, denn alleine hatte sie keine Chance gegen das Regime. Sie dachte daran, Flugblätter zu verteilen, aber wie sollte sie die Blätter verteilen ohne erwischt zu werden? Das ganze Reich war mit Videokameras gesprenkelt und die NS überwachte jeden Winkel des Deutschen Reiches akribisch. Egal wie gut sie sich tarnen würde, früher oder später würde ihr Gesicht auf einer Kamera zu sehen sein und man würde sie vermutlich sofort hinrichten. Die gleiche Problematik würde sich ergeben, falls sie eine kritische Zeitschrift, oder eine Arbeit über das Regime verfassen würde. Abgesehen davon, dass die Hacker der NS ihren Computer wahrscheinlich sowieso überwachten, könnte sie Flugblätter oder Ähnliches nur handschriftlich gestalten.

Die Idee, die ihr noch am ehernsten umsetzbar vorkam, war es ein Symbol zu kreieren. Sozusagen ein Zeichen des Widerstandes. Es müsste ein banales Zeichen sein, welches kein Aufsehen erregen würde. Aber auch bei diesem Plan gab es große Lücken. Wie würden die "Gutmenschen" das Symbol erkennen, während die NS es nicht erkennen dürfte. Wie wurde ein banales Zeichen zum Symbol für Widerstand? Falls Maria es schaffen würde ein Zeichen zu kreieren, welches unerkannt von der NS bleibt, aber eine Botschaft an die Gutmenschen ist, welche Botschaft würde es dann vermitteln? Wie würden sie es schaffen untereinder zu kommunizieren ohne auffällig zu werden? Wie würden sie sich treffen können?

Die Fragen quälten Maria und ihr viel einfach keine Antwort ein. Es gab keinen glorreichen Plan. Sie war nicht mal fähig den Stein ins rollen zu bringen. Je mehr Maria über ihr Vorhaben nachdachte, desto sicherer wurde sie sich, dass es aussichtslos war. Sie würde nie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten können. Sie war kein guter Mensch, sie war ein Feigling. Sie könnte einfach auf reichsmenschen.at einen Post veröffentlichen und zum Widerstand aufrufen. Aber das würde nichts nützen, denn der Post würde gelöscht werden, bevor auch nur irgendjemand ihn gesehen hätte. Vielleicht bin ich doch kein Feigling, denn ich fürchte mich nicht vor dem Gefängnis oder dem Tod, nur nützt es nicht unüberlegt zu handeln. Solch ein Post würde niemanden helfen. Ich wäre besten Falls im Gefängnis und könnte nichts mehr unternehmen, während kein Schwein meinen Post gesehen hat. Ich muss mir einen besseren Plan überlegen, dachte Maria. Sie musste ihren Kopf frei bekommen, sie musste ihre Gedanken sortieren. Irgendwo in ihrem Kopf musste eine Lösung sein. Es musste einen Plan geben, der funktionieren könnte, das wusste Maria.

Entschlossen stand sie auf und hob den Notizblock auf. Sorgfältig strich sie die zerknitterten Seiten wieder glatt und legte den Block in ihren Save. Sie verschloss den Save via Fingerprintscan und warf sich ihren beigen Trenchcoat über. Sie musste raus an die frische Luft um ihre Gedanken zu ordnen. Ein kurzer Sparziergang in der Herbstsonne würde ihr dabei helfen.

2038: Wenn Die Welt UntergehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt