Flucht

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Die Ferien waren früher für mich ein Grund zur Freude. Ich war erlöst von meiner Klasse. Meinen Lehrern. Den Tag über konnte ich mich zurückziehen. Bei meinem Vater konnte ich den ganzen Tag im Bett bleiben und Niemanden hat es gestört. Ich hatte meine Ruhe. Jetzt jedoch, wo ich gerne zur Schule gehe, mich dort wohlfühle und zuhause unter dauerhaftem Stress durch die ganze Unruhe stehe, sind die Ferien eine Qual. 

Mittwoch. Noch die erste Woche, der zweiwöchigen Herbstferien. Nervlich bin ich schon jetzt am Ende. Mein Vater war der Meinung, das ich nun durch den Umzug über so ziemlich alles hinweg bin und zahlt meine Sitzungen bei Bepo nicht mehr. Meine Mutter kann es sich nicht leisten das zu übernehmen, somit muss ich wohl allein mit mir klar kommen. 

Ich atme tief durch, lehne meinen Kopf in den Nacken und blicke mit leicht zusammengekniffenen Augen in den wolkenlosen Himmel. Es ist Mittag. Etwa ein Uhr und meine Familie sitzt mit ein paar Bekannten draußen zum Grillen. So hätte ich ja nichts dagegen, wären sie nicht alle schon komplett betrunken. 

,,Law?"

Shachi lehnt sich an mich. Eine seiner Hände ist auf meinen Oberschenkel gelegt und kaum merklich hält er mich fest. 

Das er sich zu mir gesetzt hat, habe ich gar nicht mitbekommen.

,,Willst du was spielen? Mir ist langweilig."

,,Du bist alt genug, beschäftige dich allein oder frag Penguin."

,,Du siehst aber auch aus als wäre die langweilig."

,,Was mit mir ist, kann dir doch egal sein."

Murrend lässt Shachi mich los, steht auf und geht rein, nach Penguin schauen, der schon vor zehn Minuten von unserer Mutter losgeschickt wurde, eine neue Flasche Asti zu holen. Wir haben kaum Geld, teilweise ist nicht einmal genug da, um die Miete für das Haus zu zahlen, aber für Alkohol ist natürlich immer genug Geld da. 

Ich beuge mich runter, streichele Penny, die sich zu meinen Füßen niedergelegt hat, und blicke kurz zu den fünf Erwachsenen, die sich in ihrem schrecklichen Dialekt unterhalten. Karl ist am grillen, bringt meiner Mutter immer mehr essen da, das sie ziemlich unästhetisch in sich rein schaufelt. Kaum merklich verziehe ich mein Gesicht und stehe auf. 

,,Ich geh spazieren.", teile ich meiner Mutter mit, die mich genervt anschaut, da ich sie beim sprechen unterbrochen habe.

,,Um sechs bist du wieder da, klar?", macht sie mich direkt mit ihrer 'lieblichen'Stimme an.

Leicht nicke ich, schlängele mich dann durch die Leute, die direkt neben dem Tor sitzen, durch das man raus auf unsere Einfahrt kommt, und gehe dann eben diese entlang. Ein genaues Ziel habe ich nicht, also schlendere ich einfach durch das Dorf. Heute ist wieder ein Tag, wo ich mich eigentlich zu nichts aufraffen will. Keine Kraft habe um mich schneller zu bewegen als Schrittgeschwindigkeit und Sport scheue, doch ich muss einfach raus. Den ganzen Tag in diesem Haus zu sein macht mich verrückt. Meiner Kindheit trauere ich oft nach. Damals als noch alles in Ordnung war. Wo sich meine Eltern noch verstanden haben. Ich keine Probleme hatte. Nicht mit ihr leben musste. Mit den Gedanken an die zwei Jahre totale Finsternis, die mich heute nicht mehr schlafen lässt. Die meine Seele jeden Tag mehr auffrisst. 

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Kurz bleibe ich stehen, schließe meine Augen und fahre mir durch die Haare. Ich atme tief durch, konzentriere mich auf die Geräusche um mich herum, damit ich nicht wieder zurück denke. Im Moment würde ich das nicht ertragen. 

Blätter rascheln im Wind. Regen tropft zwischen ihnen hindurch, runter auf den Waldweg. Das laute Geräusch des Donners, ganz in der Nähe. 

Nie war ich jemand der Angst im Wald hatte, doch jetzt ist es finstere Nacht und der Gewitterschauer, der für heute angesagt wurde ist genau über mir. Ich bin weiter gelaufen, als ich eigentlich geplant hatte. Als ich an dem Wald angekommen bin, der nach einem weitläufigen Acker an unser Dorf grenzt, bin ich auf den Wegen geblieben, zumindest dachte ich genau das. Mittlerweile bin ich komplett durchnässt, es ist kalt und ich habe keine Ahnung wo ich bin. An irgendetwas orientieren kann ich mich auch schlecht, dafür ist es zu dunkel. 

Werde ich heute sterben?

Oft habe ich es mir vorgestellt, wie es wohl ist wenn ich sterbe. In einer meiner wirklich schlechten Phasen, habe ich auch den ein oder anderen Selbstmordversuch gestartet, doch allein, nachts im Wald zu sterben, wo ich vielleicht nie gefunden werde, erscheint mir nicht besonders erstrebenswert. 

Relativ häufig bin ich in diesem Wald joggen. Die Waldwege sind breit und recht gut befestigt. Tagsüber ist es ein schöner Ort um sich zurückzuziehen, doch heute macht er mir Angst. Obwohl ich kaum etwas sehen kann, laufe ich weiter. Suche mir meinen Weg zurück. 

Mit jedem Schritt zittere ich mir. Kraft habe ich schon lange nicht mehr. Als Smoker-ya mich damals aus ihrem Keller geholt hat, dachte ich mein Albtraum wäre vorbei. Das ich nie wieder solche Kälte spüre. Das meine Gedanken das Einzige sind, was mir eine solche Angst einjagt. Das ich sicher bin, doch der tiefe Grunzen hinter mir, deutet ganz sicher nicht auf Sicherheit hin. Ich beschleunige meine Schritte, laufe so schnell wie der Untergrund es zulässt und mich meine Beine noch tragen. 

Bilde ich mir das nur ein? 

Nein. Da ist etwas. Etwas verdammt schnelles. 

Mir steigen Tränen in die Augen. Ich weine. Seit einer gefühlten Ewigkeit weine ich wieder. 

Ohne mich umzudrehen, beginne ich zu rennen. Versuche schnell mehr Platz zwischen mich und das zu bringen, was mich verfolgt. 

Immer wieder dieses Grunzen und Schnauben hinter mir. Seine Schritte die immer Näher kommen. So viel schneller erscheinen als meine Eigenen. Während des Rennens, wische ich mir mit einem Arm übers Gesicht. Meine Tränen fühlen sich schrecklich heiß im Gegensatz zu meiner Haut an. Meine Lunge brennt. Meine Körper ist trau. Fühlt sich tot an. Genau wie damals. 

Schneller als ich realisieren kann, was gerade passiert ist, rutsche ich auf etwas des nassen Laubes aus und falle. Nur kurz durchzuckt mich ein stechender Schmerz, ausgehend von meiner linken Kopfseite, dann nichts....



Death women revengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt