Nachdem sie noch zwei Tage an der Oase blieben um zu Kräften zu kommen, reflektierten sie in der Zeit die Ereignisse, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich war. Salim war erstaunt als Selina ihm ihre Sicht offenbarte, wie sie die Nacht erlebt hatte. Als sie den Hünen erwähnte, dass sie ihn weder gerochen noch gehört habe, runzelte er besorgt die Stirn. „Du bist dir absolut sicher? Gar nichts? Auch tief in dir, keine Regung oder ein Anzeichen?“ Selina ging Gedanklich nochmals zu der besagten Nacht und lebte jede Szene nochmals durch bevor sie antwortete. „Ich bin nicht sicher… Weisst du, es war so viel in dem Moment. Ich hörte zuerst die Stimmen, das Feuer hab ich gerochen und die Schmerzen der Stammesmitglieder gefühlt. Es ist schwierig sich auf etwas Bestimmtes zu achten, vor allem wenn man nicht weiss dass es kommt. Es war laut, der Sturm. DER STURM!!!“ Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. „Ich fass es nicht…“ Erschrocken über ihre eigene Erkenntnis presste sie die Hand vor den Mund. Das konnte, nein, durfte sie Salim nicht sagen. Es würde ihn zu sehr Aufwühlen. Ihr war aber ebenso bewusst dass er nicht lockerlassen würde bis sie ihm ihre Vermutung erzählte. Fieberhaft suchte sie eine Version die sie ihm anbieten konnte. Selina wollte ihn nicht anlügen, die Wahrheit jedoch, durfte sie ihm nicht sagen. Sie sass in der Zwickmühle. Die Katzenregel verbot ihr darüber zu sprechen, die Liebe zu Salim wollte sie zur Wahrheit drängen. Dann kam ihr endlich die rettende Idee… „Erinnerst du dich an den einen Leibwächter von einem deiner Geschwister? Leider weiss ich nicht mehr wem er zugeteilt war, aber er war damals der einzige, der sie nie gescholten hat wenn sie ihre ‚Spässchen‘ mit uns Katzen trieben. Ein riesiger Mann, sehr kräftig, wohl etwas dumm und verschwiegen. Aber irgendwie war da auch immer etwas Dunkles, eine Aura umgab ihn…“ Selina wartete gespannt auf seine Reaktion. Salim jedoch bewegte nicht den kleinsten Muskel, liess sich nichts anmerken. ‚Mist‘.. dachte sie ‚hab ihm wohl zu viel gezeigt…‘ Es war nicht nur ihre Ausbildung gewesen, die ihn so undurchschaubar machte. Salim war ein Assassine. Niemand ausser Selina wusste das, weshalb ihr schlechtes Gewissen immer stärker wurde. ‚Er hat keine Geheimnisse vor mir, und ich? Ich verschweige ihm etwas dass sein Leben grundsätzlich verändern könnte…‘ Selina überlegte ob er wohl besser verstehen würde wenn sie ihm die Katzenregel nannte, deswegen nicht sprechen durfte. Aber andererseits haben die Assassine auch solche Regeln, Geheimnisse die niemand erfahren durfte. Ihr wurde noch etwas klar. Beide. Die Täter, das Feuer und die Gefangennahme des Stammes, galt ihnen, Salim und Selina. Auch der Tod von Mahta. Gleichermassen waren sie Betroffen gewesen. Die Älteste war schliesslich ihre Ersatzmutter gewesen…
„Seeelinaaa!“ Salim holte sie aus ihren Gedanken und blickte sie wütend an. „Ich dachte du hättest ein gutes Gehör?“ Beleidigt sah er weg. „Du hast deine Zunge nicht unter Kontrolle. Du hast mich angelogen. Warum sagst du nicht was du denkst? Vertraust du mir nicht?“ Offenbar war sie so vertieft gewesen dass sie nicht merkte wie sie laut ihre Gedanken preisgegeben hatte. Aber Salim hatte nicht von Anfang an gehört was sie dachte… Jetzt hatte sie keine Wahl mehr. „Salim, es tut mir aufrichtig leid. Ich vertraue dir. Aber ich bin gebunden, die Regeln lassen nicht zu dass ich dich einweihe. Aber ich verstehe dein Unmut, deswegen werde ich wohl eine Regel brechen müssen…“ Seufzend wollte sie beginnen ihren Verdacht zu offenbaren, da hörte sie die Stimme von Lisbeth. „Kleines, sei auf der Hut, erzähle, aber achte dich nicht alles preiszugeben. Es ist keine Lüge, nichts zu sagen. Es ist Verschweigen, denk daran.“
„Wir sollten uns auf den Weg machen. Ich erzähle dir unterwegs meinen Verdacht.“ Da Salim’s Kamel weg war machten sie sich zu Fuss auf den Weg. Direkt auf das ehemalige Lager zu, um dann weiter in Richtung der Verschleppten zu gehen. Beim Lager hielten sie noch einmal an, viel zu sehen gab es aber nicht… Alles war niedergebrannt, nichts als Asche und ein paar Tonscherben waren übrig. Selina blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und schnupperte. Salim wollte sie ansprechen, da lief sie los in Richtung des Teiches. Ihre Sinne verrieten ihr dass sich jemand in der Nähe befand. Die Haare an ihren Armen stellten sich auf und ihre Nase nahm den unverkennbaren Geruch von Blut wahr. Am Teich holte Salim sie ein und blickte angespannt über das Wasser, dem Ufer entlang. Auch er spürte etwas. Selina lächelte, und rief den Namen eines der Kinder das dem Stamm angehörte. Sofort teilte sich am anderen Ende das Schilf und ein kleiner Junge rannte auf sie zu und fiel Selina in die ausgebreiteten Arme. Nael schluchzte und erzählte mit tränenerstickter Stimme was ihm passiert war und wie er sich gerettet hatte. Selina versuchte ihn zu beruhigen, sagte ihm immer wieder dass jetzt alles gut werde. Salim stand etwas verlegen und gleichzeitig schockiert daneben. Als Selina sich mit Nael ans Ufer setzte, machte er sich auf etwas Essbares zu finden. Der Junge musste seit Tagen nichts mehr zu sich genommen haben. Salim fand schliesslich ein paar Wurzeln und schnitt einen Kaktus ab. Viel gab die Wüste nicht her. Salim begann sich zu fragen wie sie das alles schaffen sollten. Sie hatten weder Essen noch Wasser, kein Geld. Und jetzt war da noch der Junge. Logisch würden sie ihn mitnehmen, es wäre der Tod für den Kleinen, alleine hier zu bleiben. Salim kehrte zurück und staunte als er sah was in der Ferne auf sie zukam. Er beeilte sich und wollte Selina sofort berichten was er gesehen hatte. „Liebster,“ unterbrach sie ihn, „ich habe sie gerufen, sie bringen uns was wir brauchen und werden Nael mitnehmen. Er braucht Ruhe und ein neues Zuhause.“ Salim stand der Mund offen. Er konnte wieder mal nicht glauben was für Fähigkeiten Selina besass. Die Assassine zu rufen, konnte doch nur ein Meister. In dem Moment kam der Erste schwarzgekleidete Bruder an. Sein Pferd bäumte sich auf und der Assassine sprang behende auf den Boden. Er begrüsste kurz den Jungen und fiel im nächsten Moment Selina in die Arme. Salim konnte sich kaum zügeln. Eifersucht begann in ihm hochzusteigen als Selina den Mann auf die Wange küsste. Er wollte gerade dazwischen gehen als Selina sich doch noch löste und ihn strahlend ansah. „Darf ich dir mein Vater vorstellen? Vater, das ist Salim, mein Freund. Salim das ist Frederik, mein Vater.“ Salim blieben die unwirschen Worte im Halse stecken. Ihr Vater? Frederik begrüsste ihn seinerseits sehr herzlich. „Schön zu wissen dass meine Tochter mit einem Bruder unterwegs ist. Das beruhigt mich sehr. Aber ihr habt sicher Hunger.“ Frederik winkte nun seine Gefährten heran die sich bis jetzt zurückgehalten hatten und sich um die Pferde kümmerten. Die acht Assassinen brachten sofort ein offenes Zelt und begannen schweigend Essen aufzudecken. Salim begegnete einem jüngeren Bruder der sich gerade daran übte ein Feuer zu machen. Als er Salim spürte sah er hoch. Ihre Blicke trafen sich und beide wichen erst verblüfft zurück, um sich dann lachend in die Arme zu fallen. Es war Mesul. Sein bester Freund während der Ausbildung. Salim fragte sogleich neugierig wer Frederik sei. „Das weisst du nicht? Du hättest bleiben sollen Bruder… Frederik ist DER Meister. Er hat die Schule aufgebaut, Lehrer ausgebildet. Er ist DER Assassine überhaupt!“ Salim wurde plötzlich ganz flau im Magen und er war sicher dass das nicht der Hunger war. Er half Mesul beim Feuer und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Mesul wusste genau was in seinem Freund vorging. Er berührte Salim am Arm und zog in ein Stück weg. Das Feuer brannte, sie hatten ein paar Minuten bis das Essen fertig war. „Salim, was bedrückt dich?“ Bevor er antwortete, blickte er Mesul fest in die Augen. „Ich bin überrascht, weisst du? Selina hat nie erzählt dass ihr Vater der Kopf der Assassine ist, geschweige denn, dass es ihn gibt. Keine Ahnung was ich davon halten soll. Auch Frederik hätte doch genug Gelegenheit gehabt sich zu zeigen, er wusste dass ich mit seiner Tochter aufgewachsen bin…“ Salim erschienen Bilder im Kopf von seiner Zeit bei den Assassine. Er hatte den Mann schon gesehen, wusste aber nie, wer er war. Frederik hatte sich immer bedeckt gehalten, die Kapuze tief im Gesicht war er auf dem Gelände der Schule unterwegs. Die Schüler hatten immer den grössten Respekt, obwohl niemand sagen konnte wer er war. Kein Lehrer, nie hatte er Unterricht gegeben. Die meisten munkelten er könne gar nicht sprechen und sei ein Leibwächter wichtiger Personen. Ein Meister, der zurückgezogen sein Leben bestritt. Viele Assassine lebten so, jedoch waren sie dann nie an der Schule…
Salim schüttelte die Gedanken ab und zuckte mit den Schultern. „Ich werde bestimmt noch erfahren warum sie ihn verschwieg. Komm, ich rieche den Hammel…“ Selina schlang ihre Arme um ihn und gab ihm einen dicken Kuss als er sich neben ihr setzte. „Salim, nur ein kleiner Tipp..., nächstes Mal geht ihr noch weiter weg, wenn ich es nicht hören soll...“ flüsterte sie ihm ins Ohr. „Keine Sorge, du wirst alles erfahren…“ Salim spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Wie hatte er nur vergessen können, Selina war eine Katze, logisch musste sie wohl jedes Wort gehört haben das er mit Mesul sprach. Sie zwinkerte ihm zu, bedankte sich laut bei den Assassine für das Essen und begann damit in Sekundenschnelle ein Hammel nach dem anderen zu verputzen. Nael sah ihr derweil staunend zu, unfähig sich von dem Anblick zu lösen der sich bot. Seine Hand war erhoben, Hammel zwischen den Fingern, aber sein Mund blieb leer. Selina leckte sich die Finger. Bevor sie ihren ganzen Arm schleckte besann sie sich. „Nael, du musst es in den Mund stecken. Dein Magen wird nicht satt vom Ansehen…“ Amüsiert blinzelte sie ihn an, die Erstarrung löste sich und der Junge begann nun gierig zu essen. Sein Blick war die ganze Zeit auf Selina gerichtet. Mesul hatte wie alle in der Runde das ganze verfolgt und lächelte Selina an. „Du musst ihm verzeihen, Katze, er sah wohl noch nie ein so wunderschönes Geschöpf das mehr Hammel in sich stopft wie ein ausgewachsener Mann.“ Die Runde lachte schallend, während der kleine Nael nickte und sie weiter mit aufgerissenen Augen anstarrte. Nach dem reichhaltigen Mahl beschloss die Gruppe hier zu nächtigen. Nael war nicht wohl bei dem Gedanken eine weitere Nacht da zu sein, liess sich aber von Selina beruhigen. Sie brachte ihn in das einzige Zelt, Nael schlief sofort ein. Nach langen Gesprächen, die tief in die Nacht gingen, legten Selina und Salim nebeneinander in den Sand. Sie besprachen das witere Vorgehen. Nael würde morgen früh mit den Assassine zurückgehen. Frederik hatte ihnen angeboten zwei seiner Gefährten mit ihnen gehen zu lassen. Selina war jedoch nicht begeistert über diese Entwicklung, im Gegensatz zu Salim. Er versuchte nun sie zu überzeugen, welche Vorteile das hätte, zu viert. Doch Selina hörte nicht richtig zu. Sie beschäftigte eher der Umstand, dass ihr Vater persönlich erschienen war.
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Selina, Katzen und Ägypten
FantasySelina war immer gerne bei ihrer "Katzen-Oma" Lisbeth. Dort erfährt sie kurz vor ihrem 16. Geburtstag etwas dass ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.... Die Katzen werden ihr wohl immer bleiben, genau wie bei Lisbeth.