Der Fluch

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Frederik preschte durch die Wüste. Sein Pferd schäumte, zitterte mittlerweile vor Anstrengung und drohte bald zusammenzubrechen. Er wusste dass das Pferd sterben würde. Die nächste Wasserquelle war zu weit weg, auch wenn er ihm die Freiheit geben würde, es wäre zu spät. Das Opfer nahm er hin. Selina war in grosser Gefahr, wenn er sich nicht beeilte wäre sie das nächste Opfer von Anubis. Die Stute bewies erstaunliche Kraftreserven und brachte ihn weiter als er gehofft hatte. Sie brach zuckend zusammen als sie erneut versuchte über eine Düne zu kommen. Frederik sprang leichtfüssig ab bevor ihr Kopf auf den Sand schlug, kniete sich daneben und strich liebevoll über ihre Mähne. „Danke, du hast mir einen grossen Dienst erwiesen..." flüsterte er, stand auf und beendete das qualvolle Leiden der nussbraunen Stute mit dem Säbel.

Selina befand sich in einem Tranceartigen Zustand. Ihre Gedanken waren schwerfällig, ihre Bewegungen langsam. Sie fühlte sich wie klebriger Kaugummi der zulange in der Wüstensonne gelegen hatte. Selina spürte wie etwas an ihren Kräften zog. Schleichende Dunkelheit drang in sie, Stimmen flüsterten unverständliche Worte. Ihr Körper schien ein eigenes Leben entwickelt zu haben und lief wie ein Roboter weiter. Sie hatte keine Ahnung wo sie war, wohin sie ging oder wie weit sie bereits war. Müdigkeit, Durst und lähmende Kälte liess ihren Willen wieder etwas stärker werden. Selina wollte doch gar nicht hier sein! Sie versuchte ihren Kopf zu zwingen an Salim zu denken, doch jegliche Versuche scheiterten. Nicht einmal sein Gesicht vermochte sie zu sehen. Panik begann in ihr aufzusteigen. Die Dunkelheit wich für einen kleinen Moment nur um in der nächsten Sekunde doppelt zurück zu kommen. Kraftlos versagten nun ihre Beine und sie sank langsam in den Sand. Eine Stimme erklang, die sie zu verspotten schien. Selina verstand nichts. Die Ohnmacht ergriff sie...Dunkelheit, war das Letzte was sie wahrnahm...

Benommen erwachte Selina wieder, versuchte sich aufzusetzten. Ein heftiger Schmerz zuckte ihren rechten Arm, als sie sich darauf abstützte. Erschrocken und blitzartig hellwach, starrte sie auf den blutverkrusteten Arm. Entsetzt über den Anblick erstarrte sie für wenige Sekunden. Regungslos, doch mit geschärften Sinnen, lauschte sie in sich hinein. Versuchte zu rekonstruieren was passiert war. Von weitem hörte sie leise Schritte, ein Mann, der sich durch den Sand kämpfte. Sehen konnte sie ihn noch nicht. Trotz des frühen Morgen flimmerte die Luft bereits vor Hitze. Selina bemerkte nun wieder dass Durst und Hunger sie immer noch plagten. Da sie mit dem verletzten Arm und so geschwächt keine Chance hatte sich gegen irgendetwas zu wehren, blieb sie still sitzen und wartete auf den Fremden.

Frederik kämpfte mit seinem Körper. Seine Kehle war rau und trocken. Doch er hatte nicht mehr viel Wasser und wusste, wenn er Selina fand brauchte sie es dringender. So schleppte er sich weiter mit den Gedanken an seine schwangere Tochter. Gefühlte Stunden später entdeckte er einen kleinen schwarzen Punkt auf einer der zahlreichen Sanddünen. Gestärkt durch den Anblick, in der Hoffnung es könnte Selina sein, lief er los.

Selina beobachtete den Mann der plötzlich losrannte. Erschrocken zuckte sie leicht zusammen. Doch ihr blieb keine andere Wahl als zu bleiben. Nervös verfolgte sie jede Bewegung und als er genug Nah war, schnupperte sie seinen Duft. Sie kannte ihn nicht. Der Geruch von dem Fremden konnte sie nirgends einordnen. Als der Fremde sie erreichte und freudenstrahlend sie umarmen wollte, wich sie zurück und fauchte ihn an. Frederik erstarrte in seiner Bewegung und sah seine Tochter an. „Selina?“

Selina starrte den Mann aus grossen Augen an. Woher wusste er ihren Namen? „Ja, so heisse ich… Und wer sind sie?“ Frederik seufzte. Das war also der Fluch, den Anubis ihr angehängt hatte. Er hatte sie nicht töten wollen. Er wollte dass sie sich selbst umbrachte. Alles vergass was ihr wichtig gewesen ist.

Er setzte sich neben sie. „Selina, ich bin Frederik, ein Assassine. Ich wurde geschickt um dich zu holen. Bist du schwer verletzt? Weisst du was passiert ist?“ Selina starrte ihn wortlos an. Frederik… der Name klang vertraut aber sie wusste nicht warum. „Ich weiss nicht was passiert ist. Ich bin hier aufgewacht und mein Arm tut sehr weh. Wohin gehen wir?"

Erleichtert darüber dass sie ihm trotz allem vertraute, erklärte er ihr ganz genau wo das Assassinen Haus lag. Währenddessen untersuchte er ihren Arm und stellte fest dass es wohl nicht mehr lange dauern würde bis sie dem Eiter-Fieber erlag. Besorgt gab er ihr wenig Wasser damit sie nicht gleich erbrechen musste. Ihr Körper begann bereits zu zittern und sie war richtiggehend glühend vor Fieber. So würde sie es niemals zurück schaffen. In Frederiks Kopf jagten sich die Gedanken. Selina musterte ihn verstohlen von der Seite und zwang ihr Gehirn sich zu erinnern. Pferdegetrommel liessen beide gleichzeitig aufschrecken. Eine Reiter mit einem zweiten Pferd preschte heran. „Wieso zwei..?“ murmelte Selina. Frederik starrte sie an. Wenigstens sind ihre Sinne noch genauso scharf….

Der Reiter wurde nicht langsamer. Frederik dämmerte es nun wer er war. Salim. Logisch. Keine Armee hätte den Hitzkopf davon abhalten können ihm zu folgen. Seufzend erhob sich Frederik und wandte sich an Selina. „Also, der Mann der nun kommt, ist ein Verbündeter. Du brauchst keine Angst zu haben, ja? Ich werde ihm nun ein Stück entgegen gehen. Er muss wissen dass du verletzt bist und nicht weisst… was passiert ist.“ Selina nickte stumm und beobachtete die Szene die sich nun vor ihren Augen abspielte. Der Mann auf dem Pferd fuhr Frederik heftig an, als dieser ihn zurückhielt. Aus irgendeinem Grund wollte der Fremde unbedingt zu ihr. Frederik redete auf den jungen Mann ein und der beruhigte sich langsam. Zusammen gingen sie auf Selina zu, die aufmerksam und etwas verwirrt im Sand sass. Salim ging in die Hocke vor ihr und streckte seine Hand hin. „Hallo, Selina. Ich heisse Salim. Ich werde dich und Frederik begleiten. Ist das in Ordnung für dich?“ Selina starrte den jungen Mann an. Etwas an ihm verwirrte sie zutiefst. Sie versuchte aufzustehen und brach sogleich vor Schmerz gekrümmt zusammen. Salim konnte sie gerade noch auffangen bevor sie den Sand berührte. Eine Träne begann sich ihren Weg über sein Gesicht zu bahnen.

Nachdem Selina halbwegs wieder bei Bewusstsein war und etwas Essen runtergewürgt hatte, ritten sie los. Salim war widerwillig einverstanden gewesen dass Selina bei Frederik auf dem Pferd sass. Er sah ein, dass sie sich nicht an ihn erinnerte und Angst haben könnte bei ihm zu sein. Sein Herz zerriss bei dem Gedanken dass es vielleicht immer so bleiben könnte. Er hoffte auf Lisbeth, die alte Katze musste doch ein Mittel kennen sie zu befreien. Stumm ritten die beiden Männer zügig los. 

Selina, Katzen und ÄgyptenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt