7. Die Legende der Inseln

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Gerade als ich in mein, mit rosarotem Lachs belegten, Brötchen beißen wollte, begann die Fragerei.

„Wo möchtest du eigentlich hin?", wollte Freya, die heute einen sandfarbenen Kartoffelsack trug, wissen.

„Ich gehe nach Nyanza. Da lebt ein Freund von mir, den ich ewig nicht gesehen hab und den ich unbedingt sehen muss." Diese Geschichte hatte ich mir vor zwei Sekunden ausgedacht und dementsprechend dürftig klang sie auch in meinen Ohren, aber Freya und Aimo waren ziemlich gutgläubig.

Ich erzählte ihnen nicht die Wahrheit, schließlich wollte ich die beiden nicht in mein emotionales Tief ziehen und sie mit meinen Problemen belasten. Außerdem würden sie mich wohl für verrückt erklären (was ich wohl auch war), wenn ich ihnen erzählte, dass ich versuchte ins Morbus zu gelangen.

„Nyanza?", Aimo war so erstaunt, dass er sich an seinem Kaffee verschluckte und die nächsten Sätze nur noch röchelte. „Aber das ist ja ewig weit weg! Und vor allem musst du irgendwie über die Inseln kommen..."

„Das ist ja mein Problem", erwiderte ich seufzend, „habt ihr vielleicht Ideen, wie ich es da lebend rüber schaffe?" Die Gedanken, die ich schon die letzten Tage vor mir her geschoben hatte, wurden plötzlich unausweichlich, jetzt, wo ich mich direkt an der Küste befand.

Die Inseln trennten Filia in zwei Teile. Einmal direkt von Nord nach Süd verlief der schmale Streifen Meer, der von unzähligen kleinen und großen Inseln durchsetzt war, die Filia nicht nur geografisch, sondern auch kulturell trennten. Niemandem war viel darüber bekannt, aber auf den Inseln waren schon viele Filianer gestorben. Vielleicht wüssten ja Aimo und Freya, die so nah an der Küste wohnten, wie ich sie überqueren konnte und vor allem, was die Inseln so gefährlich machte.

„Was weißt du über die Inseln?", fragte mich Freya kauend.

„Nicht viel. Eigentlich nur, dass die Regierung sie nicht unter Kontrolle hat und das dort immer wieder Leute verschwinden."

„Es gibt eine Legende", begann Aimo kauend und als er sein Brötchen aus der Hand legte, erkannte ich, dass das wohl eine längere Rede werden würde. „über die Schaffung der Inseln. Hier in Runako erzählt man sich, dass in der Zeit des großen Krieges, als die Natur vollkommen ausgebeutet und zerstört war, eine große Dürre ausbrach. Über Wochen hinweg litten die Menschen Durst und rafften dahin wie Fliegen, die Erde trocknete so weit aus, dass der Boden nur noch aus sandigem Pulver bestand. Durch die Dehydration wurden die Menschen langsam verrückt, doch dann geschah ein Wunder.

Die Erde barst der Länge nach auseinander und die dadurch entstandene, unregelmäßige Schlucht füllte sich mit klarem, trinkbaren Wasser. Durch den unregelmäßigen Bruch entstanden tiefe, mit Wasser gefüllte Gräben und die Inseln. Man sagt, der Gott Feyr hätte den Menschen, die nun ihre Fehler eingesehen hätten, das Wasser geschenkt.

Doch mit der Zeit, als der Krieg beendet war und die Bevölkerung wieder wuchs, entwickelten sich die Inseln zur Hölle auf Erden. Die wenigen Menschen, die dort gelebt hatten, starben durch die giftigen Pflanzen oder das Meer. Auf den größeren Inseln breiteten sich wilde Tiere aus, sodass bald kein Überleben mehr möglich war. Auch das Wasser veränderte sich: es wurde von Salz durchsetzt, sodass man es nicht mehr trinken konnte und in seinen tiefen Gräben entwickelten sich Kreaturen, die für jeden, der versuchte das Wasser zu überqueren, zur Gefahr wurden.

Dann begannen die Filianer, einen Vorteil aus dieser Hölle zu ziehen, indem sie ihre Verbrecher, oder einfach die Leute, die ihnen nicht gefielen, auf die Insel verbannten, wo sie dann qualvoll untergingen..."

Freya und ich starrten ihn stumm an. In diesem Moment hätte ich von Emotionen erschüttert werden sollen. Unter ihnen begraben, wie unter einer Lawine. Sie müssten mich überschwemmen wie ein Tsunami und ich müsste daran zerreißen.

Filia - MorbusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt