Er schob sein ‚Schesch‘ (Kopftuch der Tuareg-Männer) etwas beiseite und grinste. Seine Zähne waren weiss wie frischer Schnee und seine Haut war gebräunt. Er sah noch sehr jung aus. Er sprach sie auf Arabisch an und zu Selina’s Überraschung verstand sie was er sagte. „Stern des Abendlandes, Katzenfrau. Du bist hier. Ich dachte schon ich müsste ewig weiterreisen.. Meine Gebete wurden erhört!“ Selina sah ihn so Unwissend an wie ein Kleinkind dass das erste Mal etwas entdeckte. „Oh, entschuldige.. Mein Name ist Salim. Ich bat um die Erscheinung einer Katzenfrau. Mein Volk, es leidet. Es stirbt. Wir werden ständig angegriffen und haben keine Chance dem Entgegenzusetzen. Die Waffen der Feinde sind neu, wir kämpfen mit Säbel und Schwertern. Doch nun, schöpfe ich Hoffnung…“ Selina’s Gedanken begannen zu Kreisen. Ihr wurde übel, und alles drehte sich. Die Katze in ihr kam. Sie sah Bilder vom Volk der Tuareg, verfolgt von europäischen Soldaten. Schlachtfelder, übersät mit Frauen und Kindern, geschändet, zerstückelt. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie öffnete die Augen. „Salim, ich sah dein Unglück. Dein Volk wird wohl nicht mehr lange sein.“ Erstaunt über ihre eigenen Worte, sah sie ihm in die Augen. Bestimmt und voller Zuversicht. Er erwiderte ihr Blick, gefüllt mit Hoffnung und Demut. „Aber.. ich bin noch jung, noch nicht lange Katze.. Ich hoffe ich kann dir so helfen wie du es wünschtest..“ Sein Blick änderte sich. Sie vermochte nicht zu deuten was genau er änderte, aber sie spürte plötzlich eine tiefe Zuneigung seinerseits. „Selina, meine Liebe. Du wirst dich erinnern. Du wirst helfen. Ich spüre es, tief in mir warst du immer da, wirst immer sein…“ Erschöpft nach all diesen Erlebnissen, den Marsch durch die sengende Hitze liessen Selina nach der kleinen Mahlzeit die Salim zubereitet hatte, sofort einschlafen. Die Katzen und auch Salim’s Kamel hatten ebenfalls gegessen und legten sich nach Einbruch der Dunkelheit schlafen. Salim fuhr vorsichtig und sanft über das Gesicht von Selina. ‚Meine Süsse… hoffentlich erinnerst du dich bald.. Ich vermisse dich..‘ Mit den Gedanken an ihre gemeinsame Zukunft schlief auch Salim endlich ein.
Früh am Morgen, es war noch nicht richtig hell, schreckte Selina auf. Sie hatte wieder einen komischen Traum gehabt. Schweissgebadet setzte sie sich auf. Salim war sofort zur Stelle und stützte sie. Dankend nahm sie den heissen Tee entgegen und wunderte sich gleichzeitig dass bereits Feuer brannte, Tee gekocht war. Salim sah sie wissend an. „Wieder ein Traum?“ Selina nickte und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck Tee. Er war sehr süss und stark, wärmte aber auch augenblicklich. Selina bemerkte dass sie wohl die Letzte war die aufwachte. Die Katzen hatten in der Nacht eine schützende Decke gebildet indem sie auf Selina geschlafen hatten, sobald diese in ihren Traum fiel. Die Nächte in der Wüste waren ebenso kalt wie die Tage heiss waren. „Willst du mir erzählen was du geträumt hast? Vielleicht hilft es dir zu verstehen..“ Sie beachtete Salim erst gar nicht. Ihr war unwohl beim Gedanken er wüsste bereits mehr als sie ahnte. Sie strich über ihre Katzen und ging zu der kleinen Quelle und erfrischte sich. Als sie zum Lager zurückkam bereitete Salim gerade das Frühstück. Sie folgte seiner Aufforderung und setzte sich neben ihn. Sie roch seinen Geruch, stärker als am Tag zuvor. Feuer, Rauch, Pfefferminz und sein Schweiss waren zu einem Gemisch geworden das Selina wie magisch anzog. Sie rückte noch etwas näher und schnupperte regelrecht an ihm. Salim lächelte, reichte ihr ein Fladenbrot dass er aus dem Feuer nahm und legte seine Decke um ihre Schultern. „Danke, Salim. Aber bevor ich erzähle würde ich gern mehr von dir wissen. Ich hab das Gefühl dass ich dich kenne, kann aber nichts einordnen. Wo bin ich? Was mache ich hier?“ Salim reichte ihr das alte Buch. „Schlag die erste Seite auf und lies.“ Selina gehorchte automatisch. Doch sie wunderte sich auch woher er wusste… Das Buch öffnete sich. Von sich aus. Lisbeth setzte sich auf ihre Beine und blickte sie aufgeweckt an. Selina dachte sie hätte ein leichtes Nicken der Katze wahrgenommen, aber das war absurd. Katzen nicken nicht. Sie sprechen aber auch nicht. Lisbeth sprach, als Katze. „Liebes, lies endlich. Du hast leider nicht so viel Zeit..“ Selina starrte Lisbeth an. Darum, dass sie eine Katze sprechen hörte musste sie sich später kümmern. Das Buch sprang ihr förmlich ins Gesicht. Sie las. Konnte fast nicht mehr aufhören. Ihr wurde nun klar, warum sie geträumt hatte.
Im Buch stand ihre Geschichte. Aber nicht die, die sie kannte. Nichts von Geschwistern und Eltern. Im Buch war sie Selina, ein Tuareg-Mädchen, ohne Eltern. Salim kannte sie offenbar seit Kindstagen. Nun wusste sie auch warum sein Geruch sie fast wahnsinnig machte. Sie stutzte aber als sie las wie alt sie nun sein musste. Laut dem Kapitel das sie begann war sie bereits 20. Sie löste ihren Blick, klappte das Buch zusammen und sah Salim direkt in seine glitzernden, dunkelbraunen Augen. Die Sonne begann gerade über die Düne vor ihnen zu klettern und tauchte alles in Goldschimmer. Sie begann ihren Traum zu offenbaren während sie Salim half das Lager wegzuräumen. Er hörte ihr aufmerksam zu, das spürte sie. Sie spürte auch, dass ihre Zuneigung immer grösser wurde. Ihr 16-Jähriges ‚Ich‘ verschwand je mehr sie von dem Traum erzählte. Salim setzte sich auf sein Kamel und bat Selina ebenfalls aufzusteigen. Sie setzte sich hinter ihn, roch wieder sein unwiderstehlichen Geruch. Lachend drehte er den Kopf, zog sein Schesch übers Gesicht und gab dem Kamel den Befehl zum Aufbruch. Die Katzen allerdings blieben an der Oase zurück. Selina spürte ihre Anwesenheit trotz der wachsenden Entfernung immer gleich stark. Das beruhigte sie innerlich. Stunden vergingen während die beiden Tuareg auf dem Kamel durch die Wüste ritten. Selina schaute sich manchmal um, konnte aber nicht sagen wo sie sich befanden. Salim hatte ihr ein Tuch gegeben das sie sich wie er um ihren Kopf und das Gesicht wickelte. Es liess die sengende Sonne etwas erträglicher zu machen, schützte vor den Sandkörnern die gegen sie peitschten wenn der Wind zunahm. Den ganzen Tag sprachen sie kein Wort. Ihre Kehlen waren trocken und Selina schmerzte der ganze Hals. Die Sonne ging unter. Schnell war es kühler, dunkler. Salim zeigte mit seiner Hand auf eine kleine Düne, dahinter schimmerte ein Licht. Feuer. Dann sah Selina die Spitzen der Zelte. Stimmen drangen durch ihr Tuch. Sie war erschöpft und müde, gleichzeitig froh, andere Menschen zu treffen und hoffentlich etwas zu essen bekommen. Als sie im Blickfeld des Lagers erschienen, stürmten die Kinder sofort auf sie zu. Lachend und Neugierig begleiteten sie das Kamel ins Lager der Tuareg. Salim schwang sich elegant vom Rücken des Tieres, wartete bis sich das Kamel setzte um Selina sofort die Hand zu reichen und sie so sicher auf den noch warmen Sand zu helfen. Salim liess ihre Hand nicht mehr los. Sie war beruhigt ihn zu spüren. Sie wurden nun von der ganzen Gruppe umringt und freundlich, ja herzlich begrüsst. Salim flüsterte ihr zu dass sich seine Schwester nun um sie kümmerte und sie dann gemeinsam essen würden. Selina spürte eine Hand an ihrem Arm und blickte direkt in die ebenso glitzernden Augen die sie bei Salim so mochte. Seine Schwester grinste sie an und zog sie in das nächste Zelt. Dort stellte sie sich zuerst vor, ihr Name war Leila. Sie war sehr hübsch, bemerkte Selina. Leila kicherte und begann mit flinken Händen ihr die Kleider auszuziehen. Im ersten Moment wollte Selina sich wehren. Sie war nicht gewohnt dass jemand sie auszog. Doch Leila war schnell und stand bereits mit einer Schüssel Wasser vor der völlig nackten Selina. Leila bestaunte in schnellem Arabisch die helle Haut Selina’s und begann sie zu waschen. Eine zweite Frau trat ein und brachte ein Bündel Stoff. Die beiden begannen Selina traditionell in eine Tuareg zu verwandeln. Draussen waren die rauhen Stimmen der Männer zu hören. Leise waren sie, Selina hörte aber jedes Wort. Unterdessen bestaunte Leila ihr wohl gelungenes Werk und schob ihren Besuch nach draussen. Der Duft von gebratenen Fleisch liess Selina das Wasser im Mund zusammen laufen.
Salim sprang sofort auf als er sie erblickte. Er stand in zwei Sätzen vor ihr und flüsterte, „meine Liebe, so bezaubernd schön. Du siehst fantastisch aus, wie eine Fata Morgana…“ Sie errötete, zum Glück sah man das nicht in der Dunkelheit. Er geleitete sie zum Feuer. Das Essen wurde sofort aus den grossen Töpfen in Teller gefüllt und der Stamm begann zu essen. Selina hatte schon lange nicht mehr so gutes Essen geschmeckt. Sie musste sich enorm zügeln um nicht unhöflich zu sein und gierig zu wirken. Doch scheinbar wussten alle, welche Reise sie mit Salim hinter sich hatte, Leila brachte ihr sofort eine weitere Portion. Selina dankte, schlang auch diese hinunter. Nach dem Essen wurde gesungen, getanzt und musiziert. Salim zog sie nach einiger Zeit beiseite und bat sie mitzukommen. Etwas erstaunt folgte sie ihm zunächst widerwillig. Hinter einer weiteren Düne zog er sie zu sich, sein Gesicht war so nah an ihrem dass sie seinen Atem spürte noch bevor er sein Schesch löste. Ihr war plötzlich ganz heiss. Sie spürte seinen Körper, roch wieder sein Geruch. Auch Salim spürte wie sie sich erinnerte. Er beugte sich leicht und ihre Lippen trafen sich sanft. In Selina explodierte etwas. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Ihr wurde leicht schwindelig, aber angenehm. Sie vergassen die Zeit, das Lager, die Tuareg die auf sie warteten… Alles war egal. Sie waren wieder zusammen. Selina erinnerte sich an alles….
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Selina, Katzen und Ägypten
FantasySelina war immer gerne bei ihrer "Katzen-Oma" Lisbeth. Dort erfährt sie kurz vor ihrem 16. Geburtstag etwas dass ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.... Die Katzen werden ihr wohl immer bleiben, genau wie bei Lisbeth.