In meinem Apartment war nichts weiß oder verglast. Man konnte nicht vom Boden essen und es war nur sehr selten still. Meine Welt wurde von Chaos regiert und auch wenn meine Implantatkontrolleure das wahrscheinlich nicht guthießen, wurde ich noch nie aufgefordert, etwas zu ändern, wahrscheinlich weil ich mich außerhalb meiner eigenen vier Wände sehr anständig und vorbildlich benahm.
Durch die Implantate war die Regierung in der Lage, alles, was man selbst vor seinen Augen sah, mitzuverfolgen, sie war sogar bis zu einem bestimmten Grad in der Lage Gedanken nachzuvollziehen. Kontrolleure achteten darauf, dass niemand etwas Unerlaubtes tat, sodass die Verbrechenrate in Filia seit der Einführung der Implantate als Pflicht für jeden so gut wie auf null gefallen ist.
Wie mein Bruder trotzdem sterben konnte, war mir ein Rätsel, doch ich setzte alles daran, es heraus zu finden.
Bereits wenige Stunden nach der Geburt wurde jedes Kind mit einem Implantat versehen, das war Pflicht. Ich war daran gewöhnt, in dem Gewissen zu leben, beobachtet zu werden, doch es gab immer eine Stimme in meinem Hinterkopf, die flüsterte: Sei vorsichtig, pass dich an, benimm dich normal, lass dir nichts anmerken, sei auf der Hut...
Zwar konnte man das Implantat ausschalten, doch jeder wusste, dass dies nicht gern gesehen war, und so ließ man es zu 99% der Zeit an. Niemand weiß, was mit den Implantatverweigerern geschah, die es von Zeit zu Zeit gab. Auch wenn ich meins lieber ausgeschaltet hatte, verzichtete ich die meiste Zeit auf den Luxus seine Gedanken nicht teilen zu müssen, um nicht ins Visier der Behörden zu rücken. Außer in der begrenzten Zeit, die ich mit meinen Freunden verbrachte.
Noch bevor ich die schrecklichen Schuhe loswerden konnte, kamen die Katzen an getapst und verlangten laut mauzend nach Essen. Meine ältester und treuster Kater, Lux, schmiegte sich mit seinem stumpfen, hellgrauen Fell an mein Bein und schaute mich flehend aus leuchtenden, bernsteinfarbenen Augen an. Daneben tollte die Jüngste, Tica, die als buntes Fellknäuel den Boden vermaß und zwischen ihnen saß die stolze Lady, die ich Honeste getauft hatte, mit und grün funkelnden Augen vor mir und hob würdevoll eine Pfote, als würde sie mich begrüßen. „Ach ihr!", rief ich und fühlte mich gleich viel wohler.
Meine Wohnung war komplett mit braunen Holzdielen ausgelegt, die Wände waren in einem freundlichen Gelb gestrichen und alle Möbel, zumindest so viele ich bekommen hatte, aus den unterschiedlichsten Hölzern. Ich schob einen Haufen Schuhe zur Seite und stellte an die Stelle meine Jetzigen, suchte in dem Chaos meiner hölzernen Einbauküche, die von modernster Technik unterbrochen wurde, nach dem Dosenöffner und fütterte schnell die Katzen.
So gut es ging versuchte ich, die herumliegenden Kleidungsstücke und den Krimskrams in mein Schlafzimmer zu schaffen, das meine Eltern hoffentlich nicht betreten würden und als ich laut Musik anmachte und daraufhin tanzend aufräumte, ging das Ganze fast wie von selbst.
Nachdem ich das Durcheinander so einigermaßen unter Kontrolle gebracht hatte, ging ich ins Bad um meine Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Mein runder Spiegel war schon so alt, dass er mich nur noch verzerrt zeigte und sich schon Bläschen unter der Folie gebildet hatten. Wer nicht-digitalisierte Spiegel suchte, musste sich halt mit dem begnügen, was da war.
Meine Haare sahen aus, als hätte eine ganze Vogelfamilie darin genistet, was heute Morgen noch leichte Wellen gewesen waren, glich jetzt einem Haufen dünner und dicker Strähnen, die sich in alle Himmelsrichtungen kringelten und mich aussehen ließen wie ein gerupftes Huhn. Als ich das behoben hatte, und ich mich wieder an den stufigen, lavendelfarbenen Bob, zu dem meine Haare eigentlich geschnitten waren, erinnern konnte, betrachtete ich mein Gesicht.
Meine Haut war so blass, das man darunter im Licht die bläulichen Adern sah, und ich ungefähr so sonnenresistent wie ein Schneemann war, außerdem hatten meine Lippen im ungeschminkten Zustand die Farbe von abgetragenen Ballettschuhen. Heute leuchteten sie allerdings in einem hübschen Magenta.
DU LIEST GERADE
Filia - Morbus
Fiksi Ilmiah"Jemanden zu finden ist leicht, wenn dieser jemand gefunden werden will. Aber wenn nicht, und wenn man nicht weiß, wen man sucht, wird das Ganze unmöglich, oder?" Zwei Welten, so verschieden wie Tag und Nacht. Juno lebt in der Welt, in der alles pe...