5. Vorbereitungen

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„Und wie zur Hölle soll ich dahin kommen?", fragte ich Noah verwirrt. Schließlich war seit hunderten von Jahren niemand mehr hindurchgekommen, zumindest war nie etwas bekannt geworden.

„Wir haben lange gesucht. Sehr lange, das kann ich dir versichern. Aber dann hat Chris eine Karte gefunden, die vielleicht zu einem Eingang führen könnte. Der ist nur leider so ziemlich auf der anderen Seite von Filia. Du wirst wahnsinnig lange brauchen, auch um über die Inseln zu kommen. Aber du wirst es schaffen.", erwiderte er und beugte sich mit intensivem Blick zu mir vor. „Und dann, tja... dann bist du auf dich allein gestellt. Wir haben die ganze Datenbank durchsucht, aber nichts gefunden, das beschreibt, wie man durch die Erde gelangt. Aber es gab eine verschlüsselte Datei über Morbus. Chris ist gerade noch dabei den Code zu knacken, aber das wird schwieriger, als wir dachten."

„Du meinst, ich soll ans andere Ende des Landes reisen, und dann einen eventuell existierenden Eingang in die Erde finden? Den niemand je gesehen hat? Und dann die giftigen Gase überleben, um in dem bösesten Land aller Zeiten wieder aufzutauchen und nach einem Mörder zu suchen? Wow. Aber hast du mich mal angeguckt?" Ich deutete mit einer fuchtelnden Handbewegung auf meinen dünnen, schmächtigen und vor allem schwachen Körper.

„Juno, du schaffst das. Du bist die stärkste Persönlichkeit, die mir je begegnet ist. Du bist klug, weißt, was du willst und lernst schnell. Außerdem bist du fest entschlossen, oder?"

„Natürlich."

„Na dann kann ja nichts mehr schief gehen.", erwiderte er und schlug sich enthusiastisch auf den Oberschenkel. Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand durch die Haare.

Wie sollte ich das nur überleben?

Als hätte Noah meine Gedanken gelesen, rückte er näher zu mir und flüsterte: „Du wirst das überleben. Wenn du nicht gehst, wirst du niemals mehr in den Spiegel sehen können. Außerdem haben Chris und ich echt hart gearbeitet, um so weit zu kommen."

„Ich weiß. Vielen Dank, du hast echt keine Ahnung wie viel mir das bedeutet." Ich drückte ihm einen keuschen Kuss auf den Mund, der von Schmerz, Sehnsucht und Angst triefte und umklammerte seinen starken Körper wie eine Ertrinkende das rettende Stück Treibholz.

Er wiegte mich lange Zeit in den Armen wie ein Kleinkind und eine Träne lief meine Wange hinunter.

Vor, zurück ... vor, zurück ... immer weiter. Im selben Rhythmus strich meine Fingerkuppe immer wieder über meine goldenen Ohrstecker.

Rose, Dreieck, Drache, Halbmond.

Ich trug sie schon so viele Jahre, dass sie mein Anker geworden waren. Wenn ich sie alle berührte, fühlte ich mich wieder normal, schöpfte Kraft und erinnerte mich an mich selbst.

Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war, doch meine Atmung hatte sich wieder normalisiert, als ich flüsterte:

"Jemanden zu finden ist leicht, wenn dieser jemand gefunden werden will. Aber wenn nicht, und wenn man nicht weiß, wen man sucht, wird das Ganze unmöglich, oder?"

„Nein", erwiderte er kopfschüttelnd, „Du wirst ihn finden. Erstens weist du im Grunde nach wem du suchst und zweitens bleibt dir gar nichts anderes übrig!" Er löste sich behutsam von mir. „Ich hab hier einen Rucksack, vielleicht kannst du was daraus gebrauchen." Er ging in den Flur und holte einen schwarzen, unscheinbaren Rucksack, den ich zuvor nicht bemerkt hatte, hervor.

Als er sich wieder neben mich sinken ließ, öffnete er das mit einem silbernen Reißverschluss versehende Hauptfach und zog eine unscheinbare Metallbox, die perfekt in seine Handfläche passte, hervor. Er öffnete den Deckel und hielt sie mir hin. „Phiolen. Alle, die Chris und ich entbehren konnten. Es sind hauptsächlich Schmerzmittel. Ich weiß, es sind nicht viele, aber immerhin, oder?" Die kleinen Glasfläschchen klirrten aneinander, sodass die indigoblaue Flüssigkeit umherschwappte.

Filia - MorbusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt