Annäherungsversuche

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Schweigend sitze ich auf einer der Bänke im Sportunterricht und beobachte wie Kid und Killer den Rest der Klasse herumscheuchen.

Nach meinem kleinen Ausrastet wegen Vivi, hat mich Kid versucht zu beruhigen. Hat mich zurück in die Klasse geholt, wo sich tatsächlich Vivi bei mir entschuldigt hat. Seitdem habe ich nun wirklich gar keine Ruhe mehr in der Schule, doch im guten Sinne. Trotz meines Fehlverhaltens, habe ich Anschluss gefunden. Freunde.

Ich atme tief durch, blicke an die Decke der Turnhalle. Stellenweise hat es durch die Decke geregnet und die weißen Deckenblatten haben siffig wirkende, gelbe Stellen.

Es ist nicht nur meine Klassenkameraden, mit denen ich mich gut verstehe, auch meine Lehrer. Kid und Killer. Meine Deutsch und Geschichtslehrer De Flamingo und Rocinante. Zwar alle schrullig und gewöhnungsbedürftig, doch ich habe sie ins Herz geschlossen. Bis heute wusste ich nicht mal das ich dazu fähig bin, einen Anderem Menschen zu mögen, doch alle an dieser Schule, scheinen einen geradezu dazu zu zwingen, sie zu mögen.

,,Willst du nicht doch mitmachen? Die Stunde hat gerade erst angefangen. Ich könnte dir auch Sachen von mir leihen.", fragt Kid mich wie in so ziemlich jeder Sportstunde, während er sich neben mich setzt.

,,Ich werde nicht mitmachen.", weise ich ihn ab.

,,Warum nicht? Niemand wird dich auslachen, wenn du nicht perfekt bist. Schau dir Lysopp an. Er ist der Inbegriff der Unsportlichkeit und keiner schließt ihn aus."

,,Darum geht es nicht. Ich bin nicht unsportlich."

,,Warum dann nicht?"

,,Es ist das momentane Thema."

,,Selbstverteidigung ist wichtig. Du musst dich währen können, solltest du mal angegriffen werden. Ich weis, als Junge ist es unwahrscheinlich, überfallen zu werden, doch..."

,,Schweig!", donnere ich und drehe mich demonstrativ weg.

,,Es tut mir leid.", versucht Kid mich noch ein paar schweigend verstrichenen Minuten wieder anzusprechen.

Ich brumme nur, schließe meine Augen und knabbere leicht an meiner Unterlippe. Er kann ja nicht wissen, das er da einen wunden Punkt bei mir getroffen hat.

,,Nicht schmollen."

Kaum merke ich, das Kid sich bewegt hat, da lehne ich auch schon an ihm, seine Arme hat er um mich gelegt, streicht mir über den Arm, so wie er es bereits die drei Monate über macht, seitdem ich in seine Klasse gewechselt bin. Seltsamerweise suchen Kid und Killer nur bei mir so viel Körperkontakt, zumindest habe ich sie bis jetzt noch mit keinem anderen Schüler so intim gesehen.

,,Ich schmolle nicht, ich denke.", murre ich nur, lehne meinen Kopf dabei an Kids Schulter.

Unsere beiden Lehrer tragen im Sportunterricht noch weniger, als in ihrem normalen Unterricht. Kid hat sich heute für eine knielange Hose in Militäroptik entschieden, dazu schwarze Halbsocken und ebenso schwarze Markenturnschuhe, was ich sehr begrüße. Sie sehen wirklich heiß aus. Groß. Durchtrainiert. Wirkliche Blickfänge, und dann auch noch so spärlich bekleidet. Mittlerweile ist mir klar, dass ich die beiden schrägen Vögel, mehr als nur mag.

,,Du schmollst.", meint Kid belustigt und lehnt seine Stirn an meinen Hinterkopf.

Ein sanftes Lächeln bildet sich auf meinen Lippen.

,,Warum willst du überhaupt das ich mitmache?"

,,Sport ist wichtig für den Körper."

,,Das ist alles?"

Obwohl er es nicht sehen kann, ziehe ich meine rechte Augenbraue hoch.

,,Ich will dich schwitzen und außer Atem sehen.", raunt er mir leise zu, darauf bedacht das wirklich nur ich es hören kann.

Ich drehe mich zu ihm, blicke ihn fragend an. Ein zarter, kaum zu sehender Rotschimmer hat sich auf seinen Wangen gebildet. Meinem Blick hält er jedoch stand.

,,Wirklich?", frage ich leicht unsicher nach.

,,Nicht nur ich. Killer auch."

Ein warmer Schauer geht durch meine Körper. 

War das sein Ernst? Nein. Nein! Er macht Späße mit mir. Immerhin ist er mein Lehrer. Warum sollte er so etwas denken? So etwas bei mir sehen wollen. Vor allem bei mir? 

,,Ich mache trotzdem nicht mit.", nuschele ich leise und drehe mich wieder um.

Kid kuschelt mich weiter, ruft noch etwas einem der Schüler zu, was ich zwar mitbekomme, doch nicht auf seine Worte achte, zu sehr bin ich in meinen Gedanken gefangen.


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,,Jetzt erzähl mir doch mal wie die Schule war. Nie bekomme ich irgendetwas von dir zu hören.", meckert meine Mutter, während wir beim Essen sitzen.

,,Normal.", gebe ich meine kurze Standartantwort.

,,Normal. Immer nur normal. Kannst du auch noch was anderes sagen? Früher hat du sich beschwert, das ich nicht genug mit dir spreche und jetzt redest du kaum mit mir."

Die Stimme meiner Mutter wird lauter. Wird aggressiver.

,,Gäbe es etwas, was du wissen musst, würde ich es dir mitteilen."

Noch kurz werde ich mit einem finsteren Blick meiner Mutter bedacht, dann blickt sie auch Shachi an, der direkt anfängt loszuplappern und hin und wieder von Penguin unterbrochen wird.

An manchen Tagen, ihren guten Tagen, versucht sie nett zu sein. Uns nach der Schule oder sonstigem zu fragen. An diesen Tagen scheinen ihre Medikamente besser zu wirken oder sie hat besser geschlafen zu haben. Ich kann es nicht sagen, doch an solchen Tagen ist sie erträglicher. Schreit weniger, zumindest, versucht sie weniger zu schreien. 

In meine Schule zu gehen, ist angenehm, morgens habe ich etwas, worauf ich mich freuen kann, so etwas, kannte ich sonst nur von den Tagen, an denen ich ein Gespräch mit Bepo hatte, doch sobald ich nach hause muss, verfliegen alle positiven Gefühle. Die ständige Negativität hier macht mich fertig. Ständig ist hier trubel. Nicht nur wegen meiner kleinen dauerhaft aktiven Brüder, nein täglich geben sich die Bekannten meiner Mutter die Türklinke in die Hand. Einer zurückgebliebener und proletenhafter als der Vorherige. 

Ich blicke runter auf meinen Teller, stochere in meinem halb gegessenen Gemüse herum und bin in Gedanken bei meinen Lehrern. 

Ob das, was Kid heute im Sportunterricht erzählt hat wohl stimmt? Auch danach in der Klassenlehrerstunde, hat er mir immer wieder solche blicke zugeworfen. Liebevoll. Sehnsüchtig. Auch von Killer habe ich solche Signale empfangen. Zwar kann ich mir da nicht ganz sicher sein, immerhin sehe ich sein Gesicht nicht, doch seine Taten sprechen für sich. Ständig diese 'versehentlichen'Berührungen er Beiden. Doch warum ich? Was kann man schon an einem total labilen Jungen finden? Wäre ich hübsch oder charismatisch, könnte ich es noch irgendwie nachvollziehen, warum zwei wesentlich ältere, wirklich gut aussehende Männer an mir finden, doch das bin ich nicht. Vielleicht wollen sie mich auch nur bemuttern. Möglich wäre es. Es wäre sogar wahrscheinlicher. Sie haben oft genug mitbekommen, das ich nicht ganz normal bin und sehen mich als ihr Projekt. Dann passen nur Kids Worte nicht ganz.

,,Du sollst was essen und nicht nur rumspielen! Du bist eh schon ganz verhungert. Nur Knochen.", meckert meine Mutter wieder herum und stört mich beim grübeln.

Ich sparre mir einen Kommentar, da dass nur wieder zu unnötigen Streitereien führen würde, für die ich heute Abend wirklich nicht mehr die Kraft habe, also esse ich meinen Teller leer, tätige noch den Abwasch und gehe dann nach oben, wo ich zuerst duschen gehe und schließlich in T-Shirt und kurzer Jogginghose in mein Bett steige, oder vielmehr auf meine Matratze, denn ein wirkliches Bett habe ich immer noch nicht. 

Mein Vater hat immerhin meine restlichen Klamotten, meinen Laptop und andere kleinere Dinge per Post geschickt. Zwar ist mein Zimmer nicht wirklich gemütlich oder schön anzusehen, aber wenigstens etwas persönlicher. 

Auf meinem rechten Arm liegend, blicke ich mit geschlossenen Augen gegen meine weiß tapezierte Wand und warte darauf, bis ich auch heute in einen von Albträumen geplagten Schlaf falle.

Death women revengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt