Zorn von Anubis

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Stöhnend kam Lisbeth zu sich und setzte sich auf. Selina hingegen kämpfte. Auch Minuten später schrie sie, ihr Körper krümmte sich und sie blutete stark. Lisbeth sass mit besorgter Miene neben ihr und versuchte mit ihren Händen sie still zu halten. Salim wollte zu ihr, wurde aber erneut von Frederik gehalten. Nach und nach trafen die Assassine ein, die Hilfe, von Frederik gerufen. Der Meister begann Anweisungen zu geben, alles wurde eingepackt. Sie mussten hier weg. Lisbeth wechselte ein paar Worte mit Frederik und nickte schlussendlich. Sie luden Selina auf ein Pferd, Frederik hielt sie fest und ritt voraus. Salim schwang sich bei Mesul aufs Pferd und preschte hinterher. Sie ritten wie die Teufel, jede Minute war kostbar. Salim hatte das Gefühl als wurden sie verfolgt. Er sah sich mehrmals um, sah aber nichts, niemanden.

Als sie endlich den Unterschlupf erreichten, kam Frederik auf ihn zu. „Du hast es auch gespürt, nicht? Etwas war immer hinter uns her….“ Salim nickte, blickte sich weiter nervös um. Lisbeth hatte mit Hilfe der Assassine Selina bereits ins Haus gebracht. Sie wurde auf ein Bett gelegt und Lisbeth scheuchte die Männer weg, nachdem sie heisses Wasser und ein Messer verlangt hatte. Frische Tücher und eine Schale mit Glut wurden ebenfalls umgehend bereitgestellt. Der letzte Assassine schloss die Tür und postierte sich davor, so wie Lisbeth ihn angewiesen hatte. Die alte Katze wusste, Salim würde Selina sehen wollen. Doch bis das Ritual abgeschlossen war, durfte sie nicht gestört werden. Frederik wusste das ebenfalls und führte Salim unter einem Vorwand in den Essbereich, wo er ihn in ein Gespräch verwickelte. Salim roch den Braten aber sofort, sprang nach wenigen Minuten auf und wollte zu dem Zimmer laufen in dem sich Selina befand. Er kam nicht mal bis zur Tür. Zwei Gefährten versperrten ihm den Weg. Lächelnd zog Frederik ihn zurück, presste ihn in den Sessel und gebot ihm nachdrücklich sich endlich in Geduld zu üben. „Weisst du, du erinnerst mich sehr stark an mich selber… Ich war genauso verliebt, störrisch und ungläubig wie du.“ Salim schaute ihn finster an. Ihm war nicht zu scherzen zumute. Er machte sich riesige Sorgen um Selina und die Zwillinge, die sie in sich trug. Doch er wusste, resignierte, dass er nichts tun konnte als zu warten. Er zwang sich Frederik ein gequältes Lächeln zu präsentieren, sich auf das Gespräch einzulassen. Er fragte Frederik nach der Mutter von Selina, sie hatte ihm nie erzählt dass ihre Geschwister nicht dieselbe Mutter hatten wie sie. „Salim, sie weiss es nicht. Sie war gerade 6 Monate alt als ich Marie kennenlernte. Ich würde es ihr gerne selber sagen, du verstehst?“ Salim nickte. „Warum hast du ihr es nie erzählt? Sie hätte doch ein Anrecht darauf zu erfahren wer ihre leibliche Mutter ist. Auch wenn sie schon lange nicht mehr lebt.. Ich denke, Selina wird sehr wütend werden, es erst jetzt zu erfahren…“

Es vergingen gefühlte Stunden bis Lisbeth endlich in der Tür erschien. Davor waren immer wieder Schreie zu hören die durch Mark und Bein gingen. Auch Frederik begann mit der Zeit immer nervöser zu werden. Zum Schluss sassen sie schweigend da und hofften. „Lisbeth, endlich! Wie geht’s ihr?“ Lisbeth fiel in einen der gut gepolsterten Sessel bevor sie antwortete. Ihre Kleider waren Blutgetränkt, sie sah müde und ausgelaugt aus. Ihr war jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. Sie stemmte sich in eine aufrechte Position und begann zu berichten. „Sie und die Kinder leben. Die Schwangerschaft besteht also nach wie vor. Anubis hat ihr etwas getan. Ich weiss nicht genau was geschehen ist, ihr Spiegel war schwer verletzt was eigentlich nicht möglich ist. Viel Blut hat sie verloren, ich gab ihr von meinem. Ihr Körper ist übersät mit Bisswunden und sie hatte Blutungen im Unterleib. Sie braucht jetzt Ruhe. Niemand, wirklich niemand wird dieses Zimmer betreten ausser mir. Haben wir uns verstanden, Salim?“ Er nickte, biss sich auf die Lippen um nicht Dinge zu sagen, die er später bereuen würde. Lisbeth spürte seine Wut, seine Angst und sein Drang, Selina zu  sehen. So gerne sie ihm den Wunsch erfüllen wollte, er durfte Selina nicht sehen. Er würde beim Anblick zerbrechen. Sie lebte, ja, aber ihr Zustand war äusserst schlecht. Lisbeth war nicht sicher ob sie es wirklich schaffte. Selina war zäh, das hatte sie mehrmals bewiesen. Die Liebe zu Salim hatte sie schon einmal gerettet, deshalb hoffte Lisbeth, die Kinder in ihr würden zusätzliche Kraft geben.

 Gegen Mitternacht wurde es still im Unterschlupf. Müde fiel auch Salim in sein Bett, aber schlafen konnte er nicht. Seine Gedanken kreisten um Selina, die Zwillinge. Sein Hass auf den Totengott Anubis wuchs stetig. Er verfluchte ihn insgeheim für das was er Selina angetan hatte. Salim wusste nicht genau was, aber es musste schrecklich gewesen sein. Lisbeth hätte ihm sonst erlaubt zu seiner Liebsten zu gehen. Mit kreisenden Gedanken schlief er schliesslich doch noch ein.

 Ein spitzer Schrei. Ein gequälter Ruf. Wieder schrille Schreie. Salim rannte wie von einer Wespe gestochen zu dem Raum in dem Selina lag. Liegen sollte. Gleichzeitig mit Frederik riss er die Tür auf, der Raum war leer. Einzig die blutgetränkten Tücher, die Öllampe, die noch brannte und Essensreste auf dem Tisch deuteten darauf hin, dass hier Jemand gewesen war. Salim schrie auf. Er rannte nach draussen und prallte mit Lisbeth zusammen, die gerade hinein wollte. „Was ist geschehen? Wo ist Selina?“ Lisbeth sah ihn leer an. „Wo ist Frederik?“ Salim war gerade im Begriff die alte Katze zu packen und zu schütteln, da erschien Frederik bereits in der Tür. Frederik und Lisbeth wechselten keine Worte, nur Blicke. Salim wurde fast wahnsinnig nichts zu erfahren. Lisbeth nickte Frederik zu, worauf sich dieser auf das bereitgestellte Pferd setzte und Losgaloppierte. Salim wollte reagieren, wurde aber von Lisbeth ins Haus gedrängt. Die alte Dame hatte erstaunliche Kraft, es gelang Salim nicht, sich loszureissen. Nun war er es, der Schrie. Er tobte, schlug auf Gegenstände ein.

Als er sich etwas beruhigt hatte, öffnete sich die Tür. Lisbeth trat lautlos ein und schloss sogleich hinter sich wieder zu. „Salim, ich bitte dich, hör mir kurz zu. Selina steht unter einem Fluch, einem Bann. Anubis hielt sie irgendwie fest, was ja eigentlich unmöglich ist bei einem Spiegel. Er scheint unheimlich wütend zu sein. Selina hingegen war in der Situation angreifbar weil sie eure Kinder schützen wollte. Sie musste Ali töten, keine Frage, aber…“ Salim schnitt ihr das Wort ab. Was hatte sie gesagt? ALI? „Lisbeth, bist du sicher? Ali? DER Ali? Mein Leibwächter von damals?“ Er wendete sich ab. Das konnte er nicht glauben. Nein. Nicht Ali. Warum ausgerechnet sollte Ali ihnen etwas Böses? Ihren Tod?

Selina, Katzen und ÄgyptenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt